Leitartikel

Wandel als Chance

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

beständig am Leben ist der Wandel: Nichts umschreibt die akute gesellschaftliche Entwicklung besser als das dem Philosophen Heraklit zugeschriebene „Panta rhei“: Es betrifft Demografie wie Datenschutz, die Wirtschaftskrise wie die zunehmende Ökonomisierung sozialer Versorgungsstrukturen – wir brauchen nicht lange, um zu benennen, wo wir Menschen heute, statt zu agieren, zum Reagieren gezwungen werden. Panta rhei, alles fließt – heute leider meist schneller, als es uns allen lieb sein kann.

Dabei ist Wandel nicht nachteilig: Er schafft die Chance auf Veränderung. Und: Wer nicht vom „Mainstream“ unweigerlich mitgerissen werden will, hat die Möglichkeit, sich auf anstehende Änderungen vorzubereiten. Wir Zahnärzte haben uns seit Verabschiedung des Zahnheilkundegesetzes Anfang der Fünfzigerjahre kontinuierlich auf eine Vielzahl von Änderungen einstellen müssen. Die Entscheidung über das „Wie“ wurde in der Regel im Vorfeld jeder Entwicklung getroffen. Wir haben uns dabei nicht zwangsläufig immer um den „Mainstream“ geschert. Als freiberuflicher und selbstverwalteter Berufsstand haben wir in den vergangenen Jahrzehnten oft eigene Wege gewählt, die vom Gängigen abweichen, uns aber inzwischen auch fachlichen Respekt eingebracht haben.

Aber der Wille, als Berufsstand eigenverantwortlich zu denken und zu handeln, ist nicht nur für unseren Außenauftritt als Zahnärzteschaft wichtig. Auch für die internen Strukturen des Berufsstands, für unsere Selbst-verwaltung, ist es notwendiger Bestandteil unseres Selbstverständnisses. Es gehört dazu, dass wir den Wandel im Berufsstand aktiv angehen und selbst gestalten: Die in der jüngeren Generation der Kollegen nicht mehr untypischen Vorstellungen von Work-Life-Balance, die wachsenden Angebote, zwischen Anstellung oder Niederlassung zu wählen, oder die Einbindung in neue Praxismodelle und Kooperationen fordern Antworten aus dem Berufsstand heraus, von uns als zahnärztlicher Selbstverwaltung.

Als Bundeszahnärztekammer haben wir uns schon vor zwei Jahren mit einem Memoran dum zur Befassung mit dem perspektivischen Wandel des Berufsstands verpflichtet. Dieses Jahr haben wir das Thema auf unserer Klausurtagung thematisch aufgearbeitet. Und wir gehen diesen Weg aktiv weiter. Dass dabei nicht nur die Inhalte, sondern auch unser Selbstverständnis geprüft werden müssen, ist Teil der Erkenntnisse aus der Klausurtagung.

Der Sozialforscher Prof. Dr. Christoph Hommerich hat uns seine Thesen zu Aufgaben und Herausforderungen des modernen Kammerwesens dargestellt. Seinen Essay zum Thema bietet diese zm-Ausgabe. Dieser Experte stellt gezielt die Fragen, die wir uns beantworten müssen, wenn wir für den Zahnarzt Selbstverwaltung weiterhin sinnvoll ausfüllen wollen. Und die Antworten sind keineswegs exotisch: Es geht darum, im Umfeld stärkerer Ökonomisierung zeitgemäß Grenzen zu definieren, die unseren beruflichen Ethos aufrechterhalten, die Qualität unserer patientenbezogenen Arbeit sichern, unsere Therapiefreiheit bewahren. Fachlichkeit behält hier obere Priorität. Wenn von außen versucht wird, alte Grenzen zu überschreiten, müssen wir die für unseren Beruf erforderlichen Grenzen definieren und verteidigen. Das kann allerdings auch nicht ohne Selbstkritik gehen. Selbstverwaltung heißt auch, dass wir in einer im ständigen Wandel befindlichen Medizin in der Lage sein müssen, die Grenzen unseres Handelns aufzeigen zu können.

Denn wir brauchen auch künftig die Möglichkeit, stellvertretend für andere – unsere Patienten – zu handeln und hierfür persönliche Verantwortung zu übernehmen. Das impliziert eine Sonderstellung, schafft damit auch die Notwendigkeit diesen Beruf frei auszuüben.

Sicher ist: Bewahren können wir uns das nur gemeinsam. Nicht jeder für sich im stillen Kämmerlein, sondern als starker und selbstbewusster Berufsstand in einer Kammer.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Peter EngelPräsident der Bundeszahnärztekammer

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