Die Krise als Chance
„Totgesagte leben länger“ – so lautet ein deutsches Sprichwort, das sich gut auf die aktuelle Situation bei den offenen Immobilienfonds anwenden lässt. Denn in dieser Branche hat sich die Spreu vom Weizen getrennt. Bei einigen Fonds ist das Überleben gesichert, doch viele von ihnen müssen aufgeben, obwohl die Produkte durchaus seriös gestaltet waren.
Gebeutelt durch die Krise erlebten die Fonds die schwärzesten Jahre seit Bestehen. Vor allem weil professionelle Investoren riesige Summen aus den Fonds abzogen, gerieten diese ins Wanken. Zwölf von ihnen werden inzwischen abgewickelt. Zusammen verfügten sie über ein Anlagevermögen von rund 34 Milliarden Euro. Einen Teil ihres eingesetzten Kapitals werden die betroffenen Anleger zurückbekommen.
Die zehn Fonds hingegen, die überlebt haben, erfreuen sich guter Gesundheit. Sie haben ein Vermögen (Stand: Ende Januar) von etwa 54 Milliarden Euro angesammelt und in den vergangenen fünf Jahren Renditen zwischen 2,2 und 3,6 Prozent erzielt. Das Kapital legen sie in Gewerbeimmobilien wie Bürokomplexe oder Einkaufscenter an.
Der größte Publikumsfonds – der Deka-Immobilien-Europa-Fonds verwaltete Ende April ein Vermögen in Höhe von 12,2 Milliarden Euro, gefolgt vom Hausinvest mit 9,3 Milliarden Euro und dem UniImmo Deutschland mit 9,1 Milliarden Euro.
Einen Teil des Geldes halten die Fondsmanager als verfügbares Kapital, um Anleger, die ihre Anteile zurückgeben, auszahlen zu können. Damit die Fonds nicht wieder in Schwierigkeiten geraten, weil sie nicht genügend Bargeld zur Verfügung haben, hat der Gesetzgeber neue Regeln vorgegeben, die diese Probleme in Zukunft verhindern sollen.
Gesetzgeber schafft klare Regeln
Denn nicht die Anlage als solche war das Problem, sondern der Umgang damit. Immobilien sind langfristige Geldanlagen, die nicht jederzeit verfügbar sein können. Denn ein Haus zu kaufen und zu verkaufen braucht Zeit. Bis Ende vergangenen Jahres aber konnten Anleger ihre Anteile täglich kaufen und verkaufen. Seit Beginn des neuen Jahres gelten neue Vorschriften, die zum Stichtag 22. Juli noch einmal verschärft worden sind. Anteile die ab diesem Datum gekauft werden, unterliegen anderen Regeln als ältere.
• Anteile, die vor dem 22. Juli 2013 gekauft wurden:
Anleger können pro Kalenderhalbjahr Anteile im Wert von 30 000 Euro zurückgeben und zwar täglich.
Wer Anteile im Wert von mehr als 30 000 Euro zurückgeben will, muss diese zwölf Monate im Voraus kündigen.
Anteile, deren Wert den Freibetrag von 30 000 Euro übersteigen, müssen für mindestens zwei Jahre im Depot bleiben, ehe sie verkauft werden dürfen.
• Anteile, die ab dem 22. Juli 2013 gekauft wurden:
Ab dann gilt das Kapitalanlagengesetzbuch, das die AIFM-Richtlinie in deutsches Recht umsetzt. Danach entfällt der Freibetrag von 30 000 Euro für Neuanlagen. Die Anteile können dann nur noch einmal im Jahr zurückgegeben werden.
Die neu erworbenen Anteile unterliegen der Mindesthaltefrist von zwei Jahren. Hinzu kommen zwölf Monate Kündigungsfrist. Die beliebten Auszahlpläne, mit denen Anleger gern ihr Alterseinkommen aufbessern, funktionieren nur mit Anteilen, die vor dem 22. Juli 2013 gekauft worden sind. Für alle später erworbenen Anteile gelten die neuen Kündigungsregeln.
Unberührt von den Neuerungen bleibt die Möglichkeit, seine Anteile an der Börse zu verkaufen. Je nach Marktlage muss man aber mit Abschlägen beim Kurs rechnen.
Starke Nachfrage nach offenen Fonds
Die Handhabung der Fondsanteile gestaltet sich dank der erneuten Verschärfung der gesetzlichen Regelung deutlich unflexibler. Kein Wunder, dass die Nachfrage nach offenen Immobilienfonds bis zum 22. Juli sehr lebhaft war. Denn das Anlegerinteresse ist wieder erstarkt. Das sieht auch Wolfgang Kubatzki, Mitglied der Geschäftsleitung der Feri Euro-Rating, so: „In den vergangenen Jahren haben wir einen Konzentrations- prozess bei offenen Fonds gesehen. Die verbliebenen Fonds profitieren jetzt von einem stabilen rechtlichen Umfeld und von der Stärke des deutschen Immobilienmarkts.“
Trotz der guten Entwicklung geht aber auch Kubatzki davon aus, dass die Renditen der früheren Jahre zwischen vier und fünf Prozent so schnell nicht wieder erreicht werden. Zurzeit rentieren die Fonds im Schnitt mit zwei Prozent. Allerdings sind die Ausschüttungen zum Teil steuerfrei. Dazu meint Sonja Knorr, Expertin bei der Ratingagentur Scope in Berlin: „Das liegt über dem Durchschnitt von Konkurrenzanlagen wie Tages- oder Festgeld.“ Denn auch diese Fonds bleiben von den Auswirkungen der niedrigen Zinsen nicht verschont.
So zeigen die aktuellen Ergebnisse des Scope-Ratings leicht verbesserte Ergebnisse bei 15 offenen Immobilienfonds. Zu den Fonds mit den besten Ergebnissen, in die auch private Anleger investieren können, zählen der Grundbesitz Europa von Rreef, der Deka-Immobilien-Europa von Deka sowie der UniImmo Deutschland von Union Investments.
Vermietungsquote als wichtiges Kriterium
Zu den wichtigsten Parametern, die die Qualität eines offenen Immobilienfonds bestimmen gehört unter anderem die Vermietungsquote. Im Schnitt erreichten die Fonds eine Vermietung von 92,4 Prozent. Für die Manager bleibt die Vermietung angesichts der wirtschaftlichen Bedingungen schwierig. Die hohen Mieten der Vergangenheit lassen sich kaum noch durchsetzen. Scope erwartet deshalb vor allem in Europa mittelfristig nur stabile bis leicht sinkende Vermietungsquoten.
Erstaunlich hoch sind die liquiden Reserven, die die Fonds zurzeit halten. In Schnitt liegen sie bei 21,6 Prozent. Mit 33,8 Prozent verfügt der Grundbesitz Europa über die meisten Barmittel. Grund dafür sind zum einen die hohen Zuflüsse und andererseits ein Mangel an attraktiven Investitionsobjekten, so vermutet es Scope.
Eine sinkende Tendenz beobachten die Experten bei der Kreditquote. Der Grund dafür liegt bei den gesetzlichen Vorgaben. Bis 2015 müssen alle Fonds eine maximale Kreditquote von 30 Prozent einhalten. Zurzeit überschreiten sechs der 15 Fonds diese Grenze noch. Mit in das Rating bezieht Scope die Qualität des Managements ein. Mit der Bestnote AAA bewertet die Agentur die Deutsche Asset Wealth Management (Deutsche Bank). Ein AA+ gibt es für Union Investment Real Estate (Volks- und Raiffeisenbanken) sowie für die Deka-Bank Geschäftsfeld Immobilien (Sparkassen).
Für Anleger, die einen Teil ihres Vermögens in Immobilien investieren möchten, eignen sich vor allem die älteren Dickschiffe unter den Fonds. So besteht der UniImmo Deutschland schon seit 1966. Den Grundbesitz Europa der Deutschen Bank und den Hausinvest der Commerzbank gibt es seit mehr als 40 Jahren. Der Hausinvest verwaltete zum Jahresende 2012 mit 11,5 Milliarden Euro das meiste Kapital, gefolgt vom Deka-Immobilien Europa mit elf Milliarden. Diese Fonds verfügen alle über eine sehr starke Vertriebsstruktur. Neben dem fähigen Management ist dies ein wesentlicher Faktor für den Bestand der Fonds.
Immobilen als Teil eines Anlageportfolios
Kubatzki jedenfalls geht davon aus, dass die am Markt operierenden Fonds sicher sind und die neue Gesetzeslage die Attraktivität der offenen Immobilienfonds nicht unbedingt schmälert: „Dieses halbliquide Vehikel ist immerhin in der Lage, bei der Rendite einen Schnaps mehr als andere Anlagen zu bringen.“ Niels Nauhauser, Referent für Geldanlage bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Stuttgart sieht noch einen anderen Aspekt, der für eine Anlage in Immobilienfonds spricht. „Immobilien sind eine wesentliche Anlageklasse, deren Renditen und Risiken zu einem gewissen Grad unabhängig sind von den Renditen und Risiken anderer Anlageklassen. Deshalb macht es Sinn, sie einem Portfolio beizumischen.“
Interessant sind die Fonds vor allem für Investoren, die ihr Kapital möglichst breit streuen möchten. Statt Hunderttausende in ein Objekt zu stecken und auf eine unsichere Wertentwicklung zu hoffen, bietet der Immobilienfonds zusätzliche Sicherheit. Dazu sagt der Finanzanalytiker Volker Loomann: „Offene Immobilienfonds bleiben unter dem Aspekt der Risikostreuung eine Überlegung wert.“ Denn hier liegt das Geld nicht in einem Objekt fest, sondern ist auf 50 bis 100 Objekte gestreut. Wer will, kann seinen Einsatz gleich auf mehrere Fonds verteilen. Auch die striktere Regelung für die Rückgabe der Anteile bewertet er positiv. „Das sieht auf den ersten Blick nach Knebelei aus, doch bei genauerem Hinsehen werden sowohl die Anbieter als auch die Anleger von diesem Gesetz profitieren, weil es endlich Ruhe in die Branche bringt.“ Finanzjurist Markus Feck von der Verbraucherzentrale NRW in Düsseldorf moniert: „Verbraucher, die mit offenen Immobilienfonds ihre Altersvorsorge gestalten, müssen sorgfältig planen,wenn es nur ein Rückgabedatum pro Jahr gibt.“
Fachleute erwarten zusätzliche Angebote
Alle Experten gehen davon aus, dass einige Gesellschaften wahrscheinlich zum Herbst mit neuartigen Fonds aufwarten werden. Bereits angekündigt hat die Fondsgesellschaft KanAm eine neue Generation von Fonds, die dank des neuen Gesetzes „schockresistenter“ sein wird. Kubatzki könnte sich kleinere Themenfonds vor- stellen, die zum Beispiel Schwerpunkte setzen bei Hotels oder Lagergebäuden. Die Manager müssten dann für alle Fonds nicht mehr ständig so viel Liquidität vorhalten wie bisher. Auf den Stichtag, zu dem die Anleger ihre Anteile zurückgeben, können sie sich dank der einjährigen Kündigungsfrist einstellen. Zwangsverkäufe von Objekten zu niedrigen Preisen sind dann nicht mehr nötig. Und Anlegern, die dringend Geld benötigen, bleibt immer noch der Gang zur Börse. Dort können sie weiterhin täglich zu den aktuellen Kursen verkaufen. Eine Garantie für den Verkauf gibt es allerdings auch dort nicht. Es muss sich erst ein Käufer finden.
Marlene EndruweitFachjournalistin für Wirtschaftm.endruweit@netcologne.de