13000 Kilometer gen Osten
Idee der Tour: Ein Fahrzeug, das dem mongolischen Volk nützen kann, wird auf dem Landweg in das zentralasiatische Land überführt und vor Ort gespendet. Hierfür konnte ein allradangetriebenes Katastrophenschutzfahrzeug, das mit vier Tragen für den Krankentransport ausgerüstet ist, aus Itzehoe in Schleswig-Holstein ersteigert werden.
40 Jahre Zahnarzt gewesen zu sein, kann man aber nicht so schnell aufgeben. So entstand die Idee, das Fahrzeug in eine mobile Zahnarztpraxis umzubauen. Das Zahnmobil sollte am Ziel der Stiftung Zahnärzte ohne Grenzen übergeben werden. Auf den Rat Mongolei-erfahrener Kollegen hin wurde jedoch wegen der extremen Witterungsbedingungen deren Konzept übernommen, das hieß lieber eine transportable Dentaleinheit mitzuführen, die auch in einer Jurte oder in einem Gebäude aufgebaut werden kann.
Das Fahrzeug wurde nach Durchsicht mit TÜV-Abnahme mit viel Hilfe von Freunden lediglich den Reisebedingungen angepasst und mit Betten und Stauräumen für die täglichen Dinge ausgestattet.
Zunächst führte die Route in die falsche Richtung nach London, um den „1. Offizier“, Alexander Steiner (30), abzuholen.
8 000 Euro Zoll für ein Exportkennzeichen
Außerdem wollten die Steiners beim Start der Mongolia Charity Rally am 7. Juli 2012 in London dabei sein. Bei dieser Tour ist man völlig auf sich selbst gestellt, keine Checkpoints, kein Support, keine feste Route. Dort übergaben Vertreter der Firma Adec eine komplette mobile luftgetriebene zahnärztliche Einheit als großzügige Spende. Das Dentaldepot Sico in Erlangen spendete den passenden faltbaren Patientenstuhl, ein kleiner Kompressor von der Firma Dürr kam auch noch dazu. Dann ging es endlich los. Als Erstes wurde der neue „Heimathafen“ Erlangen angelaufen, um Lebensmittel und andere nützliche Dinge für die Fahrt zu „bunkern“ und um sich von Freunden, Sponsoren und Vertretern der Stiftung Zahnärzte ohne Grenzen zu verabschieden.
Ohne Schwierigkeiten folgte das Duo seiner geplanten Route über Polen an die Ukrainische Grenze. Dort gab es das erste Problem: Wegen des Exportkennzeichens wollten die Grenzbeamten 8 000 Euro Einfuhrzoll er- heben. Das Argument, dass das Fahrzeug in die Mongolei überführt werden sollte, interessierte sie nicht. Nach einem weiteren Versuch am folgenden Tag an einem anderen Grenzübergang und weiteren zehn Stunden ohne Erfolg montierten die Männer die Nummernschilder ab und der „Kapitän“ flog nach Hause, um das Auto „normal“ anzumelden. Dann klappte der Grenzübertritt in nur vier Stunden ohne Probleme.
Ein Ozean aus Birken- und Nadelwäldern
Nach der ersten Übernachtung in Lemberg (Ukraine) gab es gleich zu Beginn bei strömendem Regen Gelegenheit, sich mit dem Verhalten des „Kreuzfahrtschiffes“ bei „rauer See“, sprich schlechten Straßen, vertraut zu machen. Das Wetter besserte sich bald und die Reise ging über Donets´k weiter nach Russland, über Wolgograd, dann an der Wolga entlang nach Norden, um Kasachstan zu umgehen, obwohl die Route eigentlich durch dieses Land geplant war.
Die verlorene Zeit sollte eingeholt werden. Und die Vorfreude auf weitere Grenzübergänge hielt sich in Grenzen. Dann kam der zweite Schock: Mit einem lauten Knall zerbarst 70 Kilometer vor Samara die Frontscheibe. Die Sekuritglassplitter mussten herausgepult werden. Nur die Sonne schaute zu. So ging es ohne Frontscheibe weiter nach Samara. In der hiesigen VW-Werkstatt erklärte der Mechaniker, dass es vier Wochen dauern würde, bis eine neue Scheibe aus Deutschland ankommen könnte.
Ein Angestellter in dem VW-Haus hatte die rettende Idee. Er zeigte am nächsten Tag den Weg zu einer kleinen Hinterhofwerkstatt, in der ein älterer Mann es in zwei Tagen Arbeit schaffte, eine neue, individuell gefertigte Verbundglasscheibe zu „backen“ und einzusetzen. Dann ging es über Ufa, Chelyabinsk und Omsk nach Novosibirsk. Der „weite Ozean“ bestand hier abwechselnd aus Birken- und Nadelwäldern.
Drei Tage Streit mit mongolischen Zöllnern
Von Novosibirsk aus ging es auf hervorragenden Straßen durch das wunderschöne Altay-Gebirge weiter in Richtung Mongolei. Auch hier war die Grenzüberquerung wieder ein dreitägiges Abenteuer: Am Wochenende, über Mittag und ab 18.00 Uhr ist die Grenze geschlossen und die Organisation „Go Help“ und die Zöllner stritten sich von Montag- bis Mittwochabend über die Höhe der zu entrichtenden Gebühren. Die Gewissheit, die Mongolei endlich erreicht zu haben, machte schon etwas euphorisch und die nächtliche Kälte konnte einem in der „Kabine“ sowieso nichts anhaben.
Ursprünglich war geplant, mit den für die Stiftung vor Ort arbeitenden Kollegen mitzuarbeiten. Leider konnte die Mongolei jedoch erst an dem Tag erreicht werden, an dem der Einsatz der Kollegen im nächstgelegen Ort im Nordwesten des Landes zu Ende ging. Die zahnärztliche Arbeit war also definitiv passé.
Dafür blieb jetzt noch Zeit, um die Mongolei zu erleben. Das Vorankommen auf den Pisten war mühsam. Doch die weiten Landschaften bleiben ein unvergesslicher Genuss. Das allradangetriebene, sehr hoch liegende „Kreuzfahrtschiff“ erwies sich als hervorragend geeignet sowohl für „Flussfahrten“ als auch für Fahrten ohne jegliches „Fahrwasser“.
Schlüsselübergabe in der medizinischen Fakultät
Über Ölgii, Khovd, Altai und Bayankhogor sowie einen Abstecher zum Karakorum- kloster ging es nach Ulan Bator. Die Gründer der Stiftung „Zahnärzte ohne Grenzen“, Frau Dr. Tuul Macher und Dr. Claus Macher sorgten für einen herzlichen Empfang.
Schließlich wurden im Rahmen einer feierlichen Schlüsselübergabe an der medizinischen Fakultät von Ulan Bator das Fahrzeug und die dentalen Geräte an die Stiftung „Zahnärzte ohne Grenzen“ überreicht. Dieses Vater-Sohn-Abenteuer war ein Erlebnis. Das Reisen und die Chance, fremden Menschen zu helfen, hat alle Mühen dieser 13 000 km langen Fahrt vergessen lassen.
Dr. Reinhard SteinerSaarstr. 391052 Erlangen