Implantate zur Einzelzahnversorgung im ästhetischen Bereich
Julia-Gabriela Wittneben, Daniel Buser
Die Herausforderung in der heutigen Implantologie besteht – neben einer erfolgreichen Osseointegration und einem funktionalen Ergebnis – auch darin, einen ästhetischen Erfolg zu erreichen. Ziel ist dabei eine präzise Imitation der „weißen“ und der „rosafarbenen“ Ästhetik des dentogingivalen Komplexes.
Eine erfolgreiche Osseointegration wird heute als selbstverständlich erachtet, und Studien zeigen sehr gute Langzeitresultate. Eine aktuelle Zehn-Jahres-Studie mit 511 Implantaten zeigte eine Implantat-Überlebensrate von 98,8 Prozent und eine Erfolgsrate von 97,0 Prozent [Buser et al., 2012].
Die prothetische Versorgung dieser Implantate (insgesamt 268 Implantat-getragene Einzelkronen und 127 Brücken) zeigte eine Überlebensrate der Rekonstruktionen von 95,5 Prozent [Wittneben et al., 2013]. Die prothetische Erfolgsrate ist mit 70,8 Prozent deutlich niedriger, da die technische Komplikation „Abplatzung der Keramik“ oft beobachtet wurde (20,31 Prozent) (Tabelle).
Die zweithäufigste mechanische und technische Komplikation betraf die „Lockerung der Okklusalschraube“, gefolgt von „Retentionsverlust“ (Tabelle).
Das Indikationsspektrum von Implantaten ist heute groß. Es umfasst Einzelzahnlücken, Freiendsituationen, Mehrfachlücken und zahnlose Kiefer. Laut einer Studie von Bornstein et al. [2008] ist die häufigste Indikation die Einzelzahnlücke in der Maxilla, wovon 40 Prozent im anterioren Bereich liegen.
Ein Patientenbeispiel ist illustrativ zu den jeweiligen Beschreibungen dargestellt.
Behandlungsplanung und Evaluation des Risikos
Bei jeder Implantatbehandlung ist zunächst eine detaillierte Befundaufnahme notwendig, inklusive der dentalen, sozialen, allgemeinmedizinischen Anamnese sowie einer intra- und extraoralen Untersuchung. Bei einer Implantation im ästhetischen Bereich ist zusätzlich eine ästhetische Risikoanalyse notwendig (Abbildung 1), wobei hier das „Esthetic Risk Assessment“ des ITI (International Team of Implantology) verwendet wird [Martin et al., 2006].
Der Schwierigkeitsgrad des individuellen Patientenfalles wird gemäß der SAC-Klassifikation (S=Straightforward, A=Advanced, C=Complex) bestimmt [Dawson et al., 2009]. Im ästhetischen Bereich werden Implantatbehandlungen generell in die Kategorien A oder C eingestuft.
Liegen horizontale und/oder vertikale Knochendefekte vor, wird heute meist eine dreidimensionale Röntgenanalyse mithilfe der DVT-Technik durchgeführt, womit diese Knochendefekte im Detail analysiert werden können (Abbildungen 2a und 2b).
Durchführung der chirurgischen Phase
Bei der Einzelzahnimplantation im Frontzahnbereich des Oberkiefers stehen heute Situationen im Vordergrund, bei denen vorgängig ein nicht erhaltungswürdiger Zahn extrahiert werden muss. Das heißt, dass die Implantation nach Extraktion massiv an Bedeutung zugenommen hat. Dabei stehen dem Kliniker heute verschiedene Behandlungsoptionen zur Verfügung, die Sofort-, die Früh- oder die Spätimplantation [Hämmerle et al., 2004; Chen et al., 2009], die je nach klinischer Situation in unterschiedlicher Häufigkeit zur Anwendung kommen.
Die Sofort-Implantation am Tage der Extraktion sollte nur bei idealen klinischen Verhältnissen gewählt werden, was im Oberkiefer-Frontzahnbereich nur selten der Fall ist. Beim Vorliegen von hohen Risikofaktoren steigt das Risiko für ästhetische Komplikationen deutlich an, wobei die Rezession der fazialen Mukosa im Vordergrund steht. Das Auftreten von Weichteilrezessionen bei Sofort-Implantaten ist mittlerweile durch zahlreiche klinische Studien belegt [Chen und Buser, 2009]. Wichtigste Ursache für eine Weichteilrezession sind Knochenresorptionen im Bereich der fazialen Knochenwand, die zuerst in tierexperimentellen Studien dokumentiert worden sind [Araujo et al., 2005, Araujo et Lindhe, 2005], seit Neuestem aber auch durch klinische Studien mithilfe von DVT-Aufnahmen radiologisch belegt worden sind [Roe et al., 2012; Vera et al., 2012].
Rezessionen können aber auch durch eine faziale Fehlposition des Implantats begünstigt werden [Evans et Chen, 2008; Chen et Buser, 2009]. Aus diesem Grund ist für ein ästhetisch schönes Behandlungsergebnis ein dreidimensional korrekt eingesetztes Implantat Voraussetzung, kombiniert mit einer ausreichenden dicken und vertikal intakten fazialen Knochenwand, die in den meisten Fällen durch eine Konturaugmentation mithilfe der GBR-Technik aufgebaut werden muss.
Die Frühimplantation vier bis acht Wochen nach der Extraktion ist eine gute Alternative zur Sofort-Implantation, da sie ebenfalls eine kurze Behandlungszeit ermöglicht, gleichzeitig aber das Risiko für eine unerwünschte ästhetische Komplikation wesentlich geringer ist [Buser et al., 2008]. Wichtig aus chirurgischer Sicht ist die gewebeschonende Extraktion ohne Aufklappung, um eine zusätzliche Knochenresorption an der Oberfläche des Alveolarfortsatzes zu verhindern. Je nach Größe der Alveole ist eine Abheilphase von vier bis acht Wochen erforderlich. Damit gewinnt man eine intakte Weichteildecke und drei bis sechs Millimeter zusätzliche keratinisierte Mukosa. Beides ist bei der späteren Implantation von großem Vorteil, um einen spannungsfreien primären Wundverschluss zu erzielen.
In der Abheilphase nach der Extraktion kommt es zu einer leichten Abflachung der Papillen und der fazialen Kontur des Alveolarfortsatzes in der Mitte der Alveole, die, wie bereits dargelegt, durch die Resorption des Bündelknochens verursacht wird. Bei der Implantatoperation sind chirurgische Grundprinzipien einzuhalten, wie sie seit längerer Zeit für ästhetische Implantat- stellen etabliert sind [Buser et al., 2004].
Am wichtigsten ist eine prothetisch orientierte Implantation, weshalb die Implantate in der korrekten dreidimensionalen Position inseriert werden müssen. Dabei soll das Implantat mit seiner Implantatschulter in mesio-distaler, in korono-apikaler und in oro-fazialer Richtung in die sogenannten Komfortzonen platziert werden. Die Frühimplantation nach Extraktion hat im fazialen Bereich in der Regel einen kleinen bis mittleren Knochendefekt zur Folge, der meist zweiwandig ist, und der simultan mit der Implantation augmentiert werden muss, um ein langfristig stabiles, ästhetisches Ergebnis erzielen zu können.
Ziel ist eine Konturaugmentation mit dem Aufbau einer rund drei Millimeter dicken fazialen Knochenwand zur Stützung der fazialen Weichgewebe. Die Konturaugmentation wird mithilfe der GBR-Technik ausgeführt unter Verwendung einer resorbierbaren Kollagenmembran. Als Knochenfüller werden einerseits lokal gewonnene autologe Knochenchips verwendet, um die Knochenneubildung im Defektbereich zu beschleunigen. Andererseits werden die Knochenchips mit einer Schicht von DBBM-Granulaten (Deproteinized Bovine Bone Mineral) überkonturiert, da dieser Knochenfüller eine tiefe Substitutionsrate aufweist, wenn die Granulate knöchern umwachsen sind [Jensen et al., 2006].
Die Konturaugmentation wird immer mit einem primären Wundverschluss kombiniert, um die Biomaterialien während der Wundheilungsphase gegen die Bakterien der Mundhöhle zu schützen. Die Freilegung des Implantats wird heute routinemäßig nach sechs bis acht Wochen ohne Lappenlegung ausgeführt, um die Morbidität für den Patienten gering zu halten. Anschließend erfolgt die proviso-rische Versorgung mit dem Ziel der Weichteilkonditionierung.
Die Frühimplantation mit simultaner Konturaugmentation ist heute klinisch mit prospektiven Fallstudien sehr gut dokumentiert. Diese zeigten ausgezeichnete ästhetische Ergebnisse mit guter Langzeitstabilität der Konturaugmentation [Buser et al., 2009; Buser et al., 2011; Buser et al., 2013].
Durchführung der prothetischen Phase
Bei teilbezahnten Implantatpatienten im anterioren Oberkieferbereich wird laut ITI-Konsensus-Konferenz (2008) generell eine Frühbelastung empfohlen [Grütter et Belser, 2009; Weber et al., 2009].
Die Frühbelastung ist definiert als eine Belastung des Implantats innerhalb von einer Woche bis maximal acht Wochen nach Insertion des Implantats [Weber et al., 2009]. Da die meisten Implantate im ästhetischen Bereich mit einer simultanen Konturaugmentation inseriert werden, erfolgt die Freilegung nach sechs oder acht Wochen.
In der Interimsphase wird der Patient mit einem festsitzenden oder herausnehmbaren Provisorium versorgt, das den Zahn ästhetisch und funktionell ersetzt. Das Provisorium sollte nach der Implantation keine transmukosale Belastung auf die Implantationsregion ausüben [Cho et al., 2007].
In der ästhetischen Zone sind Implantate, die auf Knochenniveau inseriert sind, von Vorteil, da diese mehr prothetische Freiheit gewährleisten und unter anderem auch eine individuelle Gestaltung des Mukosa- und Emergenzprofils ermöglichen.
Nach der Freilegung des Implantats ist das Austrittsprofil rund und entspricht nicht der Form eines Zahnes, mit der Weichteilkonditionierung wird die gesamte periimplantäre Weichgewebearchitektur geformt. Diese erfolgt mit der dynamischen Kompressionsmethode [Wittneben et al., zur Veröffentlichung angenommen].
Dabei wird in den ersten zwei Wochen Druck auf die periimplantäre Mukosa ausgeübt, was durch eine leichte Überkonturierung des Provisoriums und mit extra-oralem Hinzufügen von provisorischen Kunststoffmaterialien (wie lichthärtendes Acrylat oder Komposits) erreicht wird (Druckphase) (Abbildungen 3a und 4).
Nach vier Wochen wird die Form des Provisoriums durch Reduktion (im mesial-distalen Bereich) des provisorischen Materials modifiziert, um Platz für die Papillen zu schaffen – das Provisorium wird unterkonturiert (Entlastungsphase) (Abbildungen 3b bis 6).
Dies wird intraoral durch einen feindiamantierten Bohrer und anschließende Politur mit einem Arkansas-Stein in mehreren Sitzungen durchgeführt (Abbildungen 3b und 5).
Das Konzept der dynamischen Kompressionsmethode besteht daher aus zwei Phasen,
• der Druckphase – bei dieser wird durch den Druck die Höhe der zukünftigen Papillen geschaffen,
• und der Entlastungsphase – hier wird durch Reduktion des Provisoriums Raum kreiert, damit sich die Papillen in die Breite ausdehnen können [Wittneben et al., zur Veröffentlichung angenommen]. Die Weichteilkonditionierung bei einer Einzellücke in der ästhetischen Zone erfolgt innerhalb von drei bis fünf Monaten je nach Komplexität des Patientenfalls.
Das Mukosa- und Emergenzprofil werden durch Anfertigung eines individuellen Abformpfostens registriert und auf das Meistermodell übertragen (Abbildung 7). Dies kann auch digital erfolgen [Joda et al., 2013].
Die Selektion des Implantat-Abutments wird primär durch den individuellen Patientenfall getroffen. Dabei beeinflussen folgende Faktoren die Entscheidung:
• prothetische Implantatposition,
• Tiefe der Implantatschulter,
• Materialwahl und
• geplanter Retentionstypus.
Allgemein können Implantat-Abutments vorfabriziert (Standard-Abutments) oder individualisiert hergestellt werden. Ein individualisiertes Abutment, das zum Beispiel per CAD/CAM-Verfahren hergestellt wird, hat ein wesentlich breiteres Indikationsspektrum als ein vorfabriziertes Sekundärteil und bietet eine größere prothetische Freiheit in der Definition des zukünftigen Kronenrandes, der Position und der Abwinkelung des Abutments (Abbildungen 8 bis 10).
Des Weiteren entscheidet die Tiefe des inserierten Implantats, ob die Verwendung eines vorfabrizierten Abutments noch indiziert ist oder ob es individuell hergestellt werden muss.
Das vorgefertigte Sekundärteil hat den Vorteil, dass es sofort verfügbar ist und kostenseitig Vorteile gegenüber dem individualisierten Sekundärteil hat.
In der sensitiven anterioren Zone beeinflusst die Materialwahl das ästhetische Ergebnis. Überwiegend werden Abutments aus Zirkoniumdioxid verwendet, da sie ein Durchschimmern des Abutments durch das Weichgewebe verhindern, vor allem dann, wenn ein dünner Weichgewebetypus präsent ist. Eine systematische Literaturübersicht hat gezeigt, dass die Evidenz der Verwendung von Keramik-Abutments noch nicht hinlänglich ist, und dass weitere klinische Studien in diesem Gebiet notwendig sind [Kapos et al., 2009].
Eine aktuelle klinische Studie, die Keramik-Abutments mit Vollkeramikkronen versus Titan-Abutments mit Metallkeramikkronen verglichen hat, zeigt nach 5,6 Jahren keinen klinisch signifikanten Unterschied [Zembic et al., 2012].
Die Selektion des Retentionstypus beeinflusst die Wahl des Abutments. Bei einer verschraubten, finalen Einzelkrone repräsentiert das Abutment das Gerüst. Es muss so konstruiert werden, dass es als Gerüst die Verblendkeramik unterstützt. Hier ist die Individualisierung des Sekundärteils zum Beispiel per CAD/CAM-Verfahren von Vorteil, um das Gerüst der zukünftigen Krone anzupassen. Damit Keramik-Abplatzungen verhindert werden, wird eine Verblend- keramik-Schichtstärke von maximal drei Millimetern empfohlen.
Bei zementierten Implantatkronen hilft ein individuell gestaltetes Abutment oder ein Standard-Abutment mit verschiedenen Gingivahöhen, die exakte Position des zukünftigen Kronenrandes zu definieren, wobei diese maximal zwei Millimeter unterhalb der Mukosa liegen darf [Wittneben Weber, 2012]. Zementreste müssen so präzise wie möglich entfernt werden, um die Entstehung einer Peri-Mukositis oder Peri-Implantitis zu vermeiden [Wilson, 2009].
Nach Finalisieren der Behandlung sind regelmäßige Nachkontrollen des Implantats, der Einzelkrone und deren Okklusion sowie Evaluation der Mundhygiene-Durchführung notwendig, um die Langlebigkeit der Versorgung zu unterstützen (Abbildungen 11 bis 12).
Dr. Julia-Gabriela Wittneben, MMScAbteilung für Kronen- und BrückenprothetikZahnmedizinische Kliniken der Uni BernFreiburgstr. 7CH-3010 Bernjulia.wittneben@zmk.unibe.ch
Prof. Dr. Daniel BuserKlinik für Oralchirurgie und StomatologieZahnmedizinische Kliniken der Uni BernFreiburgstr. 7CH-3010 Berndaniel.buser@zmk.unibe.ch
Zahntechnik:Thomas FurterLabor Art-DentBern/Schweiz