Einseitig und wie mit dem Hammer
Stets einseitig, in Attacken auftretende, sehr schmerzhafte Kopfschmerzen, die vor allem im Bereich der Schläfen lokalisiert sind und die Augenregion mit umfassen – bei solchen Beschwerden sollte man immer auch an die Möglichkeit eines Clusterkopfschmerzes denken.
Trigeminoautonome Kopfschmerzen
Der Clusterkopfschmerz gehört zu den trigeminoautonomen Kopfschmerzen, eine Gruppe von Erkrankungen, bei denen es zu sehr starken, in Attacken auftretenden, meist nur kurz andauernden Schmerzattacken kommt, die obligat mit autonomen Begleitsymptomen wie zum Beispiel einem tränenden Auge, Schwitzen, einer Hautrötung oder einer Lidschwellung einhergehen.
Zu den trigeminoautonomen Kopfschmerzen zählen neben dem episodischen und dem chronischen Clusterkopfschmerz die episodische und die chronisch paroxysmale Hemikranie sowie das sogenannte SUNCT-Syndrom (short-lasting unilateral neuralgiform headache with conjunctival injection and tearing). Die verschiedenen Kopfschmerzformen unterscheiden sich in der Rhythmik ihres Auftretens, in ihrer klinischen Ausprägung und auch in ihrer Behandlung.
Typische Charakteristika
Beim Clusterkopfschmerz treten die Schmerzattacken als „Cluster“ auf, periodisch gehäuft mit zum Teil nachfolgend über Wochen oder Monate anhaltenden Ruhephasen, ehe erneut ein „Kopfschmerz- Cluster“ dem Patienten zu schaffen macht. Die einzelnen Kopfschmerz-Cluster können wenige Wochen, aber auch bis zu einem Jahr anhalten. Bei 15 bis 20 Prozent der Patienten kommt es im Krankheitsverlauf zu einem Seitenwechsel der Kopfschmerzen, nie jedoch zu einem beidseitigen Auftreten.
Clusterkopfschmerz ist aber nicht gleich Clusterkopfschmerz, vielmehr sind verschiedene Krankheitsformen zu differenzieren. So ist von einem episodischen Clusterkopfschmerz auszugehen, wenn zwischen den Kopfschmerzphasen längere Zeiten ohne Beschwerden bestehen. Diese können Monate und eventuell Jahre anhalten. Sind solche Remissionsphasen jedoch regelhaft kürzer als ein Monat, liegt per definitionem ein chronischer Clusterkopfschmerz vor.
Beide Krankheitsformen können ineinander übergehen. Besteht primär ein episodischer Clusterkopfschmerz, so bleibt es in etwa 80 Prozent der Fälle bei dieser Verlaufsform. Bei gut zwölf Prozent der Patienten wandelt sich der episodische Clusterkopfschmerz jedoch im Laufe der Zeit in die chronische Verlaufsform, bei den übrigen Patienten entwickelt sich eine Mischform. Nur selten ist ein Übergang vom chronischen in einen episodischen Clusterkopfschmerz zu beobachten.
Die Erkrankung ist lang anhaltend. Auch 15 Jahre nach der Erstmanifestation leiden 80 Prozent der Patienten nach wie vor unter periodisch auftretenden Kopfschmerzattacken. In aller Regel beruhigt sich der Clusterkopfschmerz aber im höheren Alter. Es kommt dann eher zum Übergang von einer chronischen in eine episodische Form und zu längeren Remissionsphasen.
Die genaue Ursache des Clusterkopfschmerzes ist bislang nicht bekannt, angenommen wird, dass die Störung vom Hypothalamus ausgeht.
Männer sind häufiger betroffen
Konkrete Daten zur Inzidenz und Prävalenz des Clusterkopfschmerzes gibt es kaum, geschätzt wird die Krankheitshäufigkeit in Deutschland auf zwei bis zehn Patienten pro 100 000 Einwohner. Es ist eine familiäre Häufung beschrieben, so dass von einer genetischen Prädisposition auszugehen ist. Anders als bei der Migräne erkranken häufiger Männer als Frauen, das Verhältnis liegt nach Angaben der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) bei 3:1.
Die Erkrankung manifestiert sich meist bereits im jungen Erwachsenenalter, im Mittel im Alter von 28 bis 30 Jahren mit allerdings großer Variationsbreite. Prinzipiell kann aber der Clusterkopfschmerz in praktisch jedem Lebensalter seinen Anfang nehmen, es kann auch bereits in sehr jungen Jahren oder im Seniorenalter zum Neuauftreten dieser schwerwiegenden Kopfschmerzform kommen.
Da eine ausgeprägte Komorbidität zur Migräne wie auch zum Spannungskopfschmerz besteht, ist der Clusterkopfschmerz unter Umständen schwierig diagnostisch zu fassen und abzugrenzen, was die zeitliche Verzögerung bei Diagnostik und Therapie erklären kann.
Enorme Belastung bis hin zu suizidalen Gedanken
Der Clusterkopfschmerz wird von den Betroffenen als äußerst heftig bis unerträglich erlebt. Die Patienten beschreiben die Schmerzen als stechend, bohrend oder reißend oder geben einen brennenden Charakter an. Die Schmerzen treten streng einseitig auf mit einem meist deutlichen Schmerzmaximum hinter dem Auge. Sie können als orofaszialer Clusterkopfschmerz aber auch in den Zahn-, Kiefer- und Rachenbereich sowie in die Ohr- und in die Nackenregion ausstrahlen.
Die Schmerzen können dabei so stark sein, dass sie für die Patienten unerträglich sind und bei nicht adäquater Behandlung ein Suizid droht. So berichtet rund jeder vierte Patient, im Verlauf der Erkrankung suizidale Gedanken erlebt zu haben. Die Attacken entwickeln sich oft aus dem Schlaf heraus und dauern 15 Minuten und zum Teil bis zu drei Stunden an.
Ausgeprägte Tagesrhythmik
Der Clusterkopfschmerz unterliegt typischerweise einer Tagesrhythmik, die meisten Attacken treten wenige Stunden nach dem Einschlafen, in aller Regel in der ersten Tiefschlafphase auf. Die Ursache hierfür ist noch nicht bekannt. Nicht selten entwickeln sich die Attacken zudem in den frühen Morgenstunden oder aber in der Mittagszeit.
Die Anfallsfrequenz ist variabel von Schmerzattacken alle zwei Tage bis hin zu acht Schmerzattacken pro Tag. Oft besteht auch eine zirkanuale Rhythmik mit besonders häufigen Attacken des Clusterskopfschmerzes im Frühjahr und im Herbst.
Charakteristische Begleitsymptome
Anders als bei der Migräne wollen Patienten mit Clusterkopfschmerz sich normalerweise nicht in einen dunklen Raum zurückziehen. Meist besteht während der Schmerzattacken vielmehr ein ausgeprägter Bewegungsdrang.
Charakteristisch sind außerdem weitere, insbesondere rhino-konjunktivale Begleitsymptome wie eine gerötete Bindehaut eines Auges (konjunktivale Injektion), ein tränendes Auge (Lakrimation), ein Lidödem, verengte Pupillen (Miosis), ein hängendes Augenlid (Ptosis), eine laufende oder verstopfte Nase sowie ein einseitiges Schwitzen im Gesicht und/oder speziell auf der Stirn. Liegt neben den typischen Kopfschmerzen mindestens eines dieser Begleitsymptome vor, ist entsprechend der IHS-Klassifikation (International Headache Society) von einem Clusterkopfschmerz auszugehen.
Allerdings können auch weitere Begleitsymptome wie Übelkeit und eine erhöhte Licht- oder Lärmempfindlichkeit auftreten, die primär an eine Migräne denken lassen können. Rund ein Viertel der Patienten berichtet zudem, vor den Schmerzattacken visuelle Störungen im Sinne einer Aura zu erleben, ein Phänomen, das ebenfalls eine Migräne vermuten lassen kann.
Allgemeine Prognose
Eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für einen Übergang von der episodischen in die chronische Krankheitsform besteht, wenn sich der Clusterkopfschmerz erst im höheren Lebensalter ausbildet, wenn die Kopfschmerzattacken mit sehr ausgeprägten Begleitsymptomen einhergehen, wenn die Episoden länger als zwei Monate andauern, die Remissionsphasen vergleichsweise kurz sind (unter sechs Monaten) und möglicherweise auch von sporadischen Attacken unterbrochen werden.
Zu den Faktoren, die die Prognose negativ beeinflussen, gehören das Rauchen, hoher Alkoholkonsum sowie ein Schädel-Hirn-Trauma in der Anamnese. Alkohol ist außerdem ein Triggerfaktor, der in den Kopfschmerzphasen Attacken auslösen kann. Dies wird auch für Stress vermutet, konnte in Studien bislang aber nicht belegt werden.
Ausschluss anderer Ursachen via Bildgebung
Diagnostisch wegweisend sind die Anamnese sowie die klinische Untersuchung. Eine Labordiagnostik sowie Bildgebung ist nicht primär zur Diagnosestellung, jedoch zum Ausschluss anderer Ursachen der Beschwerden wichtig.
Auszuschließen sind insbesondere ein Hirntumor, eine arteriovenöse Malformation, eine Karotisdissektion sowie ein Hirninfarkt und entzündliche Plaques. Im Rahmen der Erstdiagnostik werden daher in aller Regel eine kranielle Computertomografie, eine Kernspintomografie und gegebenenfalls auch eine Liquoruntersuchung veranlasst.
Akuttherapie – möglichst rasche Wirkung ist gefragt
Bei der Behandlung ist zwischen der Therapie der akuten Schmerzen und der Attacken-Prophylaxe zu differenzieren. Bei der Behandlung akuter Schmerzattacken geht es vor allem darum, die Schmerzen möglichst rasch in den Griff zu bekommen – zum einen wegen der hohen Schmerzintensität und zum anderen wegen der üblicherweise begrenzten Dauer der Schmerzattacke.
Dabei lassen sich die akuten Kopfschmerzen bei sechs von zehn Patienten durch die Inhalation von reinem Sauerstoff via Mund- oder Gesichtsmaske bessern. Die Sauerstoffbehandlung erfolgt über 15 bis 20 Minuten, ist nebenwirkungsarm und kann auch zu Hause durchgeführt werden. Wirksam wird der Sauerstoff nach derzeitiger Vorstellung über einen vasokonstringierenden Effekt, wodurch der Druck der in der akuten Attacke erweiterten Gefäße im Bereich des Sinus cavernosus auf den schmerzempfindlichen Plexus caroticus vermindert wird.
Alternativ kommen schnell wirksame Darreichungsformen der Triptane, die ursprünglich zur Behandlung der Migräne entwickelt wurden, in Betracht. Sie werden als Nasenspray oder als Injektion mittels Autoinjektor verabreicht. Die Einnahme als Tablette oder Suppositorium ist beim Clusterkopfschmerz wenig hilfreich, da die volle Wirkung unter Umständen erst eintritt, wenn die Schmerzattacke bereits abklingt oder sogar schon vorbei ist. Eine Alternative zu den rasch wirksamen Triptanen aber ist die Behandlung mit Lidocain in Form eines Nasensprays.
Prophylaxe akuter Schmerzattacken
Eine gezielte Attacken-Prophylaxe ist nach Angaben der Deutschen Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft (DMKG) indiziert beim chronischen Clusterkopfschmerz und bei der episodischen Form, wenn die Schmerzepisoden länger als drei Monate bestehen. Es gibt analog wie bei der Migräne verschiedene Wirkstoffe zur Prophylaxe.
Als Mittel der ersten Wahl nennt die Gesellschaft Verapamil, einen Kalziumantagonisten, der im Allgemeinen gut verträglich ist. Die Dosierung muss individuell eingestellt werden, bei hoher Dosis ist die Herzfunktion zu kontrollieren.
Bei Clusterepisoden, die weniger als zwei Monate dauern, kann gegebenenfalls mit Methysergid oder Prednisolon behandelt werden, da so eine raschere Wirkung zu gewährleisten ist. Allerdings ist Methysergid in Deutschland nicht zur Therapie zugelassen und muss gegebenenfalls über die internationale Apotheke besorgt werden. Behandlungsalternativen sind Lithium, das als einzige Substanz eine offizielle Zulassung zur Prophylaxe von Clusterkopfschmerzen besitzt, sowie Topiramat. Zu beachten ist jeweils die Problematik einer Off-Label-Anwendung.
Die genannten Wirkstoffe können auch miteinander kombiniert werden, was oft beim chronischen Clusterkopfschmerz erforderlich ist. Ihre Wirksamkeit zeigt sich in aller Regel im Verlauf von ein bis zwei Wochen, die Zeitspanne bis zur vollen Wirkung kann durch eine Kortisonbehandlung überbrückt werden. Wie lange eine prophylaktische Behandlung notwendig ist, richtet sich in erster Linie nach der Dauer der Kopfschmerzepisode.
Alternativen zur medikamentösen Therapie
Eine Alternative zur medikamentösen Behandlung sind laut DMKG wiederholte lokale Blockaden des großen und des kleinen Hinterhauptnervs (Nervus occipitalis major und minor) mittels Lokalanästhetika und einem Kortisonpräparat auf der jeweils betroffenen Kopfseite.
Bei ansonsten therapieresistenten Patienten mit chronischem Verlauf sind außerdem operative Verfahren zu erwägen. Ein Standardverfahren gibt es jedoch bislang nicht und ganz generell sind operative Eingriffe entsprechend der Leitlinien nur in „abso- luten Ausnahmefällen“ gerechtfertigt. Die Ursache hierfür liegt in der nicht unerheb- lichen Gefahr, durch die Maßnahmen eine zusätzliche und dann iatrogen verursachte Neuralgie des Nervus trigeminus oder eine Anaesthesia dolorosa hervorzurufen.
Als neues vielversprechendes Verfahren nennt die DMKG aber die elektrische Stimulation des großen Hinterhauptnervs. Erprobt wird auch die Tiefenhirnstimulation des Hypothalamus. Bei beiden Verfahren gibt es Belege für eine initiale Besserung, allerdings wurde jeweils auch eine sekundäre Verschlechterung gesehen. Entsprechend den Angaben in den Leitlinien gibt es nach derzeitiger Kenntnis eine 50-prozentige Chance, mittels solcher Verfahren eine Besserung der Klinik zu erwirken.