Rezividierende Parotisschwellung wegen chronischer abszedierender Parotitis
Ein 60-jähriger, männlicher Patient wurde zur weiteren Abklärung einer seit 2008 bestehenden Parotisschwellung vorstellig (Abbildung 1). Die Schwellung nahm rezidivierend, unabhängig von Mahlzeiten oder Jahreszeiten, zu. Der Patient äußerte, dass keine richtigen Schmerzen, aber Spannungsgefühle bestünden. Zum Zeitpunkt der Erstvorstellung lag eine etwa drei mal fünf Zentimeter große, druckschmerzhafte Raumforderung im rechten unteren Parotispol vor.
Neben einem Diabetes mellitus Typ II waren anamnestisch keine weiteren Grunderkrankungen zu erheben, insbesondere gab es keinen Hinweis für das Vorliegen einer B-Symptomatik wie Fieber, Nachtschweiß oder Gewichtsverlust als Ausdruck des Vorliegens eines Malignoms.
Weitere Zeichen einer akuten Entzündung oder Einschränkungen der Motorik beziehungsweise Sensorik im Gesichtsbereich lagen nicht vor. Während der Palpation ließ sich relativ klarer Speichel aus der Drüse exprimieren. Im Tastbefund präsentierte sich die gegenüber der Haut und der Unterlage verschiebliche Raumforderung als derb-elastisch mit teils höckeriger Oberflächenstruktur. In der B-Mode-Sonografie (Abbildung 2) zeigte sich eine abgrenzbare, kaum komprimierbare Raumforderung mit homogener, echoarmer Binnenstruktur bei dorsaler Schallverstärkung ohne Zeichen einer Durchblutung. In der weiteren sonografischen Untersuchung des Kopf- und Halsbereichs waren mehrere deutlich vergrößerte, jedoch sonomorphologisch unauffällige Lymphknoten beidseits in der Hals-Gefäß-Scheide nachweisbar. Korrespondierend zum klinischen und sonografischen Befund zeigte sich in der Bildschichtgebung mittels Computertomografie eine scharf begrenzte, homogen strukturierte Raumforderung von 47 mm x 28 mm x 18 mm Größe (Abbildung 3).
Über einen präaurikulären Zugang wurde die abgekapselte Raumforderung aus dem umliegenden Gewebe entfernt, bei Perforation entleerte sich eitriges Sekret (Abbildung 4).
In der histopathologischen Aufarbeitung des Präparats zeigten sich eine kollagenfaserreiche, bindegewebige Kapsel mit granulozytenhaltiger Entzündungszellinfiltration sowie vereinzelt an die Fibrose angrenzende kleinazinäre Gangstrukturen. Alles erbrachte in Zusammenschau mit der Klinik die Diagnose eines chronischen Parotisabszesses mit angrenzend chronisch-fibrosierender und granulierender Entzündung.
Diskussion
Entzündungen der großen Kopfspeicheldrüsen sind ein häufiges Krankheitsbild und manifestieren sich meist in der Glandula parotidea. Ätiologisch werden für die juvenile und für die adulte Form der chronisch rezidivierenden Entzündung unterschiedliche Ursachen beschrieben, wie eine bakterielle, virale, radiogene, obstruktive oder immunologische Genese. Die Ätiologie der juvenilen und der zehnmal häufigeren adulten Form ist unklar und wird häufig als multifaktoriell beschrieben [Zenk et al., 2010].
Theorien basieren auf kongenitalen Gangveränderungen mit Stase des Speichels und sekundär rezidivierenden Entzündungen oder auf einer Entzündung der Drüsen basierend auf einer Hyposalivation wie bei Exsikose mit sekundärer Veränderung des Gangepithels. Alternativ könnten lymphozytäre Infiltrationen der Ausführungsgänge mit Schwächung des Bindegewebes für die Ektasien verantwortlich sein [Zenk et al., 2010]. Weitere diskutierte Ursachen sind genetische Veränderungen, Alterationen der Speichelflussrate und der Speichelzusammensetzung, eine allergische und autoimmunologische Genese [Zenk et al., 2010; Thiede et al., 2002].
Als Komplikation kann es in sehr seltenen Fällen zu Fistelbildungen und Abszedierungen kommen [Thiede et al., 2002].
Klinische Zeichen sind in der Regel Rötung, Schmerzen und Schwellungen, die unterschiedlich stark ausgeprägt sein können und – wie im vorgestellten Fall – partiell fehlen können. Von den Patienten wird dann häufig lediglich ein Spannungsgefühl beschrieben. Die Abszess-typische Fluktuation kann bei durch die Entzündung aufgetriebenem Parotisgewebe und konsekutiv gespannter Parotiskapsel fehlen, so dass auch eine Kompression des Befunds erschwert ist. Diagnostisch wird neben der klinischen Untersuchung die Sonografie bemüht. Nur in Ausnahmefällen bedarf es der weiteren Diagnostik wie einer Magnetresonanztomografie. Das klinisch hoch variable und unspezifische Bild lässt teilweise differenzial-diagnostische Schwierigkeiten entstehen, da auch tumoröse Prozesse sekundär so stark superinfiziert sein können, dass die ausgedehnte Entzündung die zugrunde liegenden Tumoren maskieren kann [Leibowitz et al., 2010]. Weiterhin müssen differenzialdiagnostisch entzündliche Prozesse drüsenfremder, beziehungsweise angrenzender Strukturen wie peri- oder intraglanduläre Lymphknoten in Betracht gezogen werden.
Steht die konservative Therapie mittels antibiotischer Therapie bei der chronisch rezidivierenden Sialadenitis mit Schub im Vordergrund, so muss bei der abszedierenden Form eine chirurgische Drainage der Abszesshöhle unter Entnahme einer Probebiopsie zum Ausschluss eines neoplastischen Geschehens erfolgen [Thiede et al., 2002]. Zusätzlich kann bei persistierenden Beschwerden die Entfernung der Drüse indiziert sein, wobei hier die Schädigung des Nervus facialis eine wichtige Komplikation bei dem entzündlich verbackenen Gewebe darstellt.
Im vorliegenden Fall wurde aufgrund der langen Anamnese des Befunds bei nicht zurückgehender Schwellung, wie es für die symptomfreien Intervalle der chronisch rezidivierenden Sialadenitis der Fall ist, der Entschluss gefasst, den Abszessherd, der vermutlich zu einem gewissen Grad Anschluss an das Ausführungsgangsystem hatte, zu entfernen.
PD Dr. med. Dr. med. dent. Christian WalterKlinik für Mund-, Kiefer- und GesichtschirurgieUniversitätsmedizin der Johannes Gutenberg UniversitätAugustusplatz 255131 Mainzwalter@mkg.klinik.uni-mainz.de