Der Druck fehlender Liquidität
Vor allem durch das Erbe seiner Eltern hat es Gerhard K. zu einem gewissen Wohlstand gebracht. Neben dem mit seiner Frau selbst genutzten Einfamilienhaus und einem anderen, an die beiden Kinder vermieteten Wohngebäude besitzt er ein gewerblich genutztes Objekt in Toplage einer westdeutschen Kleinstadt. Mieter ist eine solvente Warenhauskette, deren Vertrag noch rund sechs Jahre läuft. Während der vergangenen Jahre hat es K. als sehr angenehm empfunden, dass neben den Praxiseinnahmen die stets pünktlichen Mietzahlungen aus diesem Gewerbeobjekt erfolgten. Da größere Investitionsmaßnahmen bisher in keinem der Gebäude anfielen, dachte K. seit dem Erbfall vor einigen Jahren kaum darüber nach, entsprechende Liquiditätsreserven aufzubauen. Wozu auch, so dachte er, „zur Not steht ja meine Bank mit einem Überziehungskredit zur Verfügung“.
Diese Rechnung ging bisher auch weitgehend auf: Neben dem Überziehungskredit auf dem Praxiskonto mit einem Kreditlimit von 40 000 Euro stellt seine Hausbank weitere 20 000 Euro auf seinem Privatkonto zur Verfügung. Auffällig ist, dass beide Kreditlimits im Monatsverlauf bis zum Eingang der Mieten zum jeweils folgenden Monatsbeginn seit Jahren nicht nur vollständig in Anspruch genommen, sondern auch mit jeweils etwa fünftausend Euro zusätzlich überzogen werden. Erst die Mieteingänge von insgesamt 9 000 Euro sorgen dann regelmäßig für eine gewisse „Entspannung“ bis zum jeweils nächsten Monatsultimo.
Die Hausbank sah zumindest bisher offenbar keinen Grund einzugreifen. Dazu steht die Bonität von K. mit dem umfangreichen Immobilienbesitz wohl außer Frage. Hinzu kommt das im Nachhinein kaum zu erklärende Verhalten des Steuerberaters, der ebenfalls keinerlei Anstoß an diesem finanziellen Vabanquespiel seines Mandanten nahm. Außer allgemein gehaltenen Hinweisen, dass K. mittelfristig „über eine Liquiditätsreserve nachdenken“ solle, gab es keine konkreten Vorschläge zu diesem Thema.
Die Bank macht Dampf
Seit einigen Wochen gibt es nun aber mehr oder weniger deutliche Hinweise seitens der Hausbank, bei der offensichtlich ein internes „Stühlerücken“ zu veränderten Verantwortlichkeiten geführt hat. K. erhielt mittlerweile mehrere Schreiben, in denen er zunächst nur auf die „regelmäßigen Limitüberziehungen“, die K. neben den „normalen“ Kreditzinsen von zwölf Prozent immerhin zusätzliche fünf Prozent Überziehungszinsen kosten, hingewiesen wurde. Die beiden bisher letzten Schreiben hatten es dagegen in sich. Hierin wird K. deutlich aufgefordert, „kurzfristig“ ein Gespräch mit dem für ihn zuständigen Gesprächspartner zu führen.
Bei diesem Gesprächspartner handelt es sich übrigens nicht mehr um einen Kundenberater, sondern um einen Mitarbeiter des „Marktfolgebereichs“, der sich in dieser Bank ausschließlich mit Kreditfällen befasst, bei denen sich bereits gewisse Probleme ergeben haben. Zu dieser Kundengruppe gehört K. nun also ebenfalls.
Hinzu kommt ein weiteres Problem: Durch ein folgenschweres Versehen seines Steuerberaters muss K. in den kommenden drei Monaten Steuern für die vergangenen beiden Jahre in Höhe von rund 18 000 Euro nachzahlen. Dazu kommen fast zwangsläufig höhere Steuervorauszahlungen von zusätzlichen 3 500 Euro pro Monat. Geld, das K. derzeit einfach nicht besitzt.
Bestandsaufnahme nötig
Immerhin besteht nun endlich die Bereitschaft von K. und seiner Frau, ihr bisheriges Ausgabeverhalten genauer anzusehen und sorgfältig darüber nachzudenken, wie die finanzielle Lage zukünftig geordnet werden kann.
Bei einer ersten groben Prüfung fällt auf, dass die Privatentnahmen außerordentlich hoch sind. Während die Praxis in den vergangenen Jahren regelmäßig eine „schwarze Null“ schrieb, wurden nahezu sämtliche Mieteinnahmen privat verbraucht. Mehr noch: Durch regelmäßige Zahlungen an die Kinder wurde dieses Ausgabeverhalten weiter gefestigt.
Hinzu kommt, dass es bisher keinerlei transparente Fakten gibt, die auch nur halbwegs belegen, wie die Entnahmen letztlich konkret verwendet wurden. Im Ergebnis sind die Eheleute davon überzeugt, dass der jeweils andere Partner die Hauptverantwortung für die hohen Entnahmen trägt.
Die Bank gibt sich damit naturgemäß nicht zufrieden und erwartet kurzfristig nicht nur eine angemessene Liquiditätsplanung, sondern auch den erkennbaren Willen, die Entnahmen zukünftig verantwortungsbewusster vorzunehmen. Darüber hinaus rät sie zu einem Wechsel des bisherigen Steuerberaters. Zum Abbau der Kreditverbindlichkeiten bietet sie ein Darlehen mit einer Laufzeit von sieben Jahren bei gleichzeitiger Reduzierung der Kreditlinien auf jeweils nur noch 15 000 Euro an.
Den Gürtel enger schnallen
Als Kreditsicherheiten erwartet sie die Abtretung der Mieteinnahmen aus dem Gewerbeobjekt, so dass weitergehende Sicherheiten wie etwa die Eintragung einer Grundschuld auf dem Immobilieneigentum vermieden werden können. Hinzu kommt eine weitere Auflage, die einen „regelmäßigen Informationsaustausch mit belastbaren betriebswirtschaftlichen Zahlen“ durch K. vorsieht. Außerdem rät ihm die Bank „ausdrücklich“, schrittweise eine Liquiditätsreserve aufzubauen.
K. selbst sieht mittlerweile ein, dass es so nicht weitergehen kann. Er hat sich bereits mit einem anderen Steuerberater in Verbindung gesetzt. Ob er und seine Frau damit aber auch die privaten Entnahmeprobleme in den Griff bekommen werden, muss sich dagegen erst noch zeigen.
Michael VetterFachjournalist für Wirtschaftvetter-finanz@t-online.de