Nicht blenden lassen
Auch wenn die Legislaturperiode bereits vor einem Vierteljahr begann: 2014 ist der Start für eine neue Gesundheitspolitik. Selbst wenn das Schreckgespenst „Bürgerversicherung“ zunächst gebannt scheint, sollte man sich allerdings nicht der Hoffnung hingeben, dass nun alles besser, freier, einfacher wird.
Im Gegenteil! Wohin die Reise geht, signalisiert eindrucksvoll das Gesetz zur Verhinderung von Preiserhöhungen und einem erneuten Zwangsrabatt bei Arzneimitteln. In nur zwei Tagen – das ist Rekord – war alles durch die parlamentarischen Ebenen geboxt.
Nun ist es durchaus nicht unüblich, anfangs einer Legislaturperiode die „harten“ Eingriffe zu erledigen und am Ende, wenn’s auf Wahlen zugeht, lieber Wohltaten zu verteilen. Nur ist – ganz offenbar getrieben durch die Kommunikationsstrategie der GKV – die Tendenz spürbar, Gesundheitspolitik erneut in erster Linie als einen Auftrag zu verstehen, zugunsten der Sozialkassen zu sparen. Trotz der mit vielen Milliarden überfüllten Kassen wird ein Horrorszenario initiiert und den Versicherten bereits jetzt die nächste Beitragserhöhung in Aussicht gestellt. Das Bundesversicherungsamt macht sich dabei noch zum willigen Erfüllungshelfer einer Notfallstimmung, die eine eigentlich nötige und mögliche Weiterentwicklung hin zur optimalen Versorgung bremst.
Der neue Gesundheitsausschuss, der sich in diesen Tagen konstituiert, sollte sich nicht von solchen Szenarien blenden lassen. Und auch Gesundheitsminister Gröhe, der sich bekanntermaßen erst in sein Thema einarbeiten muss, kann sich verdient machen, wenn er sich eben nicht zum Sparkommissar degradiert, sondern eine zukunftsorientierte Gesundheitsversorgung fördert. Dass die Finanzen, die für die Versorgung laut Plan zur Verfügung stehen, langfristig voraussichtlich nicht reichen, muss dabei keineswegs vorrangiges Problem sein. Das Bewusstsein wie auch die Bereitschaft, auf Dauer mehr in die eigene Gesundheit investieren zu müssen, ist in großen Teilen der Bevölkerung sehr ausgeprägt. Zahlreiche Umfragen belegen das. Nur will der mündige Bürger eben nicht, dass die Politik sich weit mehr als zur Regelung eines vertretbaren Sozialausgleichs in die Versorgung einmischt.
Das deutsche Gesundheitswesen hat sich vor allem deshalb so gut entwickelt, weil diese Verantwortung über Jahrzehnte nicht Primat der Politik war, sondern einer funktionierenden Selbstverwaltung der Kostenträger, Leistungsanbieter und Ärzte/Zahnärzte. Die in den vergangenen Jahren rasant zugenommene Politisierung und Reglementierung führt jedoch zu einer Überforderung und Zerfaserung dieser Selbstverwaltung. Eine Liberalisierung und wettbewerbliche Freiheiten täten dem Gesundheitswesen dagegen erheblich besser als jegliche Gesetzesinitiative.
Erstmals fehlt im Parlament eine liberale Fraktion. Auch wenn sich die FDP ihr Ausscheiden selbst zuzuschreiben hat, da man eben kaum liberale Grundüberzeugungen umsetzte, könnte eine freiheitliche Gesundheitspolitik künftig weniger Befürworter haben. Umso mehr kommt es auf Persönlichkeiten an, die sich einer Bevormundung der Bürger in Sachen Gesundheitsversorgung entgegenstellen. Die immer wieder geforderte Eigenverantwortung kann sich nur so entwickeln. Große Verantwortung kommt hierbei den Ärzten und Zahnärzten zu, die in Sachen Gesundheit nun einmal zweifellos die engsten Partner und Verbündeten der Patienten und damit der Bürger sind. Sollte die Gesundheitspolitik sich weiterhin auf Spar- und Regelmechanismen beschränken, müssen die Mediziner im Sinne der Bürger und aufgrund ihrer fachlichen und ethischen Kompetenz ihre Stimme weitaus lauter und energischer erheben als bislang.
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