Schutz vor Cold Calls
„Ansonsten wäre er gar nicht erst zu mir durchgestellt worden“, sagt Schneider. Um Privatpatienten ging es in dem folgenden Gespräch allerdings nicht. Stattdessen wollte der Anrufer Schneider Werbeanzeigen in einem Polizeimagazin verkaufen. Schneider lehnte das entschieden ab und forderte den Mann auf, ihn nicht mehr anzurufen. Schneider war sauer wegen des Anrufs und des „unflätigen“ Auftretens. Noch am selben Tag verschaffte er seinem Ärger über den unerwünschten Anruf mit einem Brief an das Bayerische Innenministerium Luft. Darin hielt er auch fest, dass er dem Anrufer mitteilte, dass „kein Bedarf an weiteren Anrufen besteht“. Die Antwort des Ministeriums ließ ein halbes Jahr auf sich warten und fiel ernüchternd aus: Man könne in diesem Fall wenig tun, erst wenn es zu einer Anzeige komme, bestehe Handlungsbedarf.
Solche unerlaubten Werbeanrufe nennen Experten „Cold Calls“. „Ein ’Cold Call’ ist ein Anruf, der einen ’kalt erwischt’, also ohne Vorwarnung und ohne Einladung erreicht“, erklärt Thomas Hollweck, Rechtsanwalt mit Spezialisierung auf Verbraucherrecht. Es handele sich dabei um einen Telefonanruf eines Unternehmens oder eines Callcenters, der ohne Einwilligung erfolgt.
Ausdrückliche und mutmaßliche Einwilligung
„Im Rahmen dieses Telefonats versuchen die Anrufer, Werbebotschaften zu vermitteln, Verträge zu unterbreiten oder Ihre Adressdaten und Bankverbindungen zu erfahren“, beschreibt Hollweck. Werbeanrufe gelten dann als eine unzulässige Belästigung, wenn im Vorfeld keine ausdrückliche Einwilligung erfolgte. Grundsätzlich gilt dies sowohl für Verbraucher als auch für Gewerbetreibende. Allerdings hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass ein Gewerbetreibender Telefonwerbung akzeptieren muss, wenn sie „seinen Interessen noch in einem solchen Maß entspricht, das die damit verbundenen Belästigungen als hinnehmbar erscheinen“. Juristen sprechen hier von einer „mutmaßlichen Einwilligung“: Der Werbende könne davon ausgehen, dass der Anzurufende einen solchen Anruf erwartet oder ihm jedenfalls positiv gegenübersteht. Im Falle der Zahnmedizin wären hier beispielsweise Anrufe von Implantatherstellern zu nennen.
Mögliche Bußgelder von bis zu 300 000 Euro
Liegt jedoch ein Fall von unzulässigen Anrufen vor, kann die Bundesnetzagentur diese nach dem Gesetz des unlauteren Wettbewerbs und dem Ordnungswidrigkeitengesetz verfolgen. Mit Inkrafttreten des Gesetzes gegen unseriöse Geschäftspraktiken am 9. Oktober 2013 wurden die gesetzlichen Regelungen verschärft. Die mögliche Bußgeldhöhe wurde von 50 000 Euro auf 300 000 Euro angehoben. Darüber hinaus darf bei Werbeanrufen die Rufnummer des Anrufenden nicht unterdrückt werden. Dies ergibt sich aus dem Telekommunikationsgesetz (§ 102 Abs. 2). Ein Verstoß gegen dieses Verbot kann mit einem Bußgeld von bis zu 10 000 Euro geahndet werden.
Trotz der scharfen Gesetze registrieren Datenschützer steigende Zahlen unzulässiger Werbeanrufe. Die Verbraucherzentrale geht von bis zu 300 Millionen Anrufen pro Jahr aus. Der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationssicherheit, Alexander Dix, bezeichnete Cold-Call-Unternehmen als „Teil der organisierten Kriminalität“. Die lasse sich nicht durch halbherzige Gesetzesverschärfungen abschrecken. Vielmehr müsse verhindert werden, dass diese Kreise überhaupt in den Besitz von personenbezogenen Daten kommen.
Laut Hollweck ist die einzige wirksame Methode unerwünschte Anrufe zu verhindern, „niemals ans Telefon zu gehen, wenn die angezeigte Rufnummer nicht bekannt oder suspekt ist“. Denn es könne leicht passieren, dass man nach einem einzigen erfolgreich durchgeführten Anruf immer und immer wieder von diesem Unternehmen oder Callcenter angerufen wird.
Dem Anrufbeantworter den Vortritt lassen
Leider sei diese Methodik lediglich bei privaten Telefonanschlüssen möglich, bei geschäftlichen Anschlüssen müsse man natürlich jeden Anruf beantworten. Sowohl für private Verbraucher als auch für Geschäftspersonen sei ein Telefon mit Anrufbeantworter und Display hilfreich. So könne man mit einem Blick auf das Display feststellen, ob dort eine deutsche Festnetznummer, eine ausländische oder gar keine Nummer erscheint. Hollweck empfiehlt: „Wenn Sie die Nummer nicht kennen oder überhaupt keine Rufnummer angezeigt wird, sollten Sie zunächst Ihren Anrufbeantworter antworten lassen.“ So könne man hören, ob jemand auf das Band spricht. Sollte es sich um einen wichtigen Anrufer handeln, werde dieser mit Sicherheit eine Nachricht auf Band sprechen, in die man sich sofort einschalten oder ihn zurückrufen kann. Ein unerlaubter Werbeanrufer jedoch, wird laut Hollweck mit Sicherheit nichts auf den Anrufbeantworter sprechen.
Dokumentation dient als wichtiges Beweisstück
Wer einen Telefonanschluss zu gewerblichen Zwecken unterhält und jeden Telefonanruf annehmen will, sollte laut Hollweck aktiv in das Gespräch gehen. „Man sollte Fragen stellen und ausdrücklich darauf hinweisen, dass der Anruf unerwünscht ist.“ Parallel oder im direkten Anschluss sollte eine Dokumentation des Gesprächs erfolgen.
Zum zweiten Mal klingelte Schneiders Telefon im Januar 2013. Es waren dieselbe Nummer und derselbe Anrufer wie ein Jahr zuvor. „Der Anzeigenverkäufer versuchte es mit genau der gleichen Masche.“ Dieses Mal zögerte Schneider keinen Moment: Er übergab den Fall an seinen Anwalt und klagte erfolgreich auf Unterlassung. Das Landgericht Nürnberg-Fürth forderte die beklagten Anrufer im Urteil vom 14. November 2013 dazu auf, keine weiteren Werbeanrufe bei Schneider durchzuführen. Bei Verstößen hätten die Beklagten mit einem Bußgeld in Höhe von 250 000 Euro zu rechnen. „Angesichts dieser Größenordnung“, sagt Schneider, „würde ich mir fast wünschen, dass sie mich noch mal anrufen.“
Schneiders Schreiben an das Innenministerium stellte sich in der Verhandlung als wertvolles Beweismittel heraus, da es dem Gericht zufolge eindeutig belege, dass bereits ein Anruf von dieser Nummer erfolgt war. Das Täuschungsmanöver des Anrufers, er sei von der Polizei, konnte zu Schneiders Bedauern nicht als Unzumutbarkeit bewertet werden, da hier die Aussagen einander gegenüberstanden.
Aus diesem Grund ist es bei unerlaubten Werbeanrufen empfehlenswert, sich unbedingt ausführliche Notizen zu machen und diese Informationen an die örtliche Verbraucherzentrale weiterzugeben. Wie der Fall Schneider zeigt, kann jedes Details von entscheidender Bedeutung sein.