Verbrauchermacht einsetzen
Und sie wissen doch, was sie tun. Um die Strafen zahlen zu können, die Richter in der Vergangenheit bereits verhängt haben und demnächst wahrscheinlich über Deutschlands größtes Geldhaus noch verhängen werden, hat die Deutsche Bank vorausschauend rund vier Milliarden Euro zurückgelegt. Zuletzt verdonnerte die EU-Kommission die Deutschbanker zur Zahlung von 725 Millionen Euro wegen der Manipulation von Zinsreferenzsätzen. Das ist die höchste Strafe im sogenannten Libor-Skandal. Zur Erklärung: Der London Interbank Offered Rate (Libor) ist der täglich festgelegte Referenzzinssatz im Interbankengeschäft, der täglich von den in der britischen Hauptstadt tätigen Banken festgelegt wird. Damit ist der Libor der Zinssatz, zu dem Banken am Markt Gelder von anderen Banken aufnehmen oder angeboten bekommen.
Insgesamt verurteilte die Kommission sechs Geldhäuser in Europa und in den USA zur Zahlung von 1,71 Milliarden Euro. Die schweizerische UBS und die britische Barclay’s kamen nur deshalb davon, weil sie die entscheidenden Informationen geliefert hatten.
Daneben betreut die Deutsche Bank derzeit noch weitere juristische Baustellen wie den Dauerstreit um die Kirch-Pleite oder die Beteiligung von Deutsche-Bank-Mitarbeitern bei Steuerbetrug im Zusammenhang mit dem CO2-Zertifikate-Handel. Im Mai vergangenen Jahres zahlte das Institut 202 Millionen Dollar, um eine Klage wegen zwielichtiger Verbriefungsgeschäfte der amerikanischen Tochter MortgageIT aus der Welt zu schaffen.
Zurzeit prüfen Aufsichtsbehörden, darunter auch die BaFin, mögliche Manipulationen am Währungsmarkt und bei der Preisfestlegung der Gold- und Silberkurse. Darin sind einige europäische Banken verwickelt, auch die Deutsche Bank. Leugnen können deren Vorstandssprecher Anshu Jain und Jürgen Fitschen die Skandale nicht. Deshalb preschen sie nach vorn und propagieren einen Kulturwandel bei Deutschlands größtem Geldhaus.
Kundenschaden mit unbekanntem Ausmaß
Wie viel Geld die Banken mit ihren Tricksereien tatsächlich verdient haben, lässt sich nicht nachvollziehen. Auch der Schaden, den die Kunden erlitten haben, ist nicht zu beziffern. Tatsache ist, dass die Manipulation der Zinsen sich vor allem auf die variablen Kreditkonditionen auswirken, wie sie vor allem im Ausland für die Hausfinanzierung vergeben werden. Deutsche Häuslebauer bevorzugen Hypotheken mit festen Zinsen. Aber 40 Prozent der Verbraucherkredite richten sich nach den Libor- und Euribor-Sätzen. Inwiefern die Konsumenten ge-schädigt worden sind, dürfte nur schwer zu beweisen sein.
Christian Ahlers, Referent für Verbraucherpolitik beim Verbraucherzentrale Bundesverband in Berlin, erklärt: „Als Verbraucher müsste man den Schaden nachweisen und angeben, wie hoch der Zins hätte sein dürfen. Das ist unmöglich.“ Tatsache ist, dass sogar die Finanzaufsicht die Manipulationen nicht bemerkt hat. Zudem kann sich das Geschacher um die Zinsen in manchen Fällen auch vorteilhaft für die Kunden ausgewirkt haben. Dennoch, dieses Hinwegsetzen über alle Vorschriften zeigt ein Verhalten, das sich ausschließlich am Gewinn orientiert. Moralische Integrität ist nicht gefragt.
Oftmals schlampige und falsche Beratung
Davon zeugen auch die Ergebnisse einer Studie, in der die Finanzexperten unter den Verbraucherschützern im vergangenen Jahr die Beschwerden über schlechte Beratung untersucht haben. Viel direkter in ihrer Auswirkung auf die private Geldanlage als die Skandale ist die schlechte Beratungsqualität in Banken und Sparkassen. Die Initiative Finanzmarktwächter, ein Projekt der Verbraucherzentralen, fand in einer Untersuchung von 298 Fällen aus der Beratungspraxis von Banken und Sparkassen heraus, dass beinahe jedes zweite Produkt nicht zum jeweiligen Kunden passte. Es war entweder zu teuer, unrentierlich, zu riskant oder nicht bedarfsgerecht. Allein bei jedem zweiten Produkt waren die hohen Kosten der Grund für den Mangel. Niels Nauhauser, Referent für Finanzdienstleistungen bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg, sagt: „Unsere Beobachtungen sind alarmierend, zumal das Verhalten der Finanzberater in vielen Fällen direkt zulasten der privaten Altersvorsorge der Sparer geht.“ Kollegin Dorothea Mohn, Teamleiterin Finanzen beim Verbraucherzentrale Bundesverband, ergänzt: „Finanzberater sind heute in Wirklichkeit keine Berater, sondern schlicht Verkäufer.“
Profitmaximierung für die Bank – nicht für Kunden
Der Grund dafür ist, dass die Berater selbst unter großem Druck stehen. Vertriebe und Banken geben ihnen vor, welche Produkte sie vorzugsweise verkaufen sollen, nicht zuletzt weil sie der Bank einen höheren Gewinn bringen als andere Produkte. Das gilt zum Beispiel besonders für ETF. Diese kostengünstigen Fonds preist kaum ein Bankberater an, denn die Provisionen für das Geldhaus sind nur gering.
Kassiert beim Verkauf am Banktresen die Bank selbst, freuen sich bei den Finanz- vertrieben vor allem die Vertreter über die hohen Provisionen. Der Kunde glaubt sein Geld wird gewinnbringend angelegt. Zieht er aber zum Beispiel bei den Fonds die Aufschläge und Verwaltungskosten ab, bleibt nicht mehr so viel übrig. Der Sparer vertraut weiterhin auf die Kompetenz der Berater und liefert sich ihnen geradezu aus. Auch das ist ein Ergebnis der Studie: „Sie zeigt, dass die Kunden, die sich zur Geldanlage und Altersvorsorge beraten lassen, nicht über die nötigen Kenntnisse verfügen, um komplexe Produkte und Anlagestrategien mit einem langen Zeithorizont selbst beurteilen und verwerten zu können. Sie vertrauen darauf, dass sie bei Banken und Sparkassen gut beraten werden.“
Politik im Zugzwang zur Kontrolle
Es gibt also viele Baustellen, an denen nachhaltig gearbeitet werden muss. Seit Beginn der Krise ergeht sich die Politik in Versprechungen, dass sie die Finanzwelt an die Kandare nehmen will. Was ist tatsächlich passiert?
Seit Anfang 2010 sind die Banken verpflichtet, von jeder Wertpapierberatung ein schriftliches Protokoll anzufertigen und dem Kunden ein Exemplar auszuhändigen. Anhand dessen soll der Kunde das Beratungsgespräch noch einmal Revue passieren lassen und überlegen, ob noch Fragen offen sind. Wichtige Bestandteile des Protokolls sind: Anlass und Dauer des Gesprächs, für die Beratung relevante persönliche Informationen über den Kunden, Angaben über die besprochenen Produkte, Wünsche und Anlageziele des Kunden sowie deren Gewichtung und die Produktempfehlungen des Beraters inklusive der Begründung, weshalb er sie empfiehlt. Weil dieses Papier im Streitfall als Hilfsmittel dienen kann, sollte es gründlich geprüft werden. Der Berater muss das Protokoll unterzeichnen. Die Protokollpflicht gilt aber nur, wenn es um Wertpapiere und Investmentfonds geht. Für Sparbriefe, Festgeld und Tagesgeld ist das nicht nötig.
Eine weitere Maßnahme zum Schutz des Verbrauchers war im Juli 2011 die Einführung eines sogenannten Beipackzettels. In diesem Produktinformationsblatt müssen Angaben über die Art des Anlageprodukts, dessen Funktionsweise, Risiken, Aussichten auf Erträge und Rückzahlungen unter verschiedenen Marktbedingungen sowie die mit der Anlage verbundenen Kosten ent-halten sein.
Produktinformationen bisweilen mangelhaft
Doch leider scheint das Bedürfnis, die Kunden umfassend zu informieren, bei den Finanzdiensteistern nur wenig ausgeprägt zu sein. Eine Studie des Bundesverbraucherministeriums ergab, dass bei 43 Prozent aller Produktinformationsblätter überflüssige und unzulässige Angaben enthalten waren beziehungsweise wichtige Informationen fehlten. Das Urteil der Verbraucherschützer, die sich in einem Schwarzbuch mit Banken und Finanzvertrieben beschäftigt haben: „Der Beipackzettel ist kein Ersatz für eine fundierte Beratung. Und diese taugt allein dann, wenn sie nicht über Provisionen von denen finanziert wird, die den Beipackzettel erstellt haben.“
Also kann die Alternative nur lauten: Man sucht sich einen Berater, der unabhängig von Provisionen agieren kann, weil der Kunde ihn für seine Arbeit selbst bezahlt. Geht es um Rechtsberatung oder Hilfe in Steuerfragen, ist die Zahlung eines Honorars eine Selbstverständlichkeit. Nur bei der Anlageberatung hält sich hartnäckig der Glaube: Dieser Rat ist umsonst. Ein fataler Irrtum. Denn die Provisionen schlucken je nach Produkt einen ansehnlichen Teil des investierten Kapitals. Außerdem kann der Anleger sicher sein, dass man ihm das Produkt mit den höchsten Provisionen besonders schmackhaft machen wird.
Experten äußerst sorgfältig auswählen
Unabhängige und seriöse Beratung in allen Fragen der Geldanlage, Altersvorsorge und Baufinanzierung gibt es bei den Verbraucherzentralen. Dort stellen geschulte Experten ihr Wissen gegen ein Honorar zur Verfügung.
Wer will, kann sich auch an einen freien Honorarberater wenden. Im Internet bieten viele ihre Dienste an. Doch bei der Auswahl sollten Ratsuchende Vorsicht walten lassen. Denn bislang gibt es immer noch keine regulierte Schutzbezeichnung und auch keine vorgeschriebene Ausbildung. Honorarberater kann sich noch jeder nennen, der möchte.
Die Verbraucherzentralen warnen: „Während andere Berufsstände wie Rechtsanwälte oder Steuerberater standesrechtlich verpflichtet sind im Interesse ihrer Mandanten zu handeln, ist dieser Schutzmechanismus bei den Finanzberatern noch nicht vorhanden.“
Dem soll ein Gesetz zur Honorar-Anlageberatung abhelfen, das zum 1. August 2014 in Kraft tritt. Klar ist, dass die darin enthaltenen Regelungen bereits jetzt schon nicht reichen. Enthalten ist darin, dass ein Honorarberater keine Provisionen kassieren darf. Betroffen davon sind aber nur Berater, die sich um die Geldanlage kümmern. Wer einen Kredit benötigt, Schulden tilgen oder eine Versicherung abschließen will, muss sich an den nächsten Experten wenden, der vielleicht provisionsabhängig arbeitet. Eine ganzheitliche Beratung ist so nicht möglich. Beaufsichtigt werden die Honorarberater vom Gewerbeaufsichtsamt. Wollen sie Empfehlungen für den Kauf oder Verkauf einzelner Anleihen oder Aktien geben, benötigen sie eine Lizenz nach Paragraf 32 des Kreditwesengesetzes. Diese ist mit hohen Auflagen verbunden, die nur wenige Honorarberater erfüllen.
Schutz der Verbraucher noch optimierbar
Ein anderer Schwachpunkt des Gesetzes: Der Mindeststandard für die Ausbildung zum Honorarberater ist eher niedrig angesetzt. Die Vorbereitung auf den Abschluss zum Finanzwirt dauert drei Jahre. Sie erfolgt zum Beispiel auf einer Bankakademie oder bei der IHK. Verbraucherschützer Christian Ahlers reicht das nicht. Er verlangt: „Honorarberater sollten ähnlich wie die Steuerberater eine einheitliche Ausbildung durchlaufen und eine staatliche Prüfung ablegen.“
Für Dieter Rauch, Geschäftsführer des Verbunds Deutscher Honorarberater, geht das zu weit: „Ich bin ebenfalls der Meinung, dass die Ausbildung der Berater besser sein könnte. Doch eine ähnliche Qualität zu verlangen wie die Steuerberaterausbildung hieße, mit Kanonen auf Spatzen zu schießen.“
Er kann sich ein abgestuftes Modell vorstellen, wonach es für je nach Anspruch der Beratung bestimmte Zulassungsstufen geben könnte. Selbstbewusste und kenntnisreiche Kunden, die wissen, dass die Geldindustrie auch auf sie angewiesen ist, bringen die Vorstände bei Banken und Sparkassen zum Umdenken. Dazu meint Ahlers: „Am Ende sind es die Bürger, die diese Fehlentwicklungen zu ihrem Thema machen müssen. Darauf reagieren auch die Politiker und machen die Probleme der Bürger zu den ihren.“
Wie ernst Politiker die Belange der Wähler nehmen, zeigt, dass man sich in der EU doch auf einen Kompromiss zur Bankenunion einigen konnte. Danach soll im Fall einer Bankpleite ein Guthaben von maximal 100 000 Euro geschützt werden. Auch der Honorarberatung will man sich widmen. Gerüchte besagen, dass die EU im Rahmen von MiFid II (Markets in financial Instruments) ab 2016 ein Provisionsverbot nach britischem Vorbild für unabhängige Vermittler durchsetzen will.
In der Diskussion ist auch ein Trennbankensystem, wonach das Kundengeschäft und das Investmentbanking getrennt werden. Die Interessenvertreter der Geldindustrie in Brüssel sind in heller Aufruhr. Ziel ihres Protests ist die Generaldirektion Binnenmarkt. Sie kümmert sich unter anderem um Bonigrenzen und Bankenregulierung. Ihr Chef, EU-Kommissar Michel Barnier, hat die Konsequenzen gezogen und seinen Mitarbeitern das Zusammentreffen mit den Finanzlobbyisten schlicht untersagt. Den Verbraucher freut’s.
Marlene EndruweitFachjournalistin für Wirtschaftm.endruweit@netcologne.de