Zahnärztinnen benennen Handlungsbedarf
Nach einer Erhebung des Instituts der Deutschen Zahnärzte aus dem Jahr 2010, ist der „Gender Switch“ zwischen weiblichen und männlichen Zahnärzten im Jahr 2017 erreicht. Bis 2030 soll der Frauenanteil bei den Absolventen dann bis auf 70 Prozent steigen. Spätestens dann liegt die zahnmedizinische Versorgung zum Großteil in der Hand der Zahnärztinnen. Berufspolitische Maßnahmen werden notwendig sein, um den damit verbundenen Veränderungen für den Berufsstand und das Gesundheitssystem zu begegnen.
Einzelpraxis bleibt beliebt
Die derzeitigen Veränderungen in der Zahnmedizin sind allgegenwärtig. Besondere Beachtung findet aktuell die Veränderung der präferierten Form der Berufsausübung von der Einzelpraxis hin zu verschiedenen Arten der gemeinschaftlichen Berufsausübung. Diesbezüglich bestehen zwischen männlichen und weiblichen Zahnärzten aber keinesfalls große Unterschiede. 73 Prozent der Zahnärzte und 71 Prozent der Zahnärztinnen entschieden sich 2012 für die Neugründung oder für die Übernahme einer Einzelpraxis. Die Gefahr des Verschwindens der Einzelpraxis, und damit die Unterversorgung der Bevölkerung, ist also keine direkte Konsequenz der „Feminisierung“.
Zahnärztin Sabine Steding, Vorsitzende des Ausschusses Familie, Beruf und Praxismanagement der Bundeszahnärztekammer, ist überzeugt, dass die drei Kammerumfragen auch eine Veränderung der Arbeitsstruktur in den Praxen belegen: „Zahnärztinnen sehen sich untereinander – anders als ihre männlichen Kollegen – weniger in einer klassischen Wettbewerbssituation und Zahnärztinnen denken mehr als Männer über einen anderen Berufsstatus, beispielsweise ein Angestelltenverhältnis, nach“, so Steding.
Die Kosten für die Praxisgründung steigen seit Jahren. Eine Herausforderung für junge Zahnärztinnen ist vor allem die Zeit der Praxisgründung, wenn es in der Zeit der hohen finanziellen Belastung durch eine Neugründung oder Übernahme, zu Arbeits- und Verdienstausfall durch Schwangerschaft und Kinderbetreuung kommt.
Stetige Doppelbelastung
Die Hauptpunkte der in den Studien angesprochenen Unzufriedenheit unter den Kolleginnen liegen vor allem im Bereich der Kinderbetreuung, ausgelöst sowohl durch einen Mangel an entsprechenden Betreuungseinrichtungen als auch durch die zeitliche Unflexibilität derselben. Darüber hinaus wird die doppelte Belastung von Beruf und Familie von den meisten Teilnehmerinnen als besonders groß empfunden. Hier sei auf eine kürzlich EU-weit durchgeführte Studie hingewiesen. Neben der beruflichen Tätigkeit wurde die Arbeit im Haushalt nachgefragt. Europaweit übernahmen Frauen trotz voller Berufstätigkeit meist ebenfalls einen Großteil der Haushaltsarbeit.
Geht man aber von einer Forsa-Umfrage von April vergangenen Jahres aus, sind es nicht die Frauen allein, die für Zeit mit der Familie eine Reduzierung der Arbeitszeit in Kauf nehmen würden. Auch immer mehr Männer wünschen sich, mehr Zeit für Familie und Kinder zu haben, und sind bereit, ihren Anteil der Arbeit im Haushalt zu übernehmen. Beruf und Familie müssen für junge Eltern und Kinder in „Work-Life-Balance“ gebracht werden.
Die Veränderung der Berufsausübungsformen mit der Einführung des angestellten Zahnarztes war sicherlich ein erster richtiger und wichtiger Schritt. Darüber hinaus muss aber auch das Umfeld stimmen. Benötigt werden bundesweit ausreichend wohnortnahe Angebote für die Kinderbetreuung, denn die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist nicht nur ein berufspolitisches, sondern auch ein zentrales politisches Thema. Hinzu kommt, dass in Anbetracht des demografischen Wandels, neben der Kinderbetreuung in Zukunft auch die Pflege Angehöriger mehr Zeit in Anspruch nehmen wird.
Fehlende Angebote der Kinderbetreuung
Ein auch oft genannter Kritikpunkt an der derzeitigen Situation ist das Berufsverbot angestellter Zahnärztinnen, das in keinem Verhältnis zu den Anforderungen an eine selbstständige Kollegin gesehen wird, die zum Großteil selbst auf den Mutterschutz verzichten (müssen). Hier wären Strukturen hilfreich, die zum Beispiel im Fall einer Risikoschwangerschaft Unterstützung böten.
Auf EU-Ebene gibt es hierzu erste Ansätze, die Rahmenbedingungen entsprechend zu verändern. Angestellte Zahnärztinnen äußerten vor allem den Wunsch nach flexiblen Arbeitszeiten. Neben der Kritik am Berufsverbot wünschten sich selbstständig Tätige vor allem ein gelenktes, zuverlässiges Vertretungskonzept beziehungsweise ein Netzwerk mit der Landeszahnärztekammer als kompetenten Ansprechpartner. Solche Stellenpools, die von vielen Kammern bereits für die ZFA- Vermittlung vorgehalten werden, könnten auch bei Vertretungen für schwangere Zahnärztinnen sinnvoll sein. Die Vereinfachungen und die Unterstützung bei Kammer- und Versorgungswerkangelegenheiten sowie eine generelle Verbesserung der Altersvorsorgeregelung in der Schwangerschaft wird besonders von Selbstständigen gewünscht.
Unterstützung bei der Familienplanung
Wie alles im Leben bedarf auch die Familiengründung der Planung. Durch die Landeszahnärztekammern besteht in diesem Bereich mehr Unterstützung, als vielen Kollegen bewusst ist. So bieten viele Kammern Ratgeber mit wertvollen Tipps für die Unterstützung von Beruf und Familie an.
Dazu wird in naher Zukunft ein umfangreicher Ratgeber des Zahnärztinnenforums „Dentista“ erscheinen. Geschrieben von Anwälten für Medizinrecht, Steuerberatern und Berufspolitikern wird dieser ein Spektrum an nützlichen Informationen rund um das Thema Schwangerschaft, Familie, Beruf und Praxis beinhalten. Entgegen häufigen Vermutungen richtet sich dieser Ratgeber explizit nicht nur an Zahnärztinnen. Beruf und Familie ist vielmehr ein geschlechter-unabhängiges Thema. Die Informationen richten sich deshalb natürlich in erster Linie an Zahnärztinnen, genauso aber auch an Zahnärzte, Zahnärztinnengatten und Arbeitgeber.
Auf der Agenda der Berufspolitik
Und auch berufspolitisch ist die Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Praxis seit vielen Jahren ein Teil auf der Agenda. Neben der Themenarbeit in den einzelnen Landeszahnärztekammern trifft sich regelmäßig der Ausschuss „Beruf, Familie und Praxismanagement“ in den Räumen der Bundeszahnärztekammer in Berlin, um über neue Entwicklungen und Strategien zu beraten und zu diskutieren. Der Ausschuss versteht sich als offene Kommunikationsplattform, der auch auf Anregungen aus den Praxen angewiesen ist.
Darüber hinaus hat jeder Kollege selbst die Möglichkeit, sich in seiner Kammer zu engagieren und so den Standpunkt er Zahnärztinnen auch berufspolitisch zu stärken.
In vielen Zahnärztekammern gibt es erfreulicherweise schon engagierte Kolleginnen im Vorstand, leider spiegelt deren Zahl aber noch nicht den Anteil an der gesamten Kollegenschaft wider.
Eine einfache Möglichkeit aktiv zu werden bietet beispielsweise der Dentista-Club, der mit der Bundeszahnärztekammer eine Kooperationsvereinbarung abgeschlossen hat. Dank neuer Medien reduziert sich der kollegiale Austausch hier nicht mehr nur auf die Mittwoch- oder Freitagnachmittage.
Austausch, Hilfestellungen und Diskussionen werden zunehmend online geführt. So lassen sich etwa unvorhergesehene Ausfallzeiten zwischen den Behandlungen sinnvoll zum „Netzwerken“ nutzen.
Dr. Juliane GöslingReferentin für zahnärztliche Berufsausübung/Prävention und Gesundheitsförderung der BundeszahnärztekammerChausseestr. 1310115 Berlin