Der eigene ist der beste
Der Gedanke an einen Zahnarztbesuch wird häufig als unangenehm empfunden [Kerr, 1998]. Dieser Umstand mag aus historischer Sicht mehrere Gründe haben. Überlieferungen bereits aus dem 17. und aus dem 18. Jahrhundert berichten, dass damalige Friseure schmerzhafte Zahnbehandlungen durchführten und Zähne ohne Anästhesie extrahieren mussten [Hoad-Reddick, 2004]. Im Europa des frühen und mittleren 20. Jahrhunderts war es außerdem üblich, dass jungen Frauen, die kurz vor der Heirat standen, in radikaler Weise sämtliche Zähne gezogen und durch Totalprothesen ersetzt wurden, damit während der Ehe keine weiteren Zahnbehandlungskosten anfallen konnten [Anderson, 1965]. Da der Zahnarztbesuch diese unangenehme Konnotation einer allgemein schmerzhaften und unbeeinflussbaren Erfahrung von Generation zu Generation überliefert hat, ist es nicht verwunderlich, dass weiterhin ein Stigma besteht und immer noch viele Menschen unter Angst vor dem Zahnarztbesuch leiden [Hoad-Reddick, 2004].
Image des Zahnarztes als Berufsperson
Der Zahnarzt gehört heute zu den meist respektierten Berufen [Pride, 1991] und genießt zudem ein hohes Maß an Beachtung und Vertrauen in der breiten Bevölkerung [DiMatteo et al., 1995]. Bereits in Studien der 1960er-Jahre wurde gezeigt, dass der Zahnarzt ein hohes Prestige hatte. In Großbritannien war der Zahnarzt an sechster Stelle nach dem Arzt, dem Anwalt, dem Dozenten, dem Physiker in der Forschung und dem Direktor aufgeführt [Gerstl Cohen, 1964]. Eine gleichzeitige amerikanische Studie, bei der Zahnärzte zu ihrem Prestige befragt wurden, kam zum Ergebnis, dass diese sich sogar an fünfter Stelle nach dem Arzt, dem Bankier, dem Minister und dem Anwalt einschätzen würden [Terkla Lu, 1966].
Laut einer Gegenüberstellung verschiedener Medizinalberufe und ihrer Bedeutung für die Allgemeingesundheit verfügt der Zahnarzt über ein ziemlich hohes, aber nie über das höchste Ansehen [Hodge et al., 1966; O’Shea Cohen, 1967]. Auch beim amerikanischen Meinungsforschungsinstitut Gallup, das seit mehreren Jahrzehnten die Ehrlichkeit und die ethischen Standards der verschiedenen Berufe durch jährliche Meinungsumfragen in den USA erforscht, ist der Zahnarzt meistens unter den ersten zehn Berufen anzufinden, jedoch nie an der Spitze. Bei der jüngsten Umfrage im Jahr 2009 befand sich der Zahnarzt an sechster Stelle nach der Krankenschwester, dem Pharmazeut, dem Arzt, dem Polizist und dem Ingenieur (www.gallup.com).
Durch welche Faktoren wird das Berufsimage des Zahnarztes bestimmt? Nach Cohen ist es insgesamt abhängig von den Kriterien wie Arbeitseinsatz, Dauer der Ausbildung, Einfluss, Macht, Honorar und dem wichtigsten Kriterium Vermögen, das durch den Beruf erworben wird [Cohen, 1978]. Auch was die Autonomie betrifft, genießt der Zahnarzt eine hohe Selbstständigkeit und führt die Qualitätskontrollen meist selber durch [Cohen, 1978; DiMatteo et al., 1995]. Weitere Studien sehen den Zahnarzt als viel beschäftigt, verlässlich und wirtschaftlich stabil [Pride, 1991]. Dazu kann er seine Arbeitszeiten selber einteilen, trägt eine hohe Verantwortung und muss seine eigene Arbeit, wie auch die seiner Mitarbeiter laufend überprüfen [Gray, 1968]. Folglich kann grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass der Zahnarzt über ein gutes Image verfügt [Liddell May, 1984, Gerbert et al., 1994]. Daher bleibt es scheinbar unbegründet, wieso einige Zahnärzte trotzdem das Gefühl geäußert haben, dass es mit dem Image der Zahnmedizin nicht zum Besten stehen soll [Liddell May, 1984; Gerbert et al., 1994].
Imageprobleme der Zahnmedizin
Hat die Zahnmedizin trotz aller guten Voraussetzungen ein Imageproblem? Auf dem Weg zur Beantwortung dieser Frage ist die allgemeine Feststellung interessant, dass die Bevölkerung ihren eigenen Zahnarzt höher einschätzt als die Zahnärzte insgesamt [Liddell May, 1984; Gerbert et al., 1994]. Außerdem sehen in den Vereinigten Staaten einige Ämter des Gesundheitswesens [Pride, 1991] wie auch ein großer Teil der Bevölkerung [Cohen, 1978] die Mundgesundheit, im Vergleich zur Allgemeingesundheit, nicht als essenziellen Bestandteil der Gesundheitsförderung und Lebensqualität an. Da die Zahnmedizin von der Humanmedizin nur wenig entfernt ist, werden diese beiden Fachgebiete häufig miteinander verglichen [Cohen, 1978]. Auch wenn in einer Umfrage in den Vereinigten Staaten im Jahr 1995 die Zahnärzte eine bessere Bewertung erhielten als die Ärzte [DiMatteo et al., 1995], so berichteten andere Studien das Gegenteil [Hodge et al., 1966; O’Shea Cohen, 1967].
1990 schrieb Bowers, dass Zahnärzte seit mehreren Jahren an einem eigens zugeschriebenen Imageproblem leiden, das er als „Doctors and Dentists Syndrome“ bezeichnete. Diesen Zustand hatte er dadurch charakterisiert, dass Zahnärzte das Gefühl haben, den Ärzten unterlegen zu sein.
Außerdem soll dies durch Anspielungen einiger Ärzte und der allgemeinen Öffentlichkeit verstärkt worden sein. Laut Bowers ist es weiter eine Tatsache, dass die Ärzte die Spitze im Gesundheitssystem bilden und dass sie auch selber dieser Meinung sind [Bowers, 1990].
Die Humanmedizin kümmert sich um ein breites Spektrum von Krankheiten, und es geht dort auch öfter um „Leben und Tod“ [Bowers, 1990]. Beim Arzt wird angenommen, dass er das nötige Wissen in allen Aspekten der Medizin innehat, was nach Bowers ein Irrglaube ist, der in der Bevölkerung aber weiter verankert ist. Heutzutage ist ein Arzt in vielen Fällen ein Spezialist in einem medizinischen Teilgebiet. Vom Zahnarzt wird nicht erwartet, dass er über eine vergleichbare Fachkompetenz verfügt. Folglich könnte der Zahnarzt davon ausgehen, dass der Patient ihn bei größeren Problemen im Vergleich zum Arzt als unfähig einschätzt. Dies würde weiter dazu führen, dass Zahnärzte weniger Selbstbewusstsein haben, als es ihrem objektivierbar hohen Image entspricht [Bowers, 1990]. Da der Zahnarzt in der Regel innerhalb einer kleinen Praxisgemeinschaft arbeitet, erhält er zudem weniger Resonanz, was zu weiteren Zweifeln an Selbstwertgefühlen führen kann. Nach Pride kann man diesen Selbstzweifel an einer inneren Unentschlossenheit, einer schlechten Körperhaltung und einem fehlenden Augenkontakt zum Patienten erkennen. Wie in einem Teufelskreis, kann dies langfristig zu einer geringeren Leistung und zu einer erhöhten Stressbelastung führen [Pride, 1991].
Was imageschädigend wirkt
Wie der Zahnarzt mit seiner Umwelt interagiert, trägt bekanntlich zum Image der Zahnmedizin bei. Nach Christensen kann beispielsweise Werbung für die eigenen zahnärztlichen Dienstleistungen einen negativen Einfluss auf die Wahrnehmung der Zahnärzte in der Gesellschaft haben. Zudem zögern einige Zahnärzte nicht, in zahnmedizinischen Zeitschriften anzugeben, wie viel Geld sie mit ihrer Praxis erwirtschaften. Sie realisieren dabei möglicherweise nicht, dass auch Patienten diese Zeitschriften lesen, die keine Kenntnisse darüber haben, dass 65 bis 70 Prozent des Umsatzes für die Kosten der Praxis und die Gehälter der Mitarbeitender verwendet werden [Christensen, 2001]. Auch beim Anbieten von rein ästhetischen Eingriffen kann man davon ausgehen, dass damit eine Kultur der Oberflächlichkeit gefördert wird. Der Zahnarzt würde demnach eine Dienstleistung an Individuen innerhalb einer Konsumgesellschaft durchführen anstelle einer Therapie an Patienten innerhalb des Gesundheitswesens [Maio, 2009].
In erster Linie schadet der Missbrauch des Patientenvertrauens dem Image der Zahnmedizin. Das wäre jeweils dann der Fall, wenn dem Patienten unrealistisch hohe Erwartungen durch übertriebene Ver- sprechungen vermittelt werden [Yamalik, 2005b]. Zu viel Seelsorge betreiben zu wollen, kann den Patienten ebenso verwirren wie auch schädigen. Als Zahnarzt verfügt man nicht unbedingt über genügend psychosoziale Kompetenzen, um schwerwiegende Probleme des Patienten zu analysieren.
Weiter nimmt der Berufsstand seine professionelle Verantwortung nicht wahr, wenn zahlungsschwache Patienten durch überhöhte Honorare ausgeschlossen werden [Dharamsi et al., 2007; Christensen, 2001]. Zu hohe Honorare für mittelmäßige Behandlungen belasten das Image der Zahnmedizin ebenso [Christensen, 2001]. Diese sollten so gewählt werden, dass einerseits auch zahlungsunfähigere Patienten Zugang zu einfachen Behandlungen haben, aber es andererseits auch möglich ist, frühzeitig mangelhafte oder fehlgeschlagene Therapien kostengünstig zu erneuern.
Die Zahnärztin und der Zahnarzt
Die Zahnärztin und der Zahnarzt stehen im Berufsalltag unter dem Einfluss einer Vielzahl von Umgebungsfaktoren. Dem Zahnarzt werden allgemein andere Eigenschaften zugesprochen als der Zahnärztin. Er wird im Vergleich zu ihr als durchsetzungsfähiger, wetteifernder, kompetenter, geschäftsorientierter, weniger beeinflussbar und aggressiver eingeschätzt [Fennema et al., 1990; Hutson-Comeaux Kelly, 2002; Newton et al., 2001]. Smith Dundes konnten aufzeigen, dass von Zahnärzten eher angenommen wird, dass sie davon ausgehen, dass Patienten Schmerzen aushalten können, ohne sich zu beschweren, was bei ihren weiblichen Kolleginnen nicht der Fall wäre [Smith Dundes, 2008]. Weiter besteht die Vermutung, dass der Zahnarzt, wiederum im Vergleich zur Zahnärztin, sich seinem Beruf mehr widmet als seiner Familie. Die Patienten stellen sich vor, dass sie von ihm besser behandelt werden, da er weniger von seiner Familie abgelenkt wird und deshalb fortlaufend auf dem neuesten Stand der Technik sein kann [Smith Dundes, 2008].
Interessanterweise wird auch mehrheitlich angenommen und geglaubt, dass Zahnärzte mehr als ihre weiblichen Kolleginnen bei der Berufswahl von Macht und Verantwortung zu ihrem Beruf geleitet werden. Zudem ist es ihnen wichtiger, später selbsterwerbend zu sein [Smith Dundes, 2008]. Zahnärztinnen werden demgegenüber als fürsorglich, expressiv, unterwürfig, menschlich und mit viel Mitgefühl beschrieben [Smith Dundes, 2008; Fennema et al., 1990; Hutson-Comeaux Kelly, 2002]. Zahnärztinnen sind weiteren Quellen gemäß auch weniger in Eile, nehmen sich mehr Zeit mit Patienten zu reden, können nonverbale Signale besser erkennen und nervöse oder ängstliche Patienten besser beruhigen als ihre männlichen Kollegen [Smith Dundes, 2008; Sinkford et al., 2003; Newton et al., 2001]. Laut Smith und Dundes verfügen Zahnärztinnen nicht zuletzt über bessere Kommunikationsfähigkeiten, da sie die Patienten weniger oft unterbrechen [Smith Dundes, 2008].
Zahnärzte in den Medien
Zahnärzte haben in Spielfilmen gelegentlich eine witzige Rolle, größtenteils werden sie aber als sadistisch, unmoralisch, verrückt oder sogar korrupt dargestellt [Thibodeau Mentasti, 2007; Pride, 1991; Gerbert et al., 1994].
Der Zahnarztbesuch wird insbesondere in Unterhaltungsfilmen als eine unangenehme Erfahrung präsentiert [Thibodeau Mentasti, 2007]. Als ideales Beispiel hierfür dient der Trickfilm „Findet Nemo“, in dem der Clownfisch Nemo von einem Taucher gefangen genommen wird. Nach kurzer Zeit stellt sich heraus, dass es sich bei diesem Taucher um einen Zahnarzt handelt und dass Nemo sich in einem Aquarium im Behandlungszimmer einer Zahnarztpraxis befindet. Dort schreien alle Patienten während der Behandlung vor Schmerz und sonstigen Qualen und die ganze Handlung in diesem Aquarium dreht sich nur darum, dass Nemo diesem Ort so schnell wie möglich entfliehen will.
Laut Berry ist die Darstellung eines bösen Zahnarztes in den Medien ein Relikt aus früheren Zeiten, als der Zahnarztbesuch eine unerfreuliche Konnotation hatte [Berry, 1989]. Da Spezialeffekte der modernen bildgebenden Verfahren noch mehr Dramatik und übersteigerte Charakterattribute ermöglichen, ist eine Zunahme des negativen Stereotyps des Zahnarztes weiter festzu-stellen [Thibodeau Mentasti, 2007]. Letztendlich sollte dieser negative Stereotyp nicht unterschätzt werden, da laut Hinton der Mensch seine Umwelt durch das Erstellen von Stereotypen kennenlernt. Der Einfluss der Medien kann somit das Image der Zahnmedizin positiv wie auch negativ beeinflussen [Hinton, 2000].
Zahnärztliche Professionalität
Die Professionalität des Zahnarztes wird nicht nur durch seine klinischen Fertigkeiten bestimmt. Das Engagement, die Zuverlässigkeit und das Verhalten, das man dem Patienten und seinem Team entgegenbringt, führen zu mehr Vertrauen und zu einer besseren Kommunikation. Ein selbstsicheres Auftreten und ein angemessener und freundlicher Umgangston im Gespräch tragen auch dazu bei [Brosky et al., 2003].
Nebst den Fachkenntnissen und Charaktereigenschaften spielt ebenso das äußere Erscheinungsbild eine wichtige Rolle. Bei einem gepflegten Aussehen tendieren Patienten vermehrt dazu, ihre medizinischen Probleme offen auszusprechen. Bei männlichen Ärzten werden ein weißer Kittel, lange Hosen, Hemd und Krawatte geschätzt.
Bei Ärztinnen werden eine weiße Jacke, ein schwarzer Rock und eine Bluse bevorzugt [Brosky et al., 2003]. Patienten bevorzugen traditionell angezogene Mediziner mehr als solche in informeller oder lockerer Kleidung [Kanzler Gorsulowsky, 2002; Gjerdingen et al., 1990; McNaughton-Filion et al., 1991]. Bei der Studie von Brosky und Mitarbeitern gaben 73 Prozent der Befragten an, dass das Aussehen und die Attraktivität des Zahnarztes die Erwartung bei der Behandlung stark beeinflussen [Brosky et al., 2003].
Einerseits kann davon ausgegangen werden, dass dies weltweit auch für Zahnärztinnen und Zahnärzte gilt, auch wenn andererseits dabei unklar bleibt, wie wichtig das äußere Erscheinungsbild für das Image der Zahnmedizin ist. Ein gepflegtes Aussehen vermittelt das Image eines sorgfältigen, sachkundigen und mitfühlenden Zahnarztes. Ein ungepflegtes Erscheinungsbild strahlt entgegengesetzt eine unorganisierte und gefühllose Haltung aus [Kanzler Gorsulowsky, 2002; Gjerdingen Simpson, 1989].
Ethische Richtlinien
Die Zahnmedizin braucht professionelle und ethische Standards, um das hohe Maß an Respekt und Vertrauen, das sie in der Bevölkerung genießt, aufrechtzuerhalten. Die von der World Dental Federation (FDI) und ähnlich von der American Dental Association (ADA) bestimmten ethischen Richtlinien besagen, dass der Zahnarzt die Mundgesundheit seiner Patienten fördern soll, unabhängig vom individuellen Status des Patienten. Der Zahnarzt behält jedoch das Recht, die Therapie bei Patienten zu verweigern, ausgenommen, wenn es sich um eine Notfallbehandlung handelt. Der Zahnarzt unterliegt außerdem der beruflichen Schweigepflicht. Er soll seine professionellen Fähigkeiten und sein Wissen stets verbessern, Respekt gegenüber seinen Kollegen sowie seinen Mitarbeitern zeigen und sich auch so verhalten, dass es dem Ansehen seines Berufs entspricht [Yamalik, 2005b; Antoon, 2006].
Im Gegensatz zur FDI und ADA denkt Yamalik etwas praxisnaher, wenn er schreibt, dass das ethische Bewusstsein ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den eigenen Umsatzzielen und den Werten der Zahnmedizin sei [Yamalik, 2005a]. Weiter haben die kanadischen Zahnärzte in den 1980er-Jahren erklärt, dass es das primäre Ziel des Zahnarztes sei, der Allgemeinheit zu dienen. Demgegenüber definierten die kanadischen Ärzte, das Wohlergehen des Patienten sei ihr oberstes Attribut [Cohen, 1978]. Folglich ist das Allgemeinwohl der Bevölkerung dem Zahnarzt ein wichtiges Anliegen, da er möglichst vielen Menschen eine adäquate Behandlung ermöglichen möchte. Trotz ethischer Überlegungen sollte der Zahnarzt allgemein das Recht behalten, eine Behandlung zu empfehlen, ohne durch eine Drittperson beeinflusst zu werden. Dies beinhaltet ebenso das Recht eine ehrliche Zweitmeinung beispielsweise über eine bereits erfolgte Behandlungsplanung zu geben, selbst wenn diese von der Meinung eines Kollegen abweicht. Man muss sich daher im Klaren sein, dass es immer Raum für sachliche und ehrliche Meinungsunterschiede gibt und dass trotzdem das Allgemeinwohl der Bevölkerung das höchste Ziel dabei bleiben kann [Jeffcoat, 2002].
Weiter muss der Zahnarzt darauf achten, einem sprichwörtlichen Schönheitswahn einiger Patienten nicht nachzugeben, wenn der Eingriff einer ausschließlich ästhetischen Korrektur dient [Maio, 2007]. In der heutigen Gesellschaft, in der viele Patienten ihre Zähne nach ästhetischen Gesichtspunkten verändern lassen, kann ein ästhetisch unverändertes Gebiss als mangelhaft empfunden werden [Maio, 2009]. Dadurch wird eine neue Nachfragesituation gefördert, die vorher gar nicht existiert hat. Von diesem Zugzwang betroffen sind insbesondere Menschen, die sich für allgemeine Schönheitsbilder interessieren oder sich davon beeinflussen lassen [Wijsbek, 2000].
Auch unter Berücksichtigung strenger ethischer Überlegungen sollte der Zahnarzt nicht nur Arbeiten verrichten, die der Patient von ihm verlangt. Der Zahnarzt überdenkt die Patientenwünsche kritisch und sichert sich ab, damit die geplante Behandlung auch langfristig dem Wohl seines Patienten dient. Im Zweifelsfall sollte der Zahnarzt die Behandlung ablehnen. Diese Differenzierung grenzt den Zahnarzt als eine Person im Gesundheitswesen deutlich von einer solchen in einem Dienstleistungsberuf ab, die letztlich aus finanziellen Gründen die Wünsche ihres Kunden ausführt [Maio, 2009].
Die Evolution des Zahnarztberufs
Immer mehr Zahnärzte arbeiten nur noch teilzeitlich. Vor allem Zahnärztinnen unter 40 Jahre arbeiten fünfmal häufiger teilzeitlich als gleichaltrige männliche Kollegen. Dieser Sachverhalt wird in Zukunft gerade deshalb relevanter, da immer mehr Frauen Zahnmedizin studieren [Waldman Perlman, 2008]. In der Schweiz ist der gleiche Trend feststellbar. Waren 1990 nur 19 Prozent aller Studienabgänger Frauen, war es im Jahr 2010 bereits eine Mehrheit von 55 Prozent [Barras et al., 2010a; Barras et al., 2010b]. Auch neigen Frauen eher dazu, eine Karrierepause einzulegen oder nach der Geburt ihrer Kinder an Teilzeitstellen zu arbeiten. Das kann letztendlich dazu führen, dass die gesamte Arbeitskraft im Gesundheitswesen vermindert wird und mehr Menschen diesen Beruf ausüben müssen, um das gleiche Arbeitspensum zu erfüllen [Seward McEwen, 1987; Matthews Scully, 1994; de Wet et al., 1997].
Weiter besteht der Trend von kleinen Praxen mit weniger als fünf Angestellten hin zu größeren Gemeinschaftspraxen mit bis zu 20 Angestellten [Waldman Perlman, 2008]. In der Schweiz werden zunehmend mehr Zahnarztzentren eröffnet, und gemäß den Ergebnissen aus der Bevölkerungsbefragung der Schweizerischen Zahnärztegesellschaft SSO im Jahr 2010, hat jeder fünfte Schweizer bereits einmal ein Zahnarztzentrum aufgesucht [Barras et al., 2010b].
Wertvorstellungen und zahnärztliches Handeln
Wertvorstellungen beeinflussen auch das zahnärztliche Tun, denn sie bestehen aus unseren globalen Überzeugungen und aus dem, was wir als wünschenswert erachten.
In einer amerikanischen Zahnärztebefragung mussten die Zahnärzte ausgewählte Eigenschaften der Wichtigkeit nach ordnen. Es war nicht verwunderlich, dass die Werte der Zahnärzte denjenigen der übrigen Bevölkerung ziemlich ähnlich waren, da beide Gruppen die gleiche Kultur oder die gleiche Umwelt hatten. Wichtige Werte für die Zahnärzte wie auch für die Bevölkerung waren die familiäre Sicherheit, der Selbst-respekt, das Glück und die Freiheit [Becker et al., 1996] (Tabelle 3). Die wichtigsten Eigenschaften für den Zahnarzt wie auch für die Bevölkerung sind anständiges und verantwortungsbewusstes Handeln. Für den Zahnarzt wichtig, und andererseits für die Bevölkerung eher unwichtig, sind seine Unabhängigkeit und seine fachlichen Fähigkeiten [Becker et al., 1996; Reid, 1976].
Interessanterweise unterscheidet sich der Zahnarzt von der übrigen Bevölkerung dadurch, dass er innere Harmonie, Gleich- gewicht und Vergnügen weitaus mehr gewichtet. Für ihn sind dagegen Werte wie eine schöne Welt, soziale Anerkennung, Seelenheil und nationale Sicherheit nicht besonders wichtig. Die Kompetenzwerte wie erfinderisch, unabhängig, intellektuell oder logisch werden durch den Zahnarzt weitaus stärker gewichtet als durch die übrige Bevölkerung. Dagegen werden die Werte, die das Gewissen betreffen, wie einwandfrei, vergebend, hilfreich und erlösend sein, von ihm weniger hoch eingestuft [Becker et al., 1996].
Schlussfolgerungen
Die erfolgreiche Behandlung von Zahnschmerzen und die Durchführung von präventiven Maßnahmen zur Förderung der Mundgesundheit gehören zu den zentralen Aufgaben aller Zahnmediziner. Wie andere Berufe auch, steht die Zahnmedizin unter einer Belastung durch die Öffentlichkeit. Zahnärzte stehen bei ihrer Arbeit unter dem Einfluss von vielen Umgebungsfaktoren, die in ihrer Gesamtheit das Image der Zahn- medizin beeinflussen können. In einem nachfolgenden Artikel (spätere Ausgabe) werden die Eigenschaften untersucht, die dem Idealbild des Zahnarztes entsprechen und somit einen guten Zahnarzt ausmachen können.
Dr. med. dent. Christoph A. Ramseier, MASZahnmedizinische Kliniken der Uni BernKlinik für ParodontologieFreiburgstr. 7CH-3010 Bernchristoph.ramseier@zmk.unibe.ch