Europäischer Drogenbericht 2014

Die neuen Rauschgifte

Der neue Drogenbericht für 2014 liefert ein durchwachsenes Bild des Rauschgiftkonsums in Europa. Ein Trend ist, dass immer mehr neue und offenbar immergefährlichere Designer-Drogen wie Crystal Meth konsumiert werden.

Im bisherigen Rekordjahr 2012 wurden 73 unbekannte Drogen entdeckt, teilte die EU-Drogenbeobachtungsstelle (EBDD) in ihrem in Lissabon veröffentlichten Jahresbericht mit.

Die Drogenproblematik in Europa gestalte sich „zunehmend komplex“, heißt es darin. Jeder vierte Europäer hat demanch schon einmal illegale Drogen eingenommen. Am häufigsten wird immer noch Cannabis konsumiert. Doch neue Rauschgifte drängen auf den Markt. EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström äußerte bei der Präsentation die Sorge, dass „die in Europa heute konsumierten Drogen möglicherweise die Gesundheit der Konsumierenden noch stärker schädigen“ könnten als früher.

Komplexere Situation durch vermischte Milieus

Laut den Autoren des Berichts ist die Gesamtlage relativ unverändert geblieben. Allerdings stellten sich auch weiterhin neue Herausforderungen: So verschwimme die bisherige Zweiteilung zwischen einer relativ kleinen Zahl hochgradig problematischer Drogenkonsumenten, die häufig Drogen injizieren, und einer größeren Zahl von Konsumenten im Freizeitmilieu und experimentellen Konsumenten zusehends. Zu beobachten sei eine neue, komplexere Situation mit zahlreichen Zwischenabstufungen. In der europäischen Drogenproblematik spiele Heroin heute eine geringere Rolle als in der Vergangenheit, während Stimulanzien, synthetische Drogen, Cannabis und Arzneimittel immer mehr an Bedeutung gewinnen würden.

Seit Einrichtung eines Frühwarnsystems im Jahr 1997 wurden der EBDD und Europol inzwischen mehr als 350 neue Drogen gemeldet. Seit einigen Jahren explodiert die Zahl neuer Drogen. 2008 verzeichnete die EBDD noch rund ein Dutzend neuer Substanzen. In den folgenden Jahren stieg die Zahl synthetischer Drogen stetig bis auf 73 im Jahr 2012 an. Der EBDD-Bericht unterstreicht zwar Erfolge im Bereich der „etablierten Drogen“ wie Heroin oder Kokain. Hier würden stabile und zum Teil rückläufige Trends bei Konsum und Verfügbarkeit registriert. Es kämen aber „neue Bedrohungen“ auf.

Fentanyl: Hundertmal stärker als Heroin

Besonders gefährlich seien die Heroinersatzmittel. Die Zahl der Todesfälle infolge des Konsums synthetischer Opioide steige. In drei Vierteln aller Fälle von tödlichen Überdosierungen (6 100 im Jahr 2012) seien Opioide nachgewiesen worden.

Die synthetischen Ersatzmittel sind oft pharmakologisch hoch aktiv. Als besonders gefährlich wird das synthetische Opioid Fentanyl betrachtet, das mindestens hundertmal so stark wie Heroin ist. Fentanyl ist ein Schmerzmittel und wird auch illegal hergestellt. Den Erkenntnissen zufolge wird es vor allem im Norden Europas immer mehr konsumiert. Das gilt demnach insbesondere für Estland, wo zuletzt die größte europäische Sterblichkeitsrate im Zusammenhang mit Überdosierungen (191 je 1 Million Einwohner) weit vor Norwegen (76 je 1 Million) registriert wurde. Es gebe Anzeichen dafür, so Malmström, dass zum Beispiel das auf der Straße verkaufte Ecstasy in der Wirkung immer stärker werde. Diese Feststellung trifft laut EBBD aber auch auf seit Langem verbreitete, vielkonsumierte „alte Drogen“ wie Cannabis – in Europa das meistgebrauchte Rauschgift – zu. „Hier wirken sich neue Herstellungsverfahren unmittelbar auf die Stärke der Cannabisharz- und Cannabiskrautprodukte aus“, heißt es.

Europa ist weltweit einer der wichtigsten Märkte für illegale Substanzen. In geringerem Umfang spielt es auch eine Rolle als Durchgangsstation für Drogen, die in andere Regionen befördert werden. Der Großteil der in Europa sichergestellten Funde stammt aus Lateinamerika, Westasien und Nordafrika. Europa ist außerdem Erzeugerregion für Cannabis und synthetische Drogen. Während die Cannabisproduktion in Europa fast ausschließlich für den lokalen Konsum bestimmt ist, werden synthetische Drogen zum Teil für den Export in andere Regionen hergestellt.

Zwei Drittel aller Sicherstellungen in der Europäischen Union entfielen im Jahr 2012 auf nur zwei Länder: Spanien und das Vereinigte Königreich. Eine geringere, allerdings nicht unerhebliche Zahl von Sicherstellungen wurde aus Deutschland, Belgien, Italien und vier nordischen Ländern gemeldet (siehe Grafik). Bei mehr als 80 Prozent aller Sicherstellungen in Europa handelt es sich um Cannabis – ein Indiz für die hohe Konsumprävalenz. An zweiter Stelle folgt Kokain, das etwa doppelt so oft sichergestellt wird wie Amphetamine oder Heroin. Die Zahl der Ecstasy-Sicherstellungen ist geringer, habe jedoch wieder zugenommen.

Eine relativ neue Entwicklung auf den europäischen Drogenmärkten ist die Verfügbarkeit „neuer psychoaktiver Substanzen“, die nicht von den internationalen Drogenkontrollabkommen erfasst werden. Meist außerhalb Europas produziert, können diese Substanzen vom Konsumenten im Online-Handel oder in Spezialgeschäften erworben werden. Diese Substanzen würden oft die irreführende Bezeichnung „Legal Highs“ tragen und werden mitunter auch auf dem Drogenmarkt weiterverkauft.

Crystal Meth als neue Herausforderung

Sowohl die Tschechische Republik als auch die Slowakei melden seit Längerem fest etablierte Methamphetamin-Konsummuster. Zwar belaufen sich die aktuellen Schätzungen des problematischen Drogenkonsums bei Erwachsenen (im Alter zwischen 15 und 64 Jahren) noch auf rund 0,42 Prozent in der Tschechischen Republik (2012) und 0,21 Prozent in der Slowakei (2007). Doch die Wirkungen des sogenannten Crystal Meth sind verheerend (siehe auch zm-tv auf zm-online „Tödliche Kristalle“ vom 25.02.2013). In jüngster Zeit wurden Anzeichen für problematischen Methamphetaminkonsum auch bei schwerabhängigen Drogenkonsumenten in einigen Regionen Deutschlands sowie in Griechenland, Zypern, Lettland und der Türkei gemeldet (siehe zm-Titel 03/2013). Crystal wird für gewöhnlich geschluckt oder geschnupft. Stark abhängige Konsumenten in einigen Ländern injizieren sich die Droge allerdings auch immer häufiger. Laut Bericht gibt es eine kleine Gruppe von Konsumenten, die die Kristalle rauchen.

Die Daten sprechen eine deutliche Sprache: Der Konsum von Amphetaminen und Methamphetaminen steigt langsam, aber sicher an. Auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler (CDU), sieht hier eine ernsthafte Herausforderung. „Noch ist der Konsum von Crystal Meth in Europa auf wenige Regionen beschränkt, in Deutschland ist dies die Grenzregion zu Tschechien“, erklärte Mortler in einer Stellungnahme. Man müsse alles tun, dass sich die Verbreitung nicht ausweite. Die deutsch-tschechische Zusammenarbeit im Kampf gegen Crystal Meth müsse daher weiter ausgebaut werden. So seien Informationen und Hilfsangebote für betroffene Konsumenten geplant. Das Präventionsgesetz für Drogen in Deutschland sei hier laut Mortler das richtige Mittel, um dem Konsum von legalen und illegalen Sucht-mitteln entgegenzuwirken.

Der komplette Drogenbericht ist auf der Website der Drogenbeauftragten der Bundes-republik zu lesen:www.drogenbeauftragte.de

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