Editorial
Liebe Leserinnen und Leser,
gesundheitliche Ungleichheiten in diesem Land spielen in den gesellschaftlichen Debatten immer wieder eine Rolle. So hat etwa vor einiger Zeit eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) gezeigt, dass in keinem Land der Eurozone die Unterschiede zwischen Arm und Reich so groß sind wie in Deutschland. Reich ist gesund, arm bleibt krank, berichtet auch die „Zeit“ („zeit online“, 2.4.2014) und geht auf die ungleiche Verteilung von Haus- und Facharztpraxen in Großstädten ein. Je höher die Kaufkraft eines Stadtviertels sei, desto mehr Ärzte gebe es. Wer arm sei, müsse lange warten oder weit fahren.
Es gibt viele Berichte und Studien zum Thema – die Botschaften indes sind gleich: Wer mehr Wohlstand und Bildung hat, ist gesünder als gesellschaftlich benachteiligte Menschen. Versorgungsforscher finden beim Thema Ungleichheiten nicht nur ein breites Feld für wissenschaftliche Betätigung, sie decken auch Handlungsbedarfe für Politik und Gesellschaft auf. Die Ärzteschaft beschäftigt sich schon lange intensiv mit dem Thema. Zum jüngsten Deutschen Ärztetag wurde jetzt ein neuer Band aus der Report-reihe Versorgungsforschung der gleich- namigen Initiative der Bundesärztekammer (BÄK) präsentiert. Darin geht es um Prävention und deren Wirksamkeit und Stellenwert in der Gesundheitsversorgung. Auch die Erfolge und Herausforderungen der zahnmedizinischen Prävention kommen darin zur Sprache, die Ansätze und Organisationsformen werden als eine mögliche Blaupause für andere Gesundheitsbereiche skizziert.
Die Titelgeschichte in diesem Heft greift den Ausgleich von sozialen Ungleichheiten in der Mundgesundheit auf und fokussiert einen neuen Zugang zur Problemlösung: den Ansatz der gemeinsamen Risikofaktoren. Trotz der allgemeinen Verbesserungen beim Kariesbefall und beim Zahnverlust bleiben immer noch Risikogruppen, die durchs Raster fallen und die durch die herkömmlichen Präventionsmethoden nicht aufgefangen werden können. Es reicht jedoch nicht, bei diesen Gruppen die Ursachen in den individuellen Risikofaktoren und in der Lebensführung zu suchen. Vielmehr gibt es auch soziale, wirtschaftliche und umweltbedingte Faktoren, die zu einem gesundheitsgefährdenden Verhalten führen – alles Faktoren, die sich außerhalb der Kontrolle der betroffenen Menschen befinden. Ein Problemfeld, mit dem die Zahnärzte nicht allein da stehen, sondern das auch im ärztlichen Bereich bei den chronischen Erkrankungen aufschlägt.
Der Gemeinsame Risikofaktorenansatz zeigt, dass es deutliche Überschneidungen zwischen der Zahnmedizin und anderen Gesundheitsbereichen gibt. Eine Vielzahl von Problemen sind nicht unbedingt spezifisch für den zahnärztlichen Sektor. Umso wichtiger ist es, dass die Zahnmedizin auch in allen gesundheitspolitischen Bereichen, in denen Lösungsansätze gesucht und gefunden werden, mit im Boot ist. Denn: Die Mundgesundheit sollte in die Empfehlungen und Programme zur Allgemeingesundheit mit aufgenommen werden.
Mit freundlichen Grüßen
Gabriele PrchalaStellvertretende Chefredakteurin