Experimente mit der Forschung
Bis heute fehlt laut DFG für viele Erkrankungen, wie die altersbedingten, die sogenannten Zivilisationskrankheiten, die meisten psychischen Störungen, aber auch für viele seltene Erkrankungen, das nötige Grundlagenwissen, um ihnen gezielt und effektiv entgegentreten zu können. Ähnliches gelte für die immer wieder auftretenden Bedrohungen durch Infektionskrankheiten. Um das alles zu bewältigen, sei eine funktionierende universitäre Medizin unverzichtbar. Allerdings gebe die Entwicklung in Deutschland in den vergangenen zehn Jahren Anlass zur Sorge, so der Tenor in dem Papier der Ständigen Senatskommission für Grundsatzfragen in der Klinischen Forschung der DFG.
Die Stellungnahme wurde gerade rechtzeitig vor der am 12. Juni stattfindenden Ministerpräsidentenkonferenz an Bundesministerin Wanka, die Ministerpräsidenten der Länder, das Bundesministerium für Gesundheit, das Bundeskanzleramt sowie die zuständigen Landesministerien für Gesundheit und Wissenschaft verschickt.
Ökonomisches Paradigma
Kern der Kritik: Strukturelle Veränderungen mit einem stark bertriebswirtschaftlichen Fokus in der Patientenversorgung wirkten sich negativ auf die klinische Forschung aus. So fehle es Ärzten wegen betriebswirtschaftlich bedingter Aufgabenverdichtung in der Krankenversorgung an den Universitätsklinika an Zeit für translationale und klinische Forschung und die vertiefte wissenschaftliche Auseinandersetzung mit Krankheiten und ihren unterschiedlichen Verläufen.
Zudem moniert die Komission, dass klinische Forschungsschwerpunkte mehr und mehr aufgrund ihres wirtschaftlichen Potenzials gewählt würden. Auch hinsichtlich der Personalentscheidungen in der Universitäts-medizin träten wissenschaftliche Kriterien zunehmend in den Hintergrund.
Für Grundlagen- und krankheitsorientierte Forschung im engen Verbund mit der Klinik gebe es zu wenig Räume. Da Baumaßnahmen und Geräteinvestitionen in der universitären Medizin inklusive der klinischen Forschung mittlerweile Länderangelegenheit sind, werde hier wegen knapper Kassen „auf Sparflamme gekocht“. Zusätzlich schreibt die Schuldenbremse in den Länderverfassungen vor, dass deren Haushalte ab 2020 strukturell ausgeglichen sein müssen. Kein guter Zeitpunkt also für große staatliche Investitionen.
Vier Forderungen
Weil das Bundesministerium für Bildung und Forschung die Deutschen Zentren für Gesundheitsforschung für einige wesentliche Volkskrankheiten etabliert hat, führe das zu einer Forschungsprogrammatik. Damit gingen Ideen verloren, die das Potenzial hätten, wesentlich zum Verständnis von Krankheitsprozessen und neuen Behandlungsmöglichkeiten beizutragen.
Vor dem Hintergrund dieser Beobachtungen hat die DFG-Komission Forderungen verabschiedet: So sollten aktive Forschungszeitfenster für Ärzte sichergestellt werden. Mit Blick auf den wissenschaftlich-ärztlichen Nachwuchs impliziere dies auch adäquate Maßnahmen zur Anerkennung von Forschungszeiten für die Facharztausbildung durch die Landesärztekammern. Zudem müsse eine angemessene Forschungsinfrastruktur aufrechterhalten und ausgebaut werden. Klinische Forschung an Universitätsklinika könne nur in zeitgemäßen, funk- tionellen Gebäuden erfolgreich sein. Hier müsse der Bund einspringen, wo die Länder zu schwach sind. Eine dritte Forderung: Erkenntnisgeleitete und programmunabhängige Forschung soll gefördert und anerkannt werden. Schließlich plädiert die Komission für die Einführung eines Systemzuschlags für klinische Leistungen.
„Die DFG beschreibt zutreffend die Nöte der Universitätsmedizin. Wir begrüßen daher ihre Forderung nach einem Systemzuschlag zur Sicherung der Hochschulmedizin in Deutschland“, reagierte Prof. Michael Albrecht, Erster Vorsitzender des Verbands der Universitätsklinika in Deutschland. Ob die Politik auch reagiert, wird sich zeigen.