Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen

Null Toleranz

Ein neues Gesetzgebungsverfahren steht vor der Tür – die Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen soll neu geregelt werden. Ein entsprechender Referentenentwurf aus dem Bundesjustizministerium soll voraussichtlich gegen Ende des Jahres vorliegen. Auch Ärzte und Zahnärzte sind tangiert. Derzeit befinden sich Politik, Experten und Verbände im Prozess der Meinungsbildung. Hier eine Zusammenfassung von Genese und Sachstand.

Korruption im Gesundheitswesen ist ein Thema, das schon seit Langem in Politik und Öffentlichkeit heiß und kontrovers diskutiert wird. Nun kommt erneut Bewegung in die Debatten: Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) hat auf einem Fachforum am 8. September 2014 in Berlin mit den Vorbereitungen zu einem Gesetzesentwurf begonnen. Vertreter unterschiedlicher Heilberufsgruppen, der Pharmaindustrie und der Strafverfolgungsbehörden waren geladen.

Der Parlamentarische Staatssekretär beim Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz, Christian Lange, verwies auf einen Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH) im Jahr 2012, in dem Folgendes entschieden wurde: Niedergelassene Vertragsärzte fallen nicht unter die derzeit geltenden Regelungen der Bestechlichkeit – und die Geberseite damit nicht unter die der Bestechung –, wenn sie Zuwendungen von Pharmaunternehmen für die Verordnung bestimmter Medikamente annehmen. Lange: „Der Ruf nach dem Gesetzgeber war deutlich zu hören.“

Lange verwies auf den Koalitionsvertrag der rot-schwarzen Koalition. Dort sei vereinbart, dass ein Straftatbestand der Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen geschaffen werden soll. Mit dem Fachforum wolle man jetzt einen neuen Weg der Gesetzgebung gehen und die betroffenen Gruppen und Verbände frühzeitig einbinden.

Künftig solle das Geben und Nehmen von Vorteilen für heilberufliche Entscheidungen strafbar sein, und zwar für alle im Gesundheitswesen Tätigen, sagte Lange auf der Veranstaltung. Man wolle kein „lex Ärzte“ schaffen und man wolle auch in Zukunft die erwünschte und für alle Seiten wichtige Zusammenarbeit von Angehörigen der Heilberufe und Pharma-unternehmen nicht unter Strafe stellen.

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, Annette Widmann-Mauz, hob in ihrem Grußwort den starken politischen Auftrag zur Schaffung eines Korruptions-Straftatbestands hervor. Die politische und fachliche Diskussion sei nicht zuletzt aufgrund der Gesetzesentwürfe aus der vergangenen Legislaturperiode bereits weit fortgeschritten. Es gebe einen breiten Konsens über die Schutzwürdigkeit von Patientenwohl, GKV-Finanzen und redlicher Leistungserbringung. Nunmehr sei die Diskussion auf konkrete Detailfragen zu richten wie etwa das Strafmaß, die Ausgestaltung, die Reichweite und die Abgrenzung zu berufsrechtlichen Belangen.

Als Fazit der Veranstaltung kann festgehalten werden, dass es nicht mehr um das „Ob“, sondern um das „Wie“ eines geplanten Straftatbestands geht. Unabhängig von der Frage der Notwendigkeit scheint es erklärter politischer Wille zu sein, einen Straftatbestand zu schaffen.

Auf Länderebene liegt inzwischen eine Gesetzesinitiative zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen vor, und zwar in Bayern. Dort dockt man an einen in Hamburg ausgearbeiteten Gesetzesvorschlag für den Bundesrat an, der in der vergangenen Legislaturperiode nicht mehr realisiert wurde.

Geplant sind unter anderem Schwerpunktstaatsanwaltschaften, bei denen die strafrechtliche Verfolgung von Korruptions- und Vermögensdelikten bei akademischen Heilberuflern im Zusammenhang mit der Berufsausübung konzentriert werden soll.

BGH als Auslöser

Auslöser der in der Öffentlichkeit breit geführten Debatten zum Thema war die von Staatssekretär Lange auf dem Fachforum zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, AZ: GSSt 2/11, 5 StR 115/11) vom 29. März 2012. Der BGH hatte entschieden, dass sich niedergelassene Kassenärzte, die für die Verordnung von Arznei- mitteln Geschenke oder Vergünstigungen von Pharma-Unternehmen annehmen, nicht wegen Bestechlichkeit strafbar machen. Eine solche Strafbarkeit hätte vorausgesetzt, dass ein Kassenarzt als Amtsträger oder Beauftragter der Krankenkassen tätig ist. Beides sei nicht der Fall, so die Bundesrichter.

Die fehlende Strafbarkeit hatte sich im kollektiven Gedächtnis – in der Politik, in den Medien und in der Bevölkerung – als „Gesetzeslücke“ festgesetzt und mündete in einen längerfristigen Prozess. Der Ruf nach schärferen Gesetzen zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen wurde laut. Die Politik sieht dringenden Handlungsbedarf und entwickelt seitdem verschiedene Lösungsvorschläge, um diese Lücke zu schließen.

So hatte etwa der damalige Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr, FDP, in einer Aktuellen Stunde im Deutschen Bundestag im Juli 2012 angekündigt, den Richterspruch gründlich auszuwerten. Dazu zähle auch die Frage, ob bestimmte Verbote strafbewehrt sein sollten. Er unterstrich, dass es bereits zahlreiche Regelungen gegen Korruption gebe. Bahr verwies zugleich auf die Freiberuflichkeit von Ärzten als hohes Gut für den Patienten. Aus Oppositionskreisen verlautete damals bereits die Forderung nach einer Regelung im Strafgesetzbuch.

Anhörung im Bundestag

Im Zuge dieser Entwicklungen stellten sich in der Politik letztlich zwei Positionen zur Befassung mit dem Thema Korruption auf:

• Regelung im Sozialgesetzbuch (SGB V)?

• oder: Regelung im Strafgesetzbuch (StGB)?

Die ehemalige schwarz-gelbe Bundesregierung hatte im März 2013 die Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen („Anti-Korruptions-Gesetz“) an ihren Entwurf zum Präventionsgesetz angedockt. Verbände aus dem Gesundheitswesen waren am 17. April 2013 in den Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages geladen. Anlass waren Anträge aus der Opposition, Bestechung und Bestechlichkeit im Gesundheitswesen ins Strafgesetzbuch aufzunehmen. Tage zuvor hatte Bahr seine Pläne bekannt gegeben, eine Strafvorschrift zu schaffen, die ins SGB V aufgenommen werden sollte. Im Sommer legte schließlich der Bundesrat (mit einem Antrag der Länder Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Rheinland-Pfalz) den Entwurf einer Strafrechtsänderung zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen vor. Damit sollte ein neuer Straftatbestand Bestechlichkeit und Bestechung im Gesundheitswesen im Strafgesetzbuch (StGB) eingeführt werden.

Sowohl das Präventionsgesetz als auch die Bundesratsinitiative sind wegen der auslaufenden Legislaturperiode von Schwarz-Gelb nicht mehr realisiert worden.

Keine Toleranz

Anlässlich dieser Anhörung hatten KZBV und BZÄK ihre Stellungnahmen abgegeben, die dem Tenor nach auch heute noch ihre Gültigkeit haben (siehe dazu zm 9/2013, S. 18-19). Die Haltung der zahnärztlichen Berufsverbände ist eindeutig: Es gilt die Devise „Null Toleranz“ jenen Zahnärzten gegenüber, die sich nicht an diese gesetzlichen und berufsrechtlichen Vorschriften halten. Korruptives Verhalten untergrabe das erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Zahnarzt. Daher sei es ureigenste Aufgabe der Zahnärzteschaft, solche Verhaltensweisen aus dem Berufsstand heraus selbst zu bekämpfen.

Sanktionsmaßnahmen

Die BZÄK unterstrich in ihrer Stellungnahme zur Anhörung explizit die Regelungen der Musterberufsordnung. Dort sei als allgemeine Berufspflicht festgehalten, dass dem Zahnarzt nicht gestattet ist, für die Verordnung, die Empfehlung oder den Bezug für Patienten von Arznei-, Heil- oder Hilfsmitteln sowie Medizinprodukten eine Vergütung oder sonstige vermögenswerte Vorteile für sich oder Dritte versprechen zu lassen oder anzunehmen.

Auch sei es Zahnärzten nicht gestattet, für die Zuweisung und Vermittlung von Patienten ein Entgelt zu fordern oder andere Vorteile sich versprechen oder gewähren zu lassen oder selbst zu versprechen oder zu gewähren.

Die Länderkammern hätten einen durchsetzbaren Auskunftsanspruch gegen ihre Kammermitglieder, es stünden auch durch die jeweiligen Kammer- und Heilberufsgesetze der Länder effiziente Sanktionsmaßnahmen zur Verfügung, um je nach Schwere das Fehlverhalten einzelner Mitglieder zu sanktionieren.

Korruption im Gesundheitswesen sei durch die berufsrechtlichen Institutionen zu ahnden, betonte die BZÄK in ihrer damaligen Stellungnahme weiter. Nach ihrer Auffassung sei jedoch die Schaffung eines Straftatbestands auch für Zahnärzte nicht erforderlich.

Dass die bestehenden Regelungen des Berufsrechts und des SGB V ausreichen, habe sich bereits in juristischen Verfahren bewiesen. Hierbei sind auch eigene Ermittlungen und Sanktionsverfahren erfolgt, worauf es auch zu strafrechtlichen Verurteilungen, Entziehungen der Zulassung und Entziehungen der Approbation gekommen sei.

Die KZBV wies in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass generell eine Abwägung gefordert sei, inwieweit ein bestimmtes Verhalten zu sanktionieren sei und inwieweit hierfür die Mittel des Strafrechts und die am weitesten gehenden Eingriffsmöglichkeiten des Staates in die Freiheitsrechte des Bürgers erforderlich seien. Nicht jegliches Verhalten sei von vorneherein sanktionsbedürftig.

In der vertragszahnärztlichen Versorgung erfolge zudem bereits eine lückenlose Überwachung der Leistungserbringung und -abrechnung durch die KZVen und die Krankenkassen, etwa im Rahmen der Überprüfung von Abrechnungen sowie der Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren. Zudem werde die Einhaltung der vertragszahnärztlichen Pflichten ebenfalls engmaschig durch die KZVen überwacht. Diesen kämen bereits weitreichende Disziplinarbefugnisse zu. Wesentlich weitergehender sei die Möglichkeit der Zulassungsentziehung, die für den Vertragszahnarzt angesichts der Tatsache, dass über 90 Prozent der Bevölkerung in Deutschland gesetzlich krankenversichert sind, einem Berufsverbot gleichkomme. Die bereits existierenden Sanktionsmöglichkeiten gingen in ihrem Ausmaß über die geforderten strafrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten deutlich hinaus.

Verbesserungspotenzial

In den Stellungnahmen wurde auch die Zusammenarbeit der Körperschaften mit Strafverfolgungsbehörden thematisiert. So wies die BZÄK darauf hin, dass in der Zusammenarbeit dieser Behörden mit den Zahnärztekammern Missstände bestünden. Die geltenden Vorschriften über die Anordnungen von Mitteilungen in Strafsachen (MiStra) würden von den zuständigen Strafverfolgungsbehörden nicht ausreichend angewendet beziehungsweise seine nicht ausreichend. Ein wiederkehrendes Problem sei, dass die Kammern von den Behörden nicht ausreichend informiert werden. Würden Sachverhalte mit berufsrechtlichem Bezug bei der Staatsanwaltschaft zur Anzeige gebracht, würden die bestehenden Möglichkeiten zur Mitteilung teilweise nicht ausreichend ausgeschöpft.

Nach den vorliegenden Erfahrungen der KZVen sei die Zusammenarbeit mit den zuständigen Staatsanwaltschaften verbesserungsfähig, betont die KZBV in ihrer Stellungnahme. In der Praxis würden Hinweise von KZVen auf eventuell strafrechtsrelevantes Verhalten von Vertragszahnärzten von den Staatsanwaltschaften zum Teil erst nach längerer Zeit aufgegriffen. Die dann eingeleiteten Ermittlungsverfahren seien aus Sicht der KZVen zum Teil unbefriedigend und es erfolge auch nicht immer eine zeitnahe Information der KZVen über eingeleitete Maßnahmen, insbesondere über verfahrensabschließende Entscheidungen. Vor der Einführung neuer Strafnormen sollte daher zunächst die Überwachung der bereits bisher bestehenden Normen sowie die tatsächliche Sanktionierung des durch diese pönalisierten Verhaltens verbessert werden.

Beschlüsse gefasst

Die Vertreterversammlung der KZBV griff das Thema im November 2013 in Frankfurt auf. Sie lehne jegliche Form von korruptivem Verhalten im Gesundheitswesen strikt ab, heißt es in einem Beschluss. Ein solches Verhalten untergrabe das für jede Behandlung erforderliche Vertrauensverhältnis zwischen Patient und Zahnarzt und könne zudem die Qualität beziehungsweise die Wirtschaftlichkeit der Behandlung beeinträchtigen. Nach den Berufsordnungen der (Landes-)Zahnärztekammern sei es Zahnärzten verboten, Vorteile anzunehmen oder zu gewähren. Verstöße gegen dieses Verbot würden durch die Zahnärztekammern und Kassenzahnärztlichen Vereinigungen konsequent geahndet. Einer besonderen strafrechtlichen Gesetzgebung für die Heilberufe bedürfe es nicht.

Die Versammlung stellte fest, dass die Verankerung eines Straftatbestands im SGB V in jedem Fall der falsche Weg sei. Ein Spezialstraftatbestand nur für Vertragszahnärzte beziehungsweise Leistungserbringer im Rahmen der GKV sei auch unter Gleich- behandlungsgesichtspunkten abzulehnen. Für den Bereich der vertragszahnärztlichen Versorgung sehe die KZBV generell keine Notwendigkeit für die Einführung spezieller Korruptionsstraftatbestände. Der Berufsstand übernehme bereits die Verantwortung, die die Öffentlichkeit erwartet.

Auf der BZÄK-Bundesversammlung vergangenen November in Frankfurt wurde das Thema ebenfalls intensiv diskutiert. Die BZÄK sieht keine Notwendigkeit für Sonderstraftatbestände für Heilberufler, heißt es in einem Beschluss. Korruption im Gesundheitswesen werde bereits heute durch eine Vielzahl von Regelungen unter Strafe gestellt, zum Beispiel durch die Berufsordnungen für Ärzte und Zahnärzte, die Bundesärzteordnung, das Sozialgesetzbuch V (§ 73 und § 128), das Arzneimittelgesetz (§ 67), das Heilmittelwerbegesetz oder auch das Gesetz gegen unlauteren Wettbewerb. Fehlverhalten könne bis zum Entzug der Approbation führen. Mit Entschiedenheit wies die Bundesversammlung Medienberichte im Zusammenhang mit der BGH-Entscheidung zurück, wonach die Bestechung von Ärzten erlaubt sei. Soweit der Gesetzgeber über die bestehenden Regelungen hinausgehende strafrechtliche Maßnahmen erwäge, sei sicherzustellen, dass dabei kein Sonderstrafrecht für Heil- berufe geschaffen wird. Korruption sei ein gesamtgesellschaftliches Problem, das nicht nur den Gesundheitssektor, sondern auch andere Bereiche wie Wirtschaft und Politik erfasse.

Auf der Agenda

Auf Basis der der Stellungnahmen von 2013 und ihrer Beschlüsse in den Versammlungen werden KZBV und BZÄK ihre Positionen weiterentwickeln. Anlässlich des Deutschen Zahnärztetages vom 5. bis zum 7. November 2014 in Frankfurt werden die Delegierten in der KZBV-Vertreterversammlung und in der BZÄK-Bundesversammlung beraten und politische Beschlüsse verabschieden. Im Fokus wird dabei der Schutz der vertrauensvollen Zahnarzt-Patienten-Beziehung als Voraussetzung jeder zahnärztlichen Behandlung stehen.

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