Unkooperative Kinder in der Zahnarztpraxis

Werkzeugkasten für Behandler

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Unkooperative Kinder haben ihre Gründe, warum sie eine Zahnbehandlung verweigern. Wer sie behandeln möchte, sollte auch mal die Perspektive wechseln. Schnell wird dann mitunter klar, dass es nur das gleißende Licht in der Praxis ist, was das Kind einschüchtert. Eine Spurensuche.

Kleine Kinder haben zu Beginn ihrer „Zahnarztkarriere“ weder gute noch schlechte Erfahrungen. Das bedeutet auch, sie haben keine Vorurteile und setzen von sich aus nichts Negatives voraus. Nutzt das Behandlungsteam diese gute Ausgangslage, kann es langfristig eine positiv besetzte Beziehung zum zunächst kindlichen Patienten aufbauen, der dann zum erwachsenen Patienten heranreift. Ist aber das Verhältnis des Kindes zum Zahnarzt aus diversen Gründen bereits frühzeitig gestört, so kann durch vertrauensfördernde Maßnahmen, konkret über ritualisiertes Verhalten, interveniert werden.

Vom guten Rapport ...

Es beginnt schon damit, wie Eltern ihrem Kind den Besuch in der Praxis ankündigen. Statt „Morgen gehst Du zum Zahnarzt!“ ist es zielführender, wenn die Eltern den Namen des Behandlers verwenden. Etwa: „Morgen besuchen wir die Frau Müller.“ So verbindet das Kind mit dem Praxisbesuch zunächst einmal einen Menschen. Zudem bietet es sich an, von einer Verabredung zu sprechen und nicht von einem Termin. Die erste Formulierung hat einen freundschaftlich verbindlichen Charakter und ist wichtig für den Aufbau des „Rapports“. Der Begriff kommt aus dem Französischen, wird in der Hypnosesprache verwendet und bezeichnet eine vertrauensvolle, von wechselseitiger empathischer Aufmerksamkeit getragene Beziehung zwischen zwei Menschen. Ein guter Rapport ist die Basis für eine erfolgreiche (Kinder-)Behandlung.

Reagiert das Kind dann in der Praxis aus zunächst unerfindlichen Gründen irritiert, lohnt es sich mitunter, einmal seine Perspektive einzunehmen. So kann sich beispielsweise herausstellen, dass eine grell blendende Lampe, ein Furcht einflößender Gegenstand auf der Anmeldung oder aber der Geruch in der Praxis das Kind bereits einschüchtert. Im Behandlungszimmer angekommen gilt es, keine Fluchtwege zu versperren. Gerade unkooperative Patienten sollten stets gefragt werden, ob die Zimmertür geschlossen werden kann.

Nach einer kurzen Zeit zum Orientieren, darf sich der Patient auf den Stuhl setzen. Der Behandler ist gut beraten, wenn er das Kind selbst die Liege herunterfahren lässt. So fühlt es sich nicht ausgeliefert. Dies sollte auch deshalb geschehen, weil das Öffnen des Mundes vor einem zunächst fremden Menschen aus psychologischer Sicht ein Wagnis darstellt: Denn evolutionär betrachtet lehnt der Mensch die Darbietung seiner Kehle instinktiv ab – dies gilt umso mehr für Kinder, die stark instinktgesteuert handeln.

Sensible Behandler finden dann heraus, ob das Kind überhaupt berührt werden möchte. Möchte es dies nicht, sollte man den Wunsch des Kindes akzeptieren und es nur nahezu berühren, bis es schließlich bereit dafür ist. Im Zweifel kann die Sitzung hier beendet und vertagt werden.

Manche Kinder bekommen einen Würgereiz. Es ist nicht ratsam, diesen unter allen Umständen abzustellen – das verstärkt den Reiz nur zusätzlich. Besser ist es, den Reiz willkommen zu heißen und gemeinsam zu wetten, wie viele wohl noch kommen werden. Kinder müssen tendenziell auch weniger würgen, wenn sie einen Eimer oder Ähnliches in der Hand halten.

Wenn Mitarbeiter der Praxis durch laute Geräusche oder andere Faktoren den Rapport zwischen dem Kind und dem Behandler stören, gibt es einen Weg, um die Verbindung aufrechtzuerhalten: das „über die Bande sprechen“. Konkret bedeutet das, über das Kind eine Mahnung an den Störenden zu formulieren: „Wenn die Sabrina nicht so einen Krach machen würde, könnten wir den Zahn noch besser behandeln“, könnte der Behandler etwa sagen.

... bis zum Körperanker

Um die langfristige positive Beziehung zum Kind zu sichern, ist es mitunter essenziell, die Sitzung zu beenden und einen Termin für eine neue Verabredung zu vereinbaren. Dies trifft auf jeden Fall dann zu, wenn ein schwelender Konflikt mit den Eltern eskaliert oder aber wenn das Kind keine Kraft mehr für die Behandlung hat. War die Behandlung nicht erfolgreich, sollte das Kind aber dennoch dafür gelobt werden, was lobenswert ist. Wenn es bereit für eine neue Sitzung ist, kann eine neue Verabredung getroffen werden.

War die Sitzung aber erfolgreich, kann ein sogenannter Körperanker überreicht werden. Das kann zum Beispiel ein Tattoo sein oder ein Ring oder auch ein Armband. Der Begriff kommt aus dem Mentaltraining. Über den Anker soll eine positive Assoziation mit einem Moment, hier dem Besuch beim Zahnarzt, hergestellt werden.

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