Einsätze auf Augenhöhe
Vor sieben Jahren lud ein Düsseldorfer Verein ein, nach Myanmar zu reisen und dort in Klosterschulen, Waisenhäusern und einer französischen Ambulanz kostenlose zahnärztliche Behandlung und Gesundheitserziehung anzubieten. Nach dieser Reise wurde 2010 wiederum der Verein „Deutsch-Myanmarische Arbeitsgruppe für soziale Zahnmedizin und Gesundheitsförderung“ gegründet, der die Zusammenarbeit mit den burmesischen Kollegen, zugleich aber auch anderen mit Gesundheit befassten Organisationen einschließt. In der Regel sind Mitglieder des Vereins acht bis zehn Wochen vor Ort, mittlerweile arbeiten sie mit weiteren deutschen Zahnärzten zusammen, so dass ein längerer Arbeitseinsatz möglich ist.
Ausbildungsordnung nach englischem Maßstab
In einem fremden Land zu arbeiten heißt auch, sich intensiv mit der Geschichte, Kultur, Gesellschaft und Politik zu beschäftigen.
Das Land war von 1885 bis 1948 eine britische Kolonie mit teils bis heute geltenden Gesetzen. Die zahnmedizinische und medizinische Ausbildung erfolgt deshalb auch immer noch nach der englischen Ausbildungsordnung. Fast alle Veröffentlichungen des Gesundheitsministeriums sind in englischer Sprache. Die Behörde hat eine ausführliche Webseite mit den Gesundheitsdaten, aber auch mit der Gesundheitsplanung, den Gesundheitszielen und Kooperationspartnern, wie etwa der WHO oder der Weltbank. Die großen Krankheiten wie Malaria und Tuberkulose stehen an erster Stelle der Bekämpfung. Im Kinder- und Jugendbereich stehen die Impfprogramme, Hygiene und gesundheitliche Aufklärung im Vordergrund. Mundgesundheit und zahnmedizinische Versorgung sind in den Gesundheitsberichten nicht erwähnt, können aber in der Zielgruppe „Schulgesundheit und Jugendgesundheit“ eingeordnet werden. Der Einsatz von Präventionsprogrammen in Schulen unterliegt dem Erziehungsministerium, das Gesundheitsministerium erstellt diese Programme gemeinsam mit der Myanmar Dental Association (MDA). Deshalb hat der Verein seine Unterrichtsmaterialien auch der MDA zur Genehmigung vorgelegt. Die Anzahl der in Myanmar praktizierenden Zahnärzte ist weiterhin sehr gering. Laut Statistik arbeiten 2 770 Zahnärzte davon 774 in Staatsdiensten für die etwa 55 Millionen Einwohner. Die Versorgung in den Städten ist relativ gut. Da aber circa 70 Prozent der Bevölkerung auf dem Land lebt, ist dort nur eine sehr geringe bis fast keine Versorgung gewährleistet.
Certificate of good standing wird erwartet
Ein Arbeitseinsatz in Myanmar setzt eine längere Vorbereitung voraus. Deshalb fährt die Autorin immer ein zweites Mal im Jahr nach Myanmar um in Vorbesprechungen die zukünftigen Einsätze zu planen. Das entsprechende Ministerium verlangt vollständige Unterlagen mit Approbationsurkunde, Lebenslauf, Passkopie und einem „Certificate of good standing“ der zuständigen Zahnärztekammer in Deutschland, die bescheinigt, dass der Antragsteller berechtigt ist die Zahnheilkunde auszuüben und gegen ihn keine Klagen vorliegen. Dieser Prozess dauert in der Regel einige Monate, danach wird eine zeitlich begrenzte Arbeitsgenehmigung erteilt. Alle Arbeitseinsätze müssen also sorgfältig geplant werden und können nicht spontan angetreten werden. Dank der tatkräftigen Unterstützung durch Oliver Esser Soe Thet und seiner Frau Khin Khet Khet Kaing ist der Verein mittlerweile bei den Ministerien für Gesundheit und Social Welfare gut bekannt. Man schätzt die Arbeit und somit bekommen Vereinsmitglieder die Arbeitsgenehmigungen problemlos.
Kein Arbeitsantritt ohne örtliche Genehmigung
Wie in allen anderen Ländern weltweit sollte man nicht versuchen, ohne eine Genehmigung in Myanmar zu arbeiten. Das „Myanmar Dental Council Law“ von 2011 regelt alle Vorschriften über eine Tätigkeit im Land. Weiterhin fordert die Weltgesundheitsorganisation (WHO) in ihrem Bericht von 2011 auch, dass finanzielle Unterstützung und Spenden nicht an der Regierung vorbei direkt Einrichtungen zur Verfügung gestellt werden sollten, weil dieses Vorgehen das im Neuaufbau noch sehr fragile Gesundheitssystem schwächen könnte. Außerdem könnte es zu parallelen Strukturen führen, die nicht den nationalen Normen und Standards entsprächen. Man ist also gut beraten, wenn man die gesetzlichen Regeln kennt und auch entsprechend beachtet.
Im Januar 2010 hatten die Mitglieder des Vereins bereits mit der myanmarischen Fachgesellschaft „Myanmar Dental Association“ (MDA) Kontakt aufgenommen. Man wurde sehr freundlich empfangen und hatten Gelegenheit viel über die Struktur und den Aufbau der zahnmedizinischen Versorgung zu erfahren. Seit dieser Zeit besteht regelmäßig Kontakt mit Kollegen und dem MDA-Vorstand. Gesprächspartner sind Dr. Aung Than, der stellvertretende MDA-Vizepräsident und Leiter der Abteilung „Public Health“, sein Assistent Dr. Kin Zaw und Prof. Saw Tun Aung, der die Abteilung für präventive Zahnmedizin an der Universität in Yangon leitet. Dr. Aung Than ist mittlerweile auch Mitglied des deutschen Vereins. Neben zahnmedizinischen Themen wird in den Gesprächen auch über die Strategien der öffentlichen Gesundheit in der Zahnmedizin diskutiert, wobei man viel über landesspezifische Besonderheiten lernt.
Kooperationspflicht mit burmesischen Zahnärzten
Wenn der Verein kleinere Arbeitseinsätze, etwa in Kliniken plant, ist er verpflichtet, mit burmesischen Zahnärzten zusammenzuarbeiten. Sie werden in der Regel vom Dental Council zugeteilt. Es ist aber auch denkbar, bereits bekannte Zahnärzte zu einem Einsatz einzuladen.
Die MDA und auch das Dental Council organisieren regelmäßig Einsätze in entlegene Gebiete, um die Bewohner dort zu versorgen. Diese Gruppen umfassen 20 und mehr Zahnärzte.
Myanmar ist heute ein Land im stetigen Wandel. Wirtschaftliche und soziale Veränderungen werden langfristig auch eine Änderung des Konsumverhaltens und des allgemeinen Lebensstils bewirken. Schon heute lassen sich die Unterschiede zu den Vorjahren beobachten.
Köcheverband steht mit dem Verein in Verbindung
Eine besonders wichtige geschlossene Kooperation ist die Zusammenarbeit mit der Myanmar Chefs Association (MCA). Denn Lebensstil und Ernährung sind eng miteinander verbunden. Die Vereinsmitglieder wollten, gemeinsam mit dem burmesischen Köcheverband unter dem Präsidenten Oliver Esser Soe Thet, neue Ideen zu einer gesunden Ernährung entwickeln. Die burmesische Küche hat immer sehr viele Anregungen aus den Nachbarländern in die eigene Küche integriert und ist sehr aufgeschlossen gegenüber neuen Trends. Süße Getränke und Snacks sind bei den Kindern sehr beliebt und bilden eine preiswerte und schnelle Zwischenmahlzeit. Besonders in den Städten sind diese Dinge leicht an jeder Ecke zu bekommen und verdrängen bereits die Erzeugnisse der traditionellen kleinen Garküchen. Die MCA arbeitet seit vielen Jahren auch im sozialen Bereich, wie etwa in Waisenhäusern oder Zentren für Straßenkinder. Deshalb ist sie sehr gut mit den Essgewohnheiten und Vorlieben der Kinder vertraut. Eine breite Kampagne soll schon demnächst Eltern, Erzieher und Lehrer stärker darauf hinweisen, dass frisches Gemüse, Salate und Obst den Kindern besser bekommen und gesünder sind. Zu diesem Zweck hat der deutsche Verein einen kleinen Koch mit Namen „Peter“ entwickelt, der diese Gesundheitstipps verbreitet. Er wurde bereits jetzt erfolgreich in einer noch auszustrahlenden mehrwöchigen Kochshow im Myanmar Fernsehen (MRTV4) eingesetzt.
Im Training der jungen Köche in Myanmar wird sehr auf eine gesunde Ernährung hingewiesen und auch hier wird das Maskottchen als Symbol für Gesundheitserziehung in der Ernährung verwendet. Die MCA wird den Koch „Peter“ auf ihrer Webseite als Symbol für Kinderernährung aufnehmen und hat schon länger mit Plakaten in sozialen Einrichtungen für eine gesunde Ernährung geworben. Weiterhin ist eine Kampagne mit einem großen Supermarkt geplant, der besonders auf gesunde Produkte hinweisen wird. Ebenfalls geplant: Ein Kinder-Kochbuch, welches unter der Leitung von MCA in Kooperation mit „World Chefs without Border“ (www.worldchefs.org) entstehen soll.
Fast Food hält Einzug in Myanmars Städten
Die Verbindung zum Köcheverband ist besonders unter Public Health Aspekten wichtig. Denn Massenkampagnen in der Ernährungslenkung können von zahnärztlicher Seite nicht geleistet werden. Ernährungstrends werden von anderer Seite gesetzt. In den großen Städten des Landes gibt es bereits jetzt eine große Anzahl von Fast-Food-Läden, die den Jugendlichen Modernität und westlichen Lebensstil vorspielen. Da Ernährung in asiatischen Ländern eine große kulturelle Bedeutung hat, wäre es wichtig hier zumindest ein Zeichen zu setzen. Die Mitglieder des Vereins sind sich bewusst, dass nur ein ganz kleiner Beitrag zur Mundgesundheit geleistet werden kann, es ist auch nicht wichtig, dass der Verein es tut, es ist wichtig, dass es überhaupt getan wird. Der Leiter einer lokalen NGO schrieb im November 2012 in der „Myanmar Times“: „There are some NGOs doing good work here, but their contribution is like feeding an elephant with a handful of sesame seeds”. Für den kommenden Herbst sind mehrere größere Einsätze geplant. Bei allen Exkursionen werden die Kosten für Reise, Unterkunft und Verpflegung immer von den Teilnehmern getragen, die Kosten für die burmesischen Kollegen übernimmt der Verein. Mehr Informationen erteilt die Autorin.
Dr. med. dent. Juliane Frühbuss, MPHdr.juliane.fruehbuss@email.de