Kernkompetenzen bewahren
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
sicherlich erinnern Sie sich: Als eine seiner ersten Amtshandlungen hatte sich der neue Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe die Aufgabe gestellt, den Behandlungserfolg stärker zum Maßstab für den Patienten zu machen. Dazu sollte ein neues Qualitätsinstitut errichtet werden. Die Große Koalition hat sich die Qualitätsoffensive als gesundheitspolitischen Schwerpunkt der Legislaturperiode auf die Fahne geschrieben und drückt jetzt aufs Tempo.
Der Referentenentwurf für ein „Gesetz zur Weiterentwicklung der Finanzstruktur und Qualität in der Gesetzlichen Krankenversicherung“ (GKV-FQWG) liegt nun auf dem Tisch. Darin ist unter anderem auch die Gründung eines Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen vorgesehen. Vor Kurzem war Verbändeanhörung, die BZÄK hat gemeinsam mit der KZBV Stellung bezogen (siehe Bericht S. 22-23).
Was auffällt: Wieder einmal wird bei den Plänen deutlich, dass der Gesetzgeber nicht bereit ist, den Besonderheiten der Zahnärzteschaft Rechnung zu tragen. Denn die Aufgaben des Instituts sollen sektorenübergreifend ausgestaltet werden, das heißt, die Belange der Zahnärzte werden mit denen der Ärzte und Krankenhäuser über einen Kamm geschoren. Kriterien, Indikatoren oder Verfahren, die auf völlig andere, fachfremde Sachverhalte im Versorgungsbereich der Ärzte oder Kliniken abzielen, werden auf den zahnärztlichen Sektor übertragen.
Das ist nicht neu, wir kennen eine solche Vorgehensweise bereits von der Aufgabenstellung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA), der auch Träger des Instituts werden soll und dazu eine Stiftung gründen wird. Richtlinien und Beschlüsse werden im G-BA sektorenübergreifend erlassen. Das schafft ein enormes Quantum an Zuständigkeit – und an Macht. Und schaut man sich die Rolle des G-BA an, so ist festzustellen, dass er tatsächlich immer mehr ins fachliche und politische Geschehen in der gesundheitlichen Versorgung eingreift. Es stellt sich die Frage, ob das oberste Gremium der Selbstverwaltung nicht ohnehin schon zu einer untergeordneten eigenen Behörde mutiert ist und sozusagen als Staat im Staat fungiert. Denn es ist irritierend, zu beobachten, dass immer mehr ureigenste Fragen und Themen des zahnärztlichen Berufsstands nicht von diesem selbst bearbeitet werden können, sondern – ganz im Gegenteil – dass den Zahnärzten immer mehr Regeln und Regularien „von oben“, also von der Politik, übergestülpt werden.
Dabei ist es mehr denn je erforderlich, dass der Berufsstand sich selbst um seine Belange kümmert und sich einklinkt. Das bringt die Rolle der Selbstverwaltung ins Spiel: Die Kammern sind immer stärker in der Pflicht, sich mit den aktuellen gesundheitspolitischen Stoßrichtungen zu beschäftigen, Trends und ungute Entwicklungen für den Berufsstand zu antizipieren und rechtzeitig und proaktiv gegenzusteuern. Ganz fatal wäre es, abzuwarten, bis ungewollte Regeln und Regularien dem Berufsstand von außen aufgedrückt werden.
Im Falle des Qualitätsinstituts heißt das konkret, dass wir die Entwicklungen, die auf uns zukommen, sehr genau betrachten müssen. Das Institut wird sich nämlich künftig auch mit Fragen der Qualität in der Zahnmedizin befassen, Themen, die bislang – verankert in den Heilberufegesetzen der Länder – vor allem in den Händen der Zahnärztekammern liegen und zu deren ureigenen Aufgaben gehören. Wir müssen darauf achtgeben, dass die Kammer-Zuständigkeiten für Fragen der Qualitätssicherung und des Qualitätsmanagements nicht völlig über den Umweg des G-BA ins SGB V abgegeben werden – und damit nicht mehr in ihren angestammten Bereich fallen.
Die Kammern müssen ihre Kernkompetenzen bewahren und sind herausgefordert, sich unter den Bedingungen wandelnder politischer Strukturen so gut aufzustellen, dass sie die legitimen Interessen des Berufsstands wahrnehmen und gegenüber der Politik als kompetente und verlässliche Berater zur Verfügung stehen. Die BZÄK übt in diesem Sinne eine Seismografenfunktion auf Bundesebene aus und steht ihren Mitgliedern mit Rat und Tat zur Seite.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Peter EngelPräsident der Bundeszahnärztekammer