Berufspolitik für Fortgeschrittene
Ist die freiberufliche Praxisführung in der nachfolgenden Zahnärzte-Generation überhaupt noch von Interesse? So lautete die Kernfrage von BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel in seinem Eingangsstatement. Angesichts des wachsenden Frauenanteils im Berufsstand, einer größer werdenden Anzahl von Berufsausübungsgemeinschaften oder der sich abzeichnenden Versorgungsengpässe auf dem Land sei ein ordnungspolitischer Umbruch erkennbar. Aus Europa kommend zeichneten sich zudem Tendenzen einer Deregulierung ab, die das nationale Berufsrecht und das System der Selbstverwaltung in Deutschland auf den Prüfstand stellen. Auf nationaler Ebene gelte es, ein besonderes Augenmerk auf den Koalitionsvertrag zu legen: Zwar seien die Bürgerversicherung und die Abschaffung des dualen Systems von GKV und PKV vom Tisch, doch würden die großen Probleme im Gesundheitswesen nicht wirklich angepackt. Weder gebe es ausreichende Antworten zu den Herausforderungen der demografischen Entwicklung, noch zu den damit verbundenen Finanzierungsfragen im Gesundheitswesen. Dramatisch ist für Engel, dass generelle, langfristige Lösungen im Vertrag nicht angesprochen werden. Auffällig sei auch, dass dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) eine wachsende Bedeutung zukomme. Für Engel sind deshalb im Koalitionsvertrag deutliche „zentralstaatliche Einheitslösungen“ zu spüren. Der Berufsstand müsse sich wappnen vor staatlichen Übernahmen und sich klar machen, wo die Standespolitik gefordert sei, gegenzusteuern – auch an der Basis.
Dr. Wolfgang Eßer, Vorsitzender des Vorstands der KZBV, ging aus Sicht der Vertragszahnärzteschaft auf Aufgaben der Zukunft ein. Wesentliche „big points“ für die Zahnärzte seien bereits in der vergangenen Legislaturperiode abgeschlossen worden, so etwa die Entbudgetierung und erste Teile des Versorgungskonzepts für Pflegebedürftige und Menschen mit Behinderungen. So werde ab dem nächsten Frühjahr auch die aufsuchende Betreuung von Patienten in Pflegeheimen berücksichtigt. Das prägende Thema der Zukunft werde – neben der Morbidität – die Qualität sein. Hier müsse sich der Berufsstand entsprechend aufstellen, forderte Eßer. Für die KZBV sei enttäuschend, dass im Koalitionsvertrag keine Aussagen zu einem zahnärztlichen Präventionsmanagement getroffen worden seien. Das große strategische Ziel der Vertragszahnärzte bestehe darin, den Präventionsansatz über den gesamten Lebensbogen weiter konsequent auszubauen und Versorgungsdefizite differenziert und frühzeitig anzugehen. Dazu müssten die Probleme aufgezeigt und Lösungsansätze geboten werden. Auf der Agenda der KZBV stehe deshalb – neben der weiteren Umsetzung des AuB-Konzepts – das gemeinsam mit der BZÄK und Fachorganisationen entwickelte Konzept zur Prävention frühkindlicher Karies und die Präventionsarbeit bei Kindern aus sozial benachteiligten Familien. Gearbeitet werde auch an effizienten Lösungen, um Parodontalerkrankungen systematisch zu bekämpfen.
Blick auf die Basis
Die Vorsitzende des FVDZ, Dr. medic/IfM Timisoara Kerstin Blaschke, unterstrich die Bedeutung der Freiberuflichkeit für die zahnärztliche Berufsausübung. Sie sei Garant für die Therapiefreiheit. Unter dem „Mäntelchen Qualitätssicherung“ und mit Tendenzen zu Selektivverträgen (wie etwa bei der Vereinbarung der BÄK mit der PKV zur GOÄ) bestehe aber die Gefahr, dass das Gesundheitswesen in die Verstaatlichung abdriftet. Wie tickt die Basis? Diese Kernfrage müssten zahnärztliche Berufspolitiker im Auge behalten, wenn es um die Ansprache junger Kolleginnen und Kollegen geht. Netzwerke wie ZORA oder Young Dentists könnten hier Lösungsansätze bieten.
Auf die enge Verzahnung von Wissenschaft und Praxis wies Dr. Norbert Grosse, Mitglied im Vorstand der DGZMK und Vorsitzender der APW, hin. Der Zahnarzt verstehe sich als Arzt der Mundhöhle. Schwierig werde es sein, diesen Gedanken auch in die Vertragsverhandlungen zwischen Zahnärzten und Krankenkassen sowie in die Honorardiskussion mit einzubringen. Grosse wies auf den Auftrag der DGZMK hin, die Weiterentwicklungen in der Wissenschaft in die Praxis zu tragen. Ein heikles Thema sei die Entwicklung von Leitlinien. Sie seien Behandlungskorridore als Hilfe für den Praxisalltag und keine Gängelungsinstrumente. Enttäuscht zeigte sich Grosse über den stockenden Novellierungsprozess der Approbationsordnung. Aus Sicht der Wissenschaft sei auch der Koalitionsvertrag eine Enttäuschung: „Außer heißer Luft ist hier nicht viel zu erwarten.“
In der Diskussion mit den Teilnehmern wurde deutlich, dass vor allem Planungssicherheit notwendig ist, um den Schritt in die Niederlassung zu wagen. Die Selbstverwaltung sei gefordert, sich zu professionalisieren, Anreize und zeitgemäße Angebote zu unterbreiten, um auch den eigenen Nachwuchs in den Gremien zu generieren. Eine starke Profession sei ein wichtiger Teil der Gesellschaft.