Lebenswelten im Visier
Ziel des Gesetzes sei es, Gesundheitsförderung und Prävention insbesondere in den Lebenswelten der Bürger zu stärken. Zudem sollen die Leistungen der Krankenkassen zur Früherkennung von Krankheiten weiterentwickelt und das Zusammenwirken von betrieblicher Gesundheitsförderung und Arbeitsschutz verbessert werden, heißt es im Entwurf. Hierzu sollen alle Sozialversicherungsträger einschließlich der Privaten Krankenversicherung sowie der Privaten Pflege-Pflichtversicherung einbezogen werden. Das Ministerium zeigt sich mit seinem Chef, Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU), zuversichtlich: „Mit dem Gesetz werden die strukturellen Voraussetzungen dafür geschaffen, dass Gesundheitsförderung und Prävention in jedem Lebensalter und in allen Lebensbereichen als gemeinsame Aufgabe unterstützt werden.“
Im Näheren sieht der Entwurf vor, Gesundheitsförderung und Prävention in „Lebenswelten“ wie Kindertageseinrichtungen, Schulen, Betrieben und Pflegeeinrichtungen zu stärken, hierzu die Kooperation und Koordination der Sozialversicherungsträger sowie der Länder und Kommunen zu verbessern sowie die Gesundheitsunter- suchungen für Kinder und Erwachsene fortzuentwickeln.
Ausgabenverdoppelung angepeilt
Gröhe beabsichtigt, mit dem Gesetz die GKV dazu anzuhalten, ihre Ausgaben für die Gesundheitsvorsorge auf 500 Millionen Euro aufzustocken. Dies entspricht etwa einer Verdoppelung, gemessen an den aktuellen Ausgabenzahlen. Der Großteil der Gelder soll für Projekte in Betrieben sowie Kitas und Schulen ausgegeben werden, um damit Menschen zu erreichen, die nur schwer für eine aufsuchende Gesundheitsvorsorge zu begeistern sind.
Konkret vorgesehen ist auch die Einführung einer neuen Präventionsleistung der Pflegekassen in Pflegeeinrichtungen. Für die betriebliche Gesundheitsförderung soll ein Mindestwert für Leistungen der Kassen festgelegt und eine engere Verzahnung mit dem Arbeitsschutz erfolgen.
Im Einzelnen sieht der Entwurf unter anderem folgende Umsetzungsstufen vor:
• Der GKV-Spitzenverband Bund soll in Abstimmung mit anderen Organisationen eine „Nationale Präventionsstrategie“ festlegen. Um die Strategie umzusetzen, sollen Präventionskonferenzen gebildet werden, hierfür verantwortlich ist die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.
• Die Nationale Präventionskonferenz soll durch ein Präventionsforum beraten werden, das jährlich stattfinden soll. Dieses Forum soll sich aus Vertretern der für Gesundheitsförderung und Prävention maßgeblichen Organisationen und Verbände sowie aus Mitgliedern der Nationalen Präventionskonferenz zusammensetzen.
• Die Ausgaben der Krankenkassen für die Leistungen zur Prävention, zur betrieblichen Gesundheitsförderung und für die Präven-tion arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren soll auf jährlich sieben Euro je Versicherten erhöht werden (derzeit 3,41 Euro).
• Die Pflegeversicherung soll sich ebenfalls finanziell an Präventionsprojekten beteiligen. Auch die PKV wird mit einer „freiwilligen“ Mitfinanzierung in Höhe von 18 Millionen Euro im Gesetzentwurf erwähnt.
• Auf der Grundlage einer präventionsorientierten Kinderfrüherkennungsuntersuchung sollen die Kinder- und Jugendärzte Präventionsleistungen empfehlen und den Bedarf für diese Leistungen feststellen.
• Gesundheitsboni: In Anlehnung an Bonus-Regelungen wie in der Zahnmedizin soll dies Mittel als Anreizfunktion für gesundheitsbewusstes Verhalten in anderen Bereichen ausgebaut werden.
• Die Gesundheitsuntersuchungen für Erwachsene sollen stärker Risikofaktoren (Rauchen, Übergewicht, Bewegungsmangel) erfassen. Ärzte sollen den Versicherten Maßnahmen zur Prävention empfehlen.
• Damit kleine und mittelständische Unternehmen die GKV-Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung nutzen können, sollen die diesbezüglichen Rahmenbedingungen verbessert werden. Die Krankenkassen sollen verpflichtet werden, mindestens zwei Euro jährlich für jeden ihrer Versicherten für Leistungen zur betrieblichen Gesundheitsförderung auszugeben.
Position von BZÄK und KZBV
Sowohl die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) als auch die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) begrüßten in Stellungnahmen, dass Gesundheitsförderung und Prävention gestärkt und die Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen zur Früherkennung von Krankheiten weiterentwickelt werden sollen. Gerade im Bereich der Zahnmedizin hätten sich präventive Aspekte schon lange bewährt, was dazu geführt habe, dass die Mundgesundheit in Deutschland nachweislich und deutlich verbessert werden konnte. Beide Körperschaften plädieren für eine verbindliche Einbindung in das Präventionsforum, das die Präventionskonferenz laut Planungen zu beraten hat. Dies sei schon deswegen sinnvoll, um mögliche Fehlallokationen von vornherein zu vermeiden.
Zudem fordern BZÄK und KZBV eine Ausweitung der Früherkennungsuntersuchungen durch den Vertragszahnarzt auf den Bereich zwischen dem 6. und dem 30. Lebensmonat. Anfang 2014 hätten KZBV, BZÄK, die Deutsche Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde, der Bundesverband der Kinderzahnärzte und der Deutsche Hebammenverband ein gesundheitspolitisches Konzept zur zahnmedizinischen Prävention der frühkindlichen Karies vorgelegt, um gesetzliche Rahmenbedingungen für einen Zahnarztbesuch ab dem ersten Lebensjahr zu initiieren. Hier sei der Gesetzgeber gefordert, unterstützend tätig zu werden. Deutschland verfügte zwar über ein gutes System der Individual- und Gruppenprophylaxe für Kinder und Jugendliche. Es gebe aber Patientengruppen, die an diesem Fortschritt der Zahnmedizin und an der umfassenden Präventionsarbeit zu wenig partizipieren. Auf die Defizite bei der zahnärztlichen Versorgung der Kleinkinder im Alter zwischen null und drei Jahren habe die Zahnärzteschaft die Politik bereits mehrfach aufmerksam gemacht.
Gemäß dem Konzept der Körperschaften sollten in diesem Zeitraum drei zahnärztliche Früherkennungsuntersuchungen durchgeführt werden, die verpflichtend im Kinderuntersuchungsheft zu dokumentieren sind. Dies sollte in das ärztliche Kinderunter- suchungsheft mit einer Verweisung zum Zahnarzt verankert werden.