Biofilm-Management durch häusliche Mundpflege

Mundhygiene im Fokus

Orale Biofilme lassen sich heute in vielfältiger Weise beeinflussen. Das gibt dem Zahnarzt zahlreiche Ansatzpunkte für die Erhaltung und Wiederherstellung der Mundgesundheit seiner Patienten. Die dabei verwendeten Hilfsmittel sollten sorgfältig ausgewählt werden, denn sie bestimmen maßgeblich den klinischen Erfolg. Der im Nachgang dargestellte Überblick konzentriert sich ausschließlich auf das wichtige Feld der häuslichen Mundpflege.

Der orale Biofilm weist einerseits eine spezifische problematische Eigenschaft auf, die sich jedoch andererseits als Vorteil entpuppt: Die darin enthaltenen Mikroorganismen können miteinander kommunizieren, gar genetische Informationen austauschen (quorum sensing). Das tun sie besonders intensiv, wenn das „Ökosystem physiologische Plaque“ (Standortflora) in Richtung „pathogene Plaque“ gekippt ist (Abbildung 1). Dies zu verhindern, ist die Aufgabe des zahnärztlichen Biofilm-Managements (Abbildung 2). Sie wird jedoch durch die Anpassungsfähigkeit der verschiedenen Bakterien erschwert. Hat man eine Spezies gezielt bekämpft, kann eine andere an ihre Stelle treten und die Pathogenität weiter aufrechterhalten; so eng sind sie miteinander vernetzt.

Das hat aber auch sein Gutes: Wo alles miteinander vernetzt ist, wirkt praktisch jede Maßnahme auf das Gesamtsystem. Es ist ein wenig wie beim Erlernen einer Sprache. Ganz gleich, ob wir bei der Rechtschreibung, der Grammatik oder beim Vokabel-lernen ansetzen – alles bringt uns weiter. Im übertragenen Sinn gilt dann für die zahnärztliche Praxis: Sowohl die mechanische wie die chemische Biofilmkontrolle stellen eine sinnvolle Strategie zur kausalen Therapie als auch für die Prophylaxe dar. Das ist der genialen Kommunikation der im Biofilm befindlichen Bakterien geschuldet.

Durch Feinabstimmung und die gezielte Wahl der geeigneten Putztechniken und Hilfsmittel lassen sich die verschiedenen Maßnahmen für den einzelnen Patienten maßschneidern. Dies arbeiteten führende Wissenschaftler auf dem 5. Oral-B-Sympo-sium mit dem Titel „Biofilm-Management – Schlüssel zur Mundgesundheit“ am 21. März dieses Jahres in der Jahrhunderthalle in Frankfurt am Main prägnant heraus.

Klassiker: mechanische Plaqueentfernung

Da die Zahnbürste das Hilfsmittel Nummer eins für die häusliche Mundpflege darstellt, lautet eine wesentliche Fragestellung: Handzahnbürste (Abbildung 3) oder elektrische Zahnbürste – womit wird die bessere Mundhygiene erreicht? Als den heute verfügbaren Studien geht hervor: „Verbesserte Reinigungsleistungen ließen sich durch elektrische Zahnbürsten mit kleinen, runden Bürstenköpfen erzielen, die geometrisch genau definierte oszillierend-rotierende Bewegungen durchführten. Diese Bürsten zeigten ihre Überlegenheit gegenüber Handzahnbürsten in vielen klinischen Studien, in denen eine bessere Plaqueentfernung in Kurzzeit- und eine um 17 Prozent verbesserte Gingivitisreduktion in Kurz- und Langzeitstudien konstatiert wurde“ [Heanue M, Deacon SA, Deery C et al., 2003]. Eine aktuelle Metaanalyse vom Juni 2014 [Yaacob M, Worthington HV, Deacon SA et al., 2014] bestätigt die Überlegenheit des oszillierend-rotierenden Putzsystems erneut. Als einziges der untersuchten Systeme konnte es sowohl Gingivitis als auch Plaque lang- und kurzfristig effektiver reduzieren als Handzahnbürsten. Die Effizienz der oszillierend-rotierenden Technologie wurde im Vergleich mit verschiedenen manuellen und auch elektrischen Zahnbürsten sowohl durch Labor- als auch durch klinische Untersuchungen bestätigt [Goyal CR et al., 2005]. Die durchgeführten Studien gehen inzwischen teilweise so weit, dass die überlegene Plaqueentfernungseffektivität sogar für spezielle Zahnareale (sowohl vestibuläre und orale Flächen als auch Zahnfleischsaum und interproximale Oberflächen) belegt werden kann [Sharma NC et al., 2010].

Alle elektrischen Zahnbürsten (einschließlich oszillierend-rotierende Zahnbürsten, sogenannte Schallzahnbürsten und mehr) können auch ohne Borstenkontakt mit den oralen Oberflächen Beläge entfernen. Diese Wirkung basiert auf einer dynamischen Mikroströmungsaktivität [Derdilopoulou FV, Kielbassa AJ, 2006]. Eine solche „Plaque-Entfernung per Fernwirkung“ erreicht jedoch nicht die Effektivität eines Bürstens mit Borstenkontakt [Devigus A, 2012].

Jenseits der Zahnbürste sind weitere Hilfsmittel wie Interdentalbürsten, Zahnhölzer, Zahnseiden oder Zungenreiniger in Betracht zu ziehen. Ein kleines Beispiel als Tipp vorweg:

Wenn ein Patient – aus welchen Gründen auch immer – grundsätzlich keine Zahnseide verwendet, ist es in der Regel Zeitverschwendung, ihn dazu zwingen zu wollen. In diesem Fall bietet man ihm zum Erreichen schwer zugänglicher Regionen besser gleich eine Alternative an, wie etwa individuell ausgesuchte Interdentalraumbürsten. Deren große Bedeutung ist vielen Menschen noch nicht bekannt, obwohl nur damit die oft an den Approximalflächen vorkommenden Konkavitäten von Belägen und Speiseresten befreit werden können. Interdentalbürsten zeigen als einziges Hilfsmittel zur Zwischenraumreinigung bessere Ergebnisse bezüglich Plaqueentfernung und Gingivitisreduktion gegenüber der Reinigung allein mit der Zahnbürste [Slot DE, Dörfer CE, Van der Weijden GA, 2008].Unter anatomisch günstigen Bedingungen können sich sogar verloren gegangene Papillen wieder regenerieren [Dörfer CE, Staehle HJ, 2010].

An der Schwelle zum chemischen Biofilm-Management stehen die Zahncremes. Mit ihren Schleifkörpern unterstützen sie die mechanische Plaqueentfernung mit der Zahnbürste. So konnte für eine spezielle Anwendungs-Kombination nachgewiesen werden: Die verwendete Zahncreme steigerte die Wirksamkeit der Mundhygiene unter Verwendung einer Elektrozahnbürste mit oszillierend-rotierender Technologie (Oral-B Triumph) nochmals signifikant [Klukowska M, White D, Barker M, Bartizek R., 2007]. Darüber hinaus können die Inhaltsstoffe von Zahncremes eine antibakterielle beziehungsweise plaquehemmende Wirksamkeit entfalten; dasselbe gilt für Mundspüllösungen und probiotische Kaugummis.

Zusätzlich: chemische Kontrolle des Biofilms

Ein wesentlicher Bestandteil der großen Mehrzahl aller Zahncremes ist Fluorid. Es bewirkt eine Remineralisation des Zahnschmelzes und ist daher im Kampf gegen Karies unverzichtbar. Die antibakteriellen Eigenschaften rühren allerdings, falls vorhanden, von seinen Gegenionen und/oder anderen Wirkstoffen her.

Ein vielversprechender Ansatz basiert auf einer neuartigen Mischung von Zinnfluorid und Natriumhexametaphosphat in einer Zahncreme. Das ist ein „Kabinettstückchen“ der Technologie, weil die Forscher den Wassergehalt auf lediglich vier Prozent gebracht und damit wirksamkeitshemmende Vorgänge (Oxidation, Ausfällung und Adsorption von Zinn) minimiert und folglich die Wirksamkeit maximiert haben. Der Nutzen für die Praxis: Endlich werden damit die wohlbekannten Vorteile von Zinnfluorid (kariesprotektiv, antimikrobiell, desensibilisierend) ohne die ebenso bekannten Nebenwirkungen (Zahnverfärbungen) ausgeschöpft.

Zahncremes mit Triclosan können, insbesondere bei Wirkzeitverlängerung mit geeigneten Hilfsstoffen, einen antiphlogistischen Effekt aufweisen. Es führt nach dem Stand der Wissenschaft weder zu Verfärbungen noch zu bakteriellen Resistenzen noch zu einem Wirkverlust von Antibiotika.

Weitere chemische Biofilm-Manipulatoren finden sich im unübersichtlichen Feld der Mundspülungslösungen. Genutzt wird in der heutigen Zahnmedizin, aufgrund der speziellen Anforderungen der menschlichen Mundhöhle, eine große Auswahl von Varianten – allerdings mit einer eng begrenzten Anzahl von Wirkstoffen: Chlorhexidin, Kombination Aminfluorid/Zinnfluorid, Lösungen ätherischer Öle, Cetylpyridiniumchlorid, Octenidin.

Entscheidend für die Anwendung ist das Ziel: Möchte man die Keimzahl kurzfristig und drastisch reduzieren, oder soll die Mundspülung die häusliche Mundhygiene durch langfristigen Einsatz unterstützen?

Hierzu einige Beispiele: Bei akuten oralen Erkrankungen, die die häusliche Mundpflege erschweren, kann eine Chlorhexidin-Mundspülung (Wirkstoff-Konzentration: 0,2 Prozent) als „chemische Zahnbürste“ das Zähneputzen ersetzen – aber nur kurzfristig! Ist die häusliche Mundpflege längerfristig eingeschränkt (wie durch hypersensible Zahnhälse oder durch kieferorthopädische Apparaturen), so wird eine Chlorhexidin-Mundspülung in niedrigerer Konzentration (0,06 Prozent) verwendet, alternativ dazu die Wirkstoff-Kombination Aminfluorid/Zinnfluorid oder ein Gemisch von Thymol, Eucalyptol, Methylsalicylat und Menthol. Als nicht hinreichend wissenschaftlich untermauert gelten zurzeit Cetylpyridiniumchlorid, Octenidin und sogenannte natürliche antibakterielle Mittel (wie Teebaumöl). Unter diesen könnten sich allerdings Vertreter mit oberflächenaktiven Eigenschaften in Zukunft als interessant erweisen [Arweiler N, Sculean A, 2009].

Mögliche Zukunftschance: Bioadhäsionsverhinderer

Die Oberflächenmodifikation der Zähne könnte noch eine große Zukunft haben. Dazu muss man zunächst das schlechte Image des oralen Biofilms relativieren. Die physiologische Pellikel ist einige Nanometer dick, birgt keine Bakterien und erfüllt als „Gleitmittel“ (Lubrikant) eine natürliche Schutzfunktion. Erst wenn hier potenziell patho-gene Mikroorganismen andocken, wächst das Karies- und Parodontitisrisiko. Diese Bioadhäsion könnte auf verschiedene Weise verhindert werden. Zum Beispiel ließen sich die Zähne mit selbstreinigenden Oberflächen überziehen. In diese Richtung wirkt Natriumhexametaphosphat. Oder man könnte spezifische Rezeptoren auf der Oberfläche der Pellikel blockieren, ihre antibakteriellen Eigenschaften durch bestimmte Enzyme steigern, mit Polyphenol-Spülungen die Adhärenz des Karies-Auslösers Streptococcus mutans verringern, die Zahnoberfläche durch Phospholipid-Anreicherung hydrophobisieren und so die bakterielle Besiedlung erschweren [Grychtol S, 2013].

Eine weitergehende Forschung auf diesem Gebiet ist wünschenswert. Sie könnte zu neuen Strategien führen, die die Adhäsion eines potenziell pathogenen Biofilms oder von krankheitsauslösenden Mikroorganismen an der Zahnoberfläche zumindest deutlich verzögern [Grychtol S, 2013].

Das spezielle Beispiel: Periimplantitisprophylaxe

Eine in vielerlei Hinsicht besondere Disziplin stellt das Biofilm-Management bei Implantaten dar – auch psychologisch. Vordergründig mag der Chirurg als erfolgreich gelten, der viele Implantate inseriert. Das eigentliche Kriterium muss aber lauten: Wie viele davon befinden sich denn nach zehn, zwanzig, dreißig Jahren noch in situ? Dazu bedarf es eines konsequenten Recalls. Bei manifester Mukositis (Abbildung 4a) beziehungsweise Periimplantitis (Abbildung 4b) sind darüber hinausgehende Therapiemaßnahmen zu ergreifen. Dies kann bis zur chirurgischen Behandlung führen, wobei gegebenenfalls die kontaminierte Implantatoberfläche unter Sicht zu reinigen ist und das Granulationsgewebe entfernt werden muss [Sanderink RBA, Saxer UP, 2010]. Der tatsächliche Langzeiterfolg dieser Erhaltungsmaßnahmen muss aber als kritisch bewertet werden.

Für die häusliche Mundpflege, die im vorliegenden Beitrag im Vordergrund steht, ergeben sich keine wirklich großen Unterschiede zur Prophylaxe an natürlichen Zähnen und Implantaten. Darum folgt die zahnärztliche Empfehlung den bekannten Schemata und schließt insbesondere die oszillierend-rotierenden Zahnbürsten als „Goldstandard“ ein (Abbildung 5).

Die Psychologie hilft bei der Beratung mit: In nicht wenigen Fällen hat der Patient vor der Implantation eine suboptimale Pflege betrieben. Gerade dies stellt ja häufig die Ursache von multiplem Zahnverlust dar, im schlimmsten Fall bis zur Zahnlosigkeit. Für diese Patienten ist der Weg zur optimalen häuslichen Mundhygiene daher in der Regel zwar länger als für Patienten mit weitgehend naturgesundem Gebiss. Aber die Akzeptanz für eine fachgerechte Empfehlung ist dabei erfahrungsgemäß besonders groß.

Diese Chance muss der implantierende Zahnarzt nutzen. Prophylaxe ist hier Chefsache, zumindest unmittelbar nach dem Eingriff beziehungsweise in der Zeit nach der definitiven prothetischen Versorgung. Anschließend kann die Assistenz den Recall federführend übernehmen.

Fazit: Biofilm-Management auf dem Stand der Technik

Ob es sich um natürliche Zähne oder um Implantate handelt: Eine regelmäßige mechanische Plaqueentfernung reduziert die Bakteriengesamtzahl in der Mundhöhle drastisch und führt auch dazu, dass der Biofilm überwiegend aus grampositiven, wenig aggressiven Bakterienstämmen besteht [Arweiler N, Sculean A, 2009]. Daher ist und bleibt die mechanische Plaqueentfernung das A und O der Prophylaxe. Sie wird durch Zahncremes unterstützt, die außerdem Komponenten zur chemischen Oralhygiene enthalten können, allen voran Fluorid. Speziell Zinnfluorid entfaltet eine zusätzliche antibakterielle Wirkung. Kurzzeitig oder bei dauerhaft eingeschränkter Mundpflege und bei Risikopatienten kann eine adjuvante Gabe chemischer Mittel in Form von Mundspülungen sinnvoll sein (wie Chlorhexidin in niedriger Konzentration). Selbst bei guter häuslicher oraler Hygiene bleibt der Zahnarzt selbstverständlich angehalten, den Plaquestatus regelmäßig zu überprüfen und wann immer erforderlich eine professionelle Prophylaxe durchzuführen.

Dr. Karl-Ludwig AckermannFachzahnarzt für OralchirurgieTalstr. 2370794 Filderstadtkl.ackermann@kirschackermann.de

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