Europatag der BZÄK

Neue Impulse in Zeiten der Krise

Aktuelle gesundheitspolitische Themen aus Brüssel und Berlin verzahnte der BZÄK-Europatag am 9. April im Tieranatomischen Theater der Humboldt-Universität. Vertreter aus Standespolitik, Verbänden und Wissenschaft nutzten den Gedankenaustausch mit führenden deutschen und europäischen Gesundheitspolitikern im Vorfeld der Europawahl. Im Fokus: die Bedeutung der Freien Berufe und die Rolle der Selbstverwaltung.

Der BZÄK-Europatag nimmt traditionell eine Brückenfunktion für Themenfelder ein, die dem Berufsstand wichtig sind, um sie einem breiteren Publikum, aber auch der Zahnärzteschaft selbst näherzubringen.

Die europäische Schulden- und Wirtschaftskrise habe zu erheblichen Verwerfungen in zahlreichen EU-Mitgliedstaaten geführt, erklärte BZÄK-Präsident Dr. Peter Engel in seinem Eingangsreferat. Die Verantwortung dafür werde der Europäischen Union und deren Institutionen zugeschrieben. Mit Blick auf die Wahl zum Europäischen Parlament am 25. Mai gab Engel zu bedenken, dass dies Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben werde und dass europakritische Kräfte starken Zulauf erhalten könnten. Die EU habe für den Berufsstand eine große Bedeutung, erläuterte er. Denn viele Bereiche würden nicht mehr auf nationaler, sondern auf europäischer Ebene entschieden.

Mit Bezug auf die Zahnärzteschaft stehen in den kommenden Jahren auf EU-Ebene einige wichtige Gesundheits- und binnenmarktpolitische Weichenstellungen an:

• Die Fortsetzung des Gesetzgebungsverfahrens zur Revision des Rechtsrahmens für Medizinprodukte

• Die Überarbeitung der Dienstleistungsrichtlinie

• Die sogenannte Transparenzinitiative, bei der die EU-Generaldirektion Binnenmarkt die regulierten Berufe und deren Selbstverwaltungs-Körperschaften auf den Prüfstand stellen wird. Hier will man durch den Abbau von Regulierungen das schwächelnde Wirtschaftswachstum in der Europäischen Union stimulieren.

Vor allem letzteres sieht Engel kritisch und damit die Freiberuflichkeit in Gefahr: „Bewährte Strukturen werden zugunsten einmaliger Beschäftigungseffekte leichtfertig zur Disposition gestellt, ohne die Folgekosten zu kalkulieren.“ Das schließe, so Engel weiter, auch die gewachsenen Selbstverwaltungsstrukturen der Freien Berufe ein. Hier werde übersehen, dass diese Strukturen vom Berufsstand allein getragen und finanziert würden, dass sie auf demokratischen Prinzipien basierten und dass sie mit der Erfüllung ihrer Aufgaben ganz unmittelbar die Staatsverwaltung entlasteten. Wichtig sei, dass ein gemeinsames europäisches Verständnis von Freiberuflichkeit entstehe. Hier habe der Council of European Dentists mit dem Entwurf einer Charta bereits die spezifischen Bedürfnisse der Freiberufler sowie deren Forderungen ausformuliert.

Kritische Wachsamkeit

Annette Widmann-Mauz, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesgesundheitsministerium, begrüßte in ihrem Impulsreferat die kritische Wachsamkeit des Berufsstands gegenüber möglichen Fehlentwicklungen aus der europäischen Politik in Brüssel. Sie bezog sich dabei auf Themen wie Qualitätsanforderungen bei den Gesundheitsberufen oder Normungsvorhaben.

Europa gehöre zur elementaren Dimension in der deutschen Politik, betonte sie. Die öffentliche Meinung darüber könne aber besser sein, oft sei hier von Bevormundung, Bürokratie oder zu hohen Kosten die Rede. Dennoch sei es aus deutscher Perspektive wichtig, die Interessen in Brüssel zu verteidigen. Gesundheitspolitik liege in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten. Die Kompetenz über eigenverantwortliche Gestaltung sei nationale Angelegenheit. Trotzdem gebe es Felder, bei denen grenzüberschreitendes Handeln notwendig sei, etwa beim Thema Impfstoffe, bei der grenzüberschreitenden Krankenhausplanung oder bei seltenen Erkrankungen. Wichtig sei vor allem ein verlässlicher Rechtsrahmen.

Ja zur Freiberuflichkeit

In der Diskussionsrunde debattierten Kandidaten und Vertreter der sich zur Europawahl stellenden Parteien über deren politische Zielvorstellungen. Zur Sprache kam ein breites Themenportfolio, moderiert von Thomas Grünert, Fachjournalist für Gesundheitspolitik aus Berlin. Ein klares Bekenntnis erfolgte zur Bedeutung der Freiberuflichkeit und zum deutschen Kammersystem. Dr. Anja Weisgerber (CSU), MdB, begrüßte die Initiative des zahnärztlichen Berufsstands zur Charta der Freien Berufe. Bei Gesetzesvorhaben gelte es, den Besonderheiten der Freiberufler Rechnung zu tragen. Auch Dr. Harald Terpe (Bündnis 90/Die Grünen), MdB, Obmann im Gesundheitsausschuss, unterstrich den hohen Grad der Verantwortung von Freiberuflern und empfahl, die deutschen Erfahrungen mit den Freien Berufen in die EU zu tragen. Michael Theurer (FDP), MdEP, Stellvertretender Vorsitzender der FDP-Delegation im Euro- päischen Parlament und Vorsitzender des Haushaltskontrollausschusses und Mitglied des Bundesvorstands der FDP, sprach sich gegen eine blinde Deregulierung aus, sie mache das System kaputt.

Die Bedeutung der Freizügigkeit unterstrich Evelyne Gebhardt (SPD), MdEP, Binnenmarktpolitische Sprecherin der SD-Fraktion. Man müsse aufmerksam bleiben für das, was an Vorgaben aus Brüssel komme, mahnte sie. Hindernisse abzuschaffen sei zwar sinnvoll, jedoch dürfe dies nicht zu- lasten von Qualifikationen gehen, sagte sie mit Blick auf die geplante Novellierung der Dienstleistungsrichtlinie.

Harald Weinberg (Die Linke), MdB, Gesundheitspolitischer Sprecher der Fraktion Die Linke im Bundestag, sprach zum Thema „Fachkräftemangel und Migration bei den Gesundheitsberufen“ Probleme der Qualifikation und Sprachbarrieren an. Gerade im Pflegebereich und im Krankenhaussektor spitze sich die Situation zu, hier herrsche Handlungsbedarf.

Die breit aufgestellte Themenpalette auf der Veranstaltung habe gezeigt, dass Europa eine große Bedeutung für den Berufsstand habe, bilanzierte der Berliner Kammerpräsident und Mitglied des BZÄK-Europausschusses, Dr. Wolfgang Schmiedel, zum Ende der Tagung. Europäische Entwicklungen gehörten zum unverzichtbaren Teil der Gesellschaft, ebenso das Kammerwesen und dessen Verpflichtung zum Gemeinwohl. Schmiedels Appell an die Politik lautete, die Freiberufler als Motor des Mittelstands nicht mit noch mehr Bürokratie zu belasten.

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