Versorgung einer transversalen Wurzelfraktur
Ein zehnjähriger Junge wurde vom Durchgangsarzt wegen Zahnverlust an unsere Klinik überwiesen. Der Patient zeigte anamnestisch und klinisch keine Commotiozeichen. Die Tetanusimpfungen waren regelgerecht durchgeführt worden und aufgefrischt. Extraoral waren keine Verletzungen oder Frakturzeichen vorhanden. Der avulsierte Zahn 21 mit der aus dem koronalen Anteil hervorquellenden intakten Pulpa (Abbildung 1) war in einem Dentosafe vorbildlich gelagert. Der angefertigte Zahnfilm zeigte den Verbleib eines Wurzelfragments in der ansonsten leeren Alveole (Abbildung 2). Klinisch zeigten sich die Nachbarzähne sensibel auf Kältetest. Das avulsierte Fragment wurde in einem Dentosafe zwischengelagert. Dann wurde das apikale Fragment nach Lokalanästhesie (2 ml UDS) mithilfe des Periotoms und einer Hedström-Feile unter Erhalt aller Alveolenwände schonend entfernt (Abbildung 1). Der koronale Anteil mitsamt intakt belassenem Pulpengewebe wurde reponiert und mit einer Draht-Komposit-Schiene in natürlicher Position drucklos für 14 Tage fixiert. Anschließend wurde die Papille zwischen 21 und 22 mittels einer Papillennaht rekonstruiert (Abbildung 3). Die klinische Kontrolle nach einem Jahr zeigte einen funktionell und ästhetisch eingeheilten Zahn ohne Infraokklusion, ohne Lockerungserscheinungen und ohne Farbabweichungen der Zahnkrone (Abbildung 4). Im Röntgenkontrollbild waren keine Anzeichen von entzündlichen Veränderungen zu erkennen (Abbildung 5).
Diskussion
Horizontale Wurzelfrakturen ereignen sich in 0,5 bis 7 Prozent aller Zahntraumata [Andreasen, 2004]. Aufgrund dieser geringen Inzidenz existieren keine einheitlichen evidenzbasierten Empfehlungen zu ihrer Therapie. Die aktuelle Literatur über horizontale Wurzelfrakturen besteht dabei vor allem aus Fallbeschreibungen. Die Prognose einer horizontalen Wurzelfraktur hängt ab von der Größe der Frakturlinie, dem Dislokationsgrad der Fragmente und dem Pulpenzustand. Eine gute Prognose haben horizontale Wurzelfrakturen bei jungen Patienten, bei einer geringen Dislokation und bei einer geringen Distanz zwischen den Fragmenten und dem weiten apikalen Foramen. Bei intraalveolär frakturierten Zähnen heilen 30 Prozent durch eine sogenannte Hartgewebsfusion, 43 Prozent zeigen eine Interposition von Parodontal-gewebe [Andreasen et al., 1967].
Mindestens 22 Prozent der Zähne mit Wurzelfrakturen zeigen keine Heilung und müssen dann schließlich entfernt werden [Andreasen et al., 2004; Cvek et al.,2008]. Vor allem bei jugendlichen Patienten sollte der Zahnerhalt mindestens so lange ermöglicht werden, dass ein ungestörtes Wachstum des Alveolarfortsatzes stattfinden kann. In der Regel werden horizontale Wurzelfrakturen mittels Fixierung durch eine Draht-Komposit-Schienung therapiert, in der Hoffnung, eine Hartgewebsfusion der Fragmente zu erreichen. Kommt es dabei zu entzündlichen Veränderungen, muss eine Resektion des apikalen Fragments vorgenommen werden [Versiani et al., 2008; Brandini et al., 2009].
Im vorliegenden Fall befand sich das koronale Fragment außerhalb der Alveole, also bestand ein maximaler Dislokationsgrad, wobei das gesund erscheinende Pulpengewebe am koronalen Fragment gestielt verblieb. Eine Reposition hätte dabei primär zur Interposition von Pulpengewebe zwischen die Fragmente geführt. Mit einer erneuten Einsprossung von Gewebe in das apikale Kanaldelta war beim vorliegenden Wurzelwachstum nicht zu rechnen. Und eine Reposition ohne Entfernung der Pulpa hätte zu Gewebsnekrosen geführt. Die endodontische Behandlung des koronalen Fragments hätte die gering verbliebene Zahnsubstanz zusätzlich geschwächt und eine Hartgewebsfusion vermutlich behindert.
Die Jahreskontrolle hat gezeigt, dass durch die gewählte Therapie der replantierte Anteil als ästhetisch und funktionell komplett inkorporierter Zahn im ossär intakten Alveolarfortsatz verbleiben konnte. Das es zu keinen Verfärbungen kam, ist von einer Revitalisierung des koronalen Fragments bei Ausbleiben der Sensibilität auszugehen. Aufgrund des am Neoapex nun weit offenen Foramens (Durchmesser 0,5mm [Kerekes et al., 1977, Kling et al., 1986]), führte die vorgestellte Therapie vermutlich zu einem Gefäßanschluss der verbliebenen Pulpa oder zur Reposition durch fibroossäres Gewebe [Kvinnsland et al., 1989], wodurch der replantierte Anteil als ästhetisch und funktionell komplett inkorporierter Zahn im ossär intakten Alveolarfortsatz eingeheilt ist.
PD Dr. Dan BrüllmannPoliklinik für OralchirurgieUniversitätsmedizin der Johannes Gutenberg-Universität MainzAugustusplatz 255131 Mainzbruellmd@uni-mainz.de