Studie zu den Freien Berufen

Ein europaweites Erfolgsmodell

In einer umfassenden Untersuchung hat das Europäische Zentrum für Freie Berufe der Universität Köln die Freien Berufe unter die Lupe genommen. Auftraggeber der europaweit vergleichenden Studie, die im Juni veröffentlicht wurde, war der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA).

Der EWSA ist ein in Brüssel angesiedeltes Beratungsgremium der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments, das in seiner Zusammensetzung die Zivil-gesellschaft abbildet. Der EWSA befasst sich seit geraumer Zeit mit den Freien Berufen und will die Studie der Universität Köln als wissenschaftliche Grundlage für seine Arbeit nutzen.

Ziel der Studie, die unter Leitung von Prof. Dr. Martin Henssler und Prof. Dr. Achim Wambach entstand, war es, die gesellschaftliche und die ökonomische Bedeutung der Freien Berufe innerhalb der Europäischen Union darzulegen und den Rechtsrahmen zu untersuchen, der dabei für diese Berufe gilt. Die Studie, die Henssler auf der Klausurtagung der Bundeszahnärztekammer am 11. und 12. Juli 2014 in Mainz vorgestellt hat, besteht im Kern aus einer umfang- reichen vergleichenden Bestandsaufnahme der nationalen Regulierungsvorgaben und ihrer Wirkungen. Zu diesem Zweck hatte das Zentrum für Freie Berufe in fast allen EU-Mitgliedstaaten Befragungen unter den Freien Berufen einschließlich der Zahnärzteschaft durchgeführt.

Die Untersuchung gliedert sich in sechs Abschnitte. Gleich zu Beginn wird der Versuch unternommen, eine Definition des Begriffs Freier Beruf im Spiegel seiner historischen Entwicklung zu geben.

Dabei wird deutlich, dass das Verständnis der Freiberuflichkeit in Europa sehr unterschiedlich ausgeprägt ist. Insbesondere in den skandinavischen Ländern und in Großbritannien ist man mit dem Konzept der Freiberuflichkeit wenig vertraut. Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass es bislang an einer europaweiten Definition des Begriffs Freiberuflichkeit fehlt.

Gewachsene ökonomische Bedeutung

In der Analyse der ökonomischen und der gesellschaftlichen Bedeutung der Freien Berufe, kommen die Autoren der Studie anhand umfangreicher Datenauswertungen zu dem Ergebnis, dass die Freien Berufe in allen Mitgliedstaaten der EU eine wachsende Bedeutung als Wirtschafts- und Beschäftigungsfaktor haben. So ist beispielsweise die Zahl der Selbstständigen in freiberuflich geprägten Wirtschaftszweigen europaweit von 4,6 Millionen im Jahr 2008 auf 5,2 Millionen im Jahr 2012 gestiegen. Der Beitrag der freiberuflich geprägten Wirtschaftszweige zum Bruttosozialprodukt lag 2010 europaweit im Durchschnitt bei 11 Prozent.

Die Freien Berufe tragen also zu mehr als jedem zehnten Euro an Bruttowertschöpfung in der Europäischen Union bei, wobei es jedoch deutliche regionale Unterschiede gibt. So lag der Anteil in Belgien 2010 bei 13,5 Prozent an der Spitze während es bei den Schlusslichtern Bulgarien und Rumänien lediglich 6,5 Prozent waren. In der Bundesrepublik Deutschland nimmt die Wirtschaftsleistung der Freien Berufe im Vergleich zu anderen Staaten der EU mit 11,5 Prozent einen vergleichsweise hohen Anteil am Bruttosozialprodukt ein.

Regulierungsmodelle im Vergleich

Der anschließende Vergleich der nationalen Regulierungsmodelle zeigt, dass die Organisationsformen der Freien Berufe und damit die berufliche Selbstverwaltung in den EU-Mitgliedstaaten durchaus unterschiedlich ausgeprägt sind. Den Autoren zufolge lassen sich zwei Ansätze erkennen. Der sogenannte „Rules-Based“-Ansatz, bei dem eine Vielzahl von Vorgaben für einzelne Tatbestände gemacht werden und der „Principle-Based“- Ansatz, bei dem abstrakte berufsrechtliche Grundsätze formuliert werden, die in der Folge im Einzelfall konkretisiert werden müssen. Während der „Rules-Based“-Ansatz für Kontinentaleuropa kennzeichnend ist, kommt der „Principle-Based“-Ansatz im angelsächsischen Rechtsraum und in Skandinavien zum Tragen. Allen Unterschieden dieser Ansätze zum Trotz kommen die Wissenschaftler jedoch zu der Einschätzung, dass beide Regulierungsmodelle im Ergebnis zu ähnlichen Resultaten kommen.

Unterschiedliche Dichte der Regulierungsvorgaben

Der größte Teil der Studie widmet sich einer vergleichenden Betrachtung der nationalen Regulierungsvorgaben für Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater, Notare, Architekten, Ingenieure, Zahnärzte und Apotheker. In diesem Rahmen werden beispielsweise die einschlägigen Berufszugangs- und Berufsausübungsregeln dargelegt. Dabei kommen die Autoren zu folgenden Schlussfolgerungen: Die Regelungsdichte ist stark abhängig vom jeweiligen Freien Beruf. Rechtsanwälte, Wirtschaftsprüfer und die Heilberufe unterliegen in allen EU-Ländern einer umfassenden Regulierung. Architekten, Ingenieure und ein Teil der Steuerberater sind hingegen in manchen nord- und osteuropäischen Mitgliedstaaten gar nicht oder nur in geringem Umfang reglementiert.

Selbstverwaltung als Wesensmerkmal

Im letzten Kapitel werden spezifische berufsrechtliche Vorgaben dargestellt, die Merkmal fast aller Freien Berufe sind. Dazu zählen insbesondere spezielle Regelungen zur Berufsorganisation wie eine Registrierungspflicht oder die Mitgliedschaft in einer Berufskammer. Das Prinzip der Selbstverwaltung in der einen oder anderen Form lässt sich damit aus Sicht der Wissenschaftler als das besondere Wesensmerkmal der Freien Berufe europaweit identifizieren. Von wenigen Ausnahmen in den skandinavischen Ländern abgesehen, unterliegen die Freien Berufe damit einer besonderen Berufsverwaltung, die den Berufszugang und die Berufsausübung regelt und überwacht. Überwiegend wird diese Verwaltung nicht durch eine staatliche Behörde oder Stelle ausgeübt, sondern von Berufskammern oder Berufsverbänden übernommen, die hierzu gesetzlich ermächtigt werden.

In diesem Zusammenhang ist aus Sicht der Autoren bemerkenswert, dass die Angehörigen der Freien Berufe auch in den Fällen, in denen keine obligatorische Mitgliedschaft in einer Berufskammer vorgeschrieben ist, einen hohen Organisationsgrad im Rahmen eines Berufsverbands erreichen.

Weitere gemeinsame Berufsgrundsätze und Berufspflichten sind die Unabhängigkeit und die Verschwiegenheit, Fort- und Weiterbildungspflichten, die verpflichtende Einrichtung von Qualitätssicherungssystemen oder besondere Vorschriften zur Zusammenarbeit von Freiberuflern in Personen- und Kapitalgesellschaften. Derartige Vorgaben finden sich bei fast allen Berufen in der Mehrzahl der EU-Mitgliedstaaten.

Eine Mehrzahl der Freiberufler ist außerdem über die verpflichtende oder freiwillige Mitgliedschaft in einer Berufskammer oder einem Berufsverband an interne Vorgaben wie Satzungen oder Kodizes gebunden. In diesen Regelungen werden ethische Berufsausübungsgrundsätze festgelegt, etwa in der Form von besonderen Verhaltensweisen bei der Werbung oder bei der Honorar- gestaltung.

Studie leistet Argumentationshilfe

Die Studie des Europäischen Zentrums für Freie Berufe der Universität Köln hat eine Lücke geschlossen. Erstmals liegt ein zu-sammenfassendes Kompendium aller Freien Berufe in Europa vor. Damit ist die Studie eine wertvolle Argumentationshilfe gegenüber den Institutionen der EU, um die gewachsene ökonomische und die gesellschaftliche Bedeutung der Freien Berufe wissenschaftlich zu untermauern. Gleichzeitig gelingt den Autoren der Nachweis, dass die berufliche Selbstverwaltung der Freien Berufe, bei allen Unterschiedlichkeiten in der Ausprägung, europaweit ein bewährtes und erfolgreiches Konzept ist.

Dr. Alfred BüttnerBundeszahnärztekammerLeiter der Abteilung Europa | Internationales der Arbeitsgemeinschaftder Deutschen Zahnärztekammern e.V.a.buettner@bzaek.eu

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