Digitalisierung des Gesundheitssystems

Der deutsche Weg

Die Digitalisierung schreitet schneller voran als die Gesundheitssysteme. Während die Industrie 4.0 passiert hat, weilt die Medizin in der BRD auf dem Stand von 2.0, sagen die einen. Das hat Gründe, geht es doch gerade beim Thema Gesundheit nicht allein um das technisch Machbare, sagen die anderen. Die Techniker Krankenkasse hat bei ihrem Zukunftskongress zur Gesundheit in der digitalen Welt beide Seiten zu Wort kommen lassen.

Während die USA und etwa Schweden bereits zahlreiche digitale Hilfsmittel in der medizinischen Versorgung einsetzen, mahlen die deutschen Mühlen deutlich langsamer. Fragen des Datenschutzes wollen gründlich geklärt sein, bevor intime Gesundheitsinformationen fließen.

Der Health Style kommt

Fest steht: Der „Health-Style-Markt“ wächst stetig. Die Industrie hat viel zu tun. Denn die (präventive) Arbeit am eigenen Gesundheitsverhalten eröffnet neue Bereiche in analogen und digitalen Produkt- und Dienstleistungsmärkten. Ob Uhr oder App – persönliche Gesundheitsassistenten ziehen in Wohnräume, Kleidung und mobile Endgeräte ein. Ein Hersteller eines tragbaren Bewegungsmessers – neudeutsch unter die sogenannten Wearables fallend „Tracker“ genannt – machte auf dem TK-Kongress in Berlin folgende, unkommentierte Aussage: Am Tag erzeugte körperliche Inaktivität, durch eben solche Tracker gemessen und dem Träger unverzüglich gemeldet, lasse sich durch eine abendliche Aktivität nicht mehr kompensieren. Glaubt man dem, könnte man in Versuchung geraten, erst gar nicht mehr zum Schwimmen, Tanzen oder Turnen aufzubrechen.

Welche Konsequenz man aus den errechneten Ergebnissen der neuen Health-Style-Geräte zieht, bleibt jedem selbst überlassen. Klar ist aber, wer die neuen Geräte benutzt, kann sich von der Technik steuern lassen und generiert persönliche Daten, die an einem Ort gespeichert werden. Nach dem Motto „Gehört mein Puls noch mir?“ warnen Skeptiker davor, persönliche Gesundheitsdaten sorglos an Firmen weiterzugeben – denn hinter jedem tragbaren Tracker steht ja eine Firma, die die Daten sammelt.

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Die Chancen des Digitalen

Anders als im Health-Style-Bereich schreitet die digital gestützte Medizin hierzulande langsam voran, wenngleich gute Gründe dafür sprechen könnten. Dies gilt sowohl für die medizinische Versorgung im ländlichen Bereich als auch in urbanen Ballungszentren. Denkbar ist doch – und in anderen Ländern bereits gängige Praxis –, dass sich Arzt und Patient via Videokonferenz dort über Gesundheitsfragen austauschen, wo die analoge Sprechstunde nicht zwingend notwendig ist.

Ein Beispiel: Dr. Klaus Strömer, der den Berufsverband der Deutschen Dermatologen anführt, bietet seit Kurzem eine Video-Sprechstunde an. Patienten können Kontrolltermine mithilfe einer Software und einer Webcam wahrnehmen. Zuvor müssen sie den Arzt einmal persönlich konsultiert haben. Prospektiv könnten auf dem Land unnötige Fahrten eingespart werden, gerade dann, wenn Arzt und Patient weite Wege trennen. In der Stadt könnten dagegen unnötige Wartezeiten in vollen Sprechstunden abgeschafft werden. Aktuell warten Patienten bekanntlich monatelang auf einen Termin beim Facharzt.

„Neue Technologien können uns helfen, unser gutes Gesundheitssystem noch besser zu machen. Sie tragen dazu bei, die demografischen Herausforderungen erfolgreicher anzugehen und eine flächendeckende medizinische Versorgung auf hohem Niveau dauerhaft sicherzustellen. Das setzt aber die Bereitschaft voraus, sich konsequent mit den Möglichkeiten neuer Technologien auseinanderzusetzen“ erklärte Lutz Stroppe, Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium, auf dem TK-Kongress. Ziel sei, dass Patienten und Ärzte vom medizinischen Fortschritt profitieren – und zwar unabhängig von ihrem Wohnort. Stroppe: „Mit dem E-Health-Gesetz haben wir die notwendigen Rahmenbedingungen gesetzt, um den Aufbau einer sicheren Telematikinfrastruktur endlich zu ermöglichen und Telemedizin in die Regelversorgung aufzunehmen.“ Die Teilhabe am Fortschritt in der Medizin allen Menschen zu ermöglichen, sei aber eine Gemeinschaftsaufgabe für alle Player im Gesundheitswesen.

Dass die digitale Welt eine kurative und eine krank machende Seite aufweise, betonte TK-Chef Dr. Jens Baas. Man sei dabei, die positiven Seiten der Digitalisierung herauszufiltern. Letztlich könnten positive Beispiele in die Regelversorgung überführt werden, wenn sie sich nachweislich bewährt haben. Dass der Mensch keine Maschine ist und auch die digitale Dosis das Gift macht, ist bekannt. Die Industrie wird also auch immer mal zurückschauen müssen, ob die neuen technischen Möglichkeiten den Bedürfnissen des Menschen überhaupt entsprechen. Am Ende steht also die Frage: Cui bono?

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