Nur müde oder doch schon krank
Der nicht erholsame Schlaf ist ein Phänomen, das in unserer modernen Welt sehr weit verbreitet ist. Er geht einher mit einer erhöhten Tagesmüdigkeit und -schläfrigkeit. Geschätzt wird, dass rund ein Prozent der deutschen Bevölkerung so ausgeprägte schlafmedizinische Beschwerden aufweist, dass eine polysomnografische Untersuchung mit Tagschlaftest im Schlaflabor angezeigt ist, so die Angaben in den Leitlinien. Denn ein nicht erholsamer Schlaf ist keineswegs gesundheitlich unbedenklich. Er kann Folge einer Erkrankung sein und den Betreffenden erheblich gefährden, sei es durch langfristige gesundheitliche Konsequenzen des Schlafmangels oder auch durch eine erhöhte Unfallgefahr infolge einer ausgeprägten Tagesmüdigkeit.
Müdigkeit, Fatigue, Tagesschläfrigkeit
Zu differenzieren ist, ob einfach eine allgemein erhöhte Müdigkeit oder ob eine hohe Tagesschläfrigkeit besteht. Die Tagesschläfrigkeit geht mit einem erhöhten Schlafdrang mit reduzierter zentralnervöser Aktivierung einher, was sich durch eine eingeschränkte Wachheit und Daueraufmerksamkeit bemerkbar macht. Mit dem Begriff der Müdigkeit wird hingegen zumeist ein subjektives Befinden beschrieben, wobei die Betreffenden in aller Regel weitere Symptome wie ein Gefühl der Schlappheit, Erschöpfung und einen Mangel an Energie angeben. Die Befindlichkeitsstörung tritt meist nur vorübergehend als Folge eines Schlafmangels auf, kann durch ein vermehrtes Schlafen behoben werden und muss im Normalfall nicht medizinisch abgeklärt werden. Anders ist das beim Phänomen der Fatigue, das vor allem im Zusammenhang mit Tumorerkrankungen in der Öffentlichkeit bekannt wurde.
So ist häufig auch von der sogenannten Tumormüdigkeit die Rede. Diese Bezeichnung signalisiert bereits, dass es nicht selten als Folge einer Krebserkrankung und/oder im Zusammenhang mit deren belastender Behandlung zum Auftreten einer erheblichen Müdigkeit kommen kann. Anders als die gemeinhin mit dem Ausdruck „müde“ bezeichneten Beschwerden ist die Fatigue jedoch ein den betreffenden Menschen massiv belastendes Problem, das sich nicht durch vermehrtes Schlafen beheben lässt. Die Betroffenen fühlen sich vielmehr wie zerschlagen, es fehlt ihnen an Kraft, Energie und Antrieb und sie sind oftmals kaum in der Lage, ihren normalen Alltag zu bewältigen. Die Fatigue tritt keineswegs nur in Assozia-tion mit einer Krebserkrankung auf. Sie kann auch im Zusammenhang mit anderen schweren Erkrankungen manifest werden oder auch isoliert als sogenanntes chronisches Müdigkeitssyndrom (Chronic Fatigue Syndrome, CFS).
###more### ###title### Funktionen des Schlafes ###title### ###more###
Funktionen des Schlafes
Der Schlaf dient der psychischen und der physischen Erholung und damit letztlich der „Entmüdung“. Erfolgt – gleich aus welchen Gründen – diese Entmüdung nicht, ist der Schlaf „nicht erholsam“. Auf Dauer können gesundheitliche Beeinträchtigungen drohen. Außerdem sind meist Einschränkungen der körperlichen und der psychischen und damit auch der beruflichen Leistungsfähigkeit wie auch des sozialen Lebens die Folge, was in unserer modernen Leistungsgesellschaft relevante und sozialmedizinisch bedeutsame Konsequenzen haben kann. Ob ein nicht erholsamer Schlaf vorliegt, lässt sich diagnostisch mit Hilfe von speziellen Schlaffragebögen sowie über Skalen zur Tagesmüdigkeit und Tagesschläfrigkeit fassen, über das Führen eines Schlaftagebuchs und auch über apparative Untersuchungen wie die Polysomnografie. Es handelt sich hierbei um eine schlafmedizinische Untersuchung mit kardiorespiratorischer Überwachung im Schlaflabor.
Nicht richtig erholt – die Ursachen
Die Gründe für einen nicht erholsamen Schlaf sind mannigfaltig. Ein Schlafmangel, also eine nicht ausreichende Schlafzeit in-folge nicht adäquater Schlafhygiene, kann ein Trigger sein. Infrage kommen ferner Störungen des Schlafes entweder als Insomnie, als Parasomnie oder zum Beispiel durch schlafbezogene Bewegungsstörungen. Die Ursache kann ferner in Erkrankungen wie schlafbezogenen Atmungsstörungen – besser bekannt unter dem Begriff der Schlaf- apnoe – liegen oder auch in einer zirkadianen Schlaf-Wach-Rhythmusstörung.
###more### ###title### Schlafmangelsyndrom ###title### ###more###
Schlafmangelsyndrom
Sehr häufig liegt den Beschwerden ein sogenanntes Schlafmangelsyndrom zugrunde. Dieses kann schwierig zu fassen sein, denn es gibt kein objektives Maß für die Schlafzeit, die im individuellen Fall notwendig ist, um sich ausgeschlafen und körperlich wie auch psychisch fit und leistungsfähig zu fühlen. Laut Angabe in den Leitlinien liegt die durchschnittliche Schlafzeit in den Industrieländern bei sieben Stunden mit üblicherweise verlängerter Schlafdauer am Wochenende sowie im Urlaub. Das Schlafmangelsyndrom kann dabei laut Leitlinie abhängig vom Aus maß zu einer Reihe von Beschwerden führen wie Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen, Zerstreutheit, Antriebsmangel, Stimmungsschwankungen, Erschöpfung, Rastlosigkeit und Koordinationsstörungen. Es kann als Folge der Schlafdeprivation aber auch zu gastrointestinalen Beschwerden wie Übelkeit und Appetitlosigkeit kommen sowie zu Muskelschmerzen.
Dem Schlafmangel zugrunde liegt oftmals eine inadäquate Schlafhygiene, also ein den gesunden Nachtschlaf nachhaltig störendes Verhalten. Dazu gehören zum Beispiel der Schlaf am Tag einschließlich des „kleinen Nickerchens“ zwischendurch, unregelmäßige Aufsteh- und Zubettgehzeiten, ein über- mäßiger oder später Konsum von Koffein, Nikotin und Alkohol sowie eine verstärkte körperliche Aktivität vorm Schlafengehen. Außerdem können ungünstige Schlafbedingungen wie zum Beispiel ein hoher Geräuschpegel, fehlende Dunkelheit im Schlafraum, eine zu hohe oder zu niedrige Raumtemperatur, eine durchgelegene Matratze und allgemein ein unbequemes Bett einen erholsamen Schlaf verhindern. Das gilt ebenso für nächtliches Grübeln, hohe Stressbelastungen oder emotional belastende Lebenssituationen. Bei der Behandlung des Schlafmangel- syndroms geht es folglich primär darum, die schlafstörenden Faktoren zu eliminieren oder zumindest zu minimieren, um wieder eine erholsame Nachtruhe mit ausreichender Schlafdauer zu gewährleisten.
###more### ###title### Störungen des zirkadianen Rhythmus ###title### ###more###
Störungen des zirkadianen Rhythmus
Unsere Schlaf- und Wachphasen unterliegen normalerweise einem zirkadianen Rhythmus, der dem geophysikalischen Tag-Nacht-Rhythmus angepasst ist. Gesteuert wird die innere Zeitgebung über endogene Schrittmacher, wobei Photorezeptoren, die den Hell-Dunkel-Rhythmus erfassen, beteiligt sind sowie die Körpertemperatur und Hormone wie das Melatonin. Kommt der chronobiologische Rhythmus aus dem Takt, sind Schlafstörungen vorprogrammiert. Ursachen für eine Störung im zirkadianen Rhythmus sind nicht selten Schichtarbeit oder auch ein Jetlag nach Reisen über mehrere Zeitzonen hinweg. Bei Flügen in Richtung Osten wird als Folge der Zeitverschiebung eine „Verkürzung“ des Tages erlebt, bei Reisen in Richtung Westen eine „Verlängerung“. Die meisten Menschen tolerieren dabei Flüge in Richtung Osten schlechter als Flüge in Richtung Westen. Sie reagieren zumeist mit Ein- und Durchschlafstörungen, Tagesschläfrigkeit und einer verminderten Leistungsfähigkeit am Tag. Die Beschwerden halten in aller Regel jedoch nur wenige Tage an, währenddessen sich der Körper an die veränderte Zeit- gebung adaptiert und das Schlafverhalten sich wieder normalisiert.
Schwieriger ist die Situation, wenn Schichtarbeit der Auslöser des gestörten zirkadianen Rhythmus ist. Denn in der Mehrzahl der Fälle ist diese Ursache, also die Schichtarbeit, nicht ohne Weiteres zu vermeiden. Die Betroffenen klagen häufig über einen fragmentierten Schlaf und/oder eine zu kurze Schlafdauer, wenn der Schlaf zu Zeiten erfolgen muss, in denen der Körper von seiner chronobiologischen Situation darauf eigentlich nicht ausgerichtet ist.
###more### ###title### Folge von Erkrankungen ###title### ###more###
Folge von Erkrankungen
Es gibt verschiedenste Krankheitsbilder, die unser Schlafverhalten nachhaltig beeinträchtigen und damit auch Auslöser eines nicht erholsamen Schlafes sein können. Gut bekannt ist dies von psychischen Erkrankungen. So können Depressionen, Angsterkrankungen, aber auch Suchterkrankungen und die Schizophrenie mit massiven Schlafstörungen einhergehen. Auch bei neurologischen Krankheitsbildern wie der Demenz, aber auch bei einer Multiple Sklerose sowie bei einer Parkinsonschen Erkrankung kommt es sehr häufig zu einem gestörten und damit nicht erholsamen Schlaf. Schlafstörungen liegen per se vor bei Krankheitsbildern wie der Narkolepsie, dem Restless-Legs-Syndrom sowie den periodischen Beinbewegungen im Schlaf. Davon abgesehen können auch internistische Grunderkrankungen den Schlaf stören. Bekannt ist dies beispielsweise von der Hypertonie, der Hyperthyreose, der gastroösophagealen Refluxkrankheit, der nächtlichen kardialen Ischämie, dem Asthma sowie der COPD und allen Krankheitsbildern, die mit Schmerzen einhergehen.
Die Schlafapnoe
Ein Krankheitsbild, bei dem der nicht erholsame Schlaf zu den Leitsymptomen gehört, sind die schlafbezogenen Atmungsstörungen (SBAS), besser bekannt unter dem Begriff der Schlafapnoe. Es kommt bei der Erkrankung zum wiederholten Aussetzen der Atmung, den sogenannten Apnoephasen, während des Schlafes. Von einer manifesten Erkrankung ist auszugehen, wenn pro Stunde Schlaf mindestens zehn Apnoephasen von mindestens zehn Sekunden Dauer auftreten. Als Folge der Atempausen sinkt der Sauerstoffgehalt im Blut, was quasi als Alarmreaktion zu einem kurzen Erwachen führt. Solche vom Schläfer selbst meist nicht bemerkten Weckreaktionen, sogenannte Arousal-Reaktionen, stören den Schlaf nachhaltig, was die hohe Tagesmüdigkeit der Betroffenen erklärt.
Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und eine erhöhte Einschlafneigung mit allen damit verbundenen Risiken wie einem erhöhten Unfallrisiko im Straßenverkehr und beim Bedienen von Maschinen sind die Konsequenz. Infolge der zum Teil hohen Druckschwankungen im Thorakalraum leistet die Schlafapnoe zudem der Entwicklung kardiovaskulärer Erkrankungen wie Hypertonie und Herzrhythmusstörungen Vorschub und bahnt damit Komplikationen wie Herzinfarkt, Schlaganfall und plötzlichem Herztod den Weg. Zu den charakteristischen Symptomen der Schlafapnoe gehören neben dem nicht erholsamen Schlaf und der hohen Tagesmüdigkeit auch das laute Schnarchen, morgendliche Kopfschmerzen, Nachtschweiß, sexuelle Lustlosigkeit und beispielsweise eine erhöhte Nervosität und Reizbarkeit bis hin zu aggressivem Verhalten.
Besonders häufig ist mit einer Prävalenz von etwa acht Prozent in der erwachsenen Bevölkerung das obstruktive Schlafapnoesyndrom (OAS), das gekennzeichnet ist durch periodisch wiederkehrende Obstruktionen der oberen Atemwege während des Schlafes. Ursache ist häufig ein erhebliches Übergewicht, so dass den Betroffenen zunächst zur Gewichtsnormalisierung geraten wird. Alkohol und Medikamente wie etwa die Benzodiazepine, die die Muskelspannung herabsetzen, sollten gemieden werden. Eine gezielte medikamentöse Behandlung der Schlafapnoe ist bislang nicht möglich, die Therapie der Wahl besteht, wenn allgemeine Maßnahmen nicht ausreichen, in einer Überdruckbeatmung während des Schlafes. Diese erfolgt über eine Atem- maske, wobei je nach Beatmungsdruck unterschiedliche Verfahren zur Anwendung kommen wie beispielsweise die CPAP-Therapie (Continous Positive Airway Pressure) oder die BiPAP-Beatmung (Biphasic Positive Airway Pressure).
###more### ###title### Narkolepsie ###title### ###more###
Narkolepsie
Die Narkolepsie ist laut Leitlinie charakterisiert durch die beiden Hauptsymptome der Tagesschläfrigkeit sowie der Kataplexie, dem kurzzeitig auftretenden Verlust des Muskeltonus ohne Bewusstseinstrübung. Auslöser sind in aller Regel affektive Stimuli wie Freude, Ärger, Erregung oder Erschrecken. Bei der Erkrankung, die nicht durch einen Schlafmangel bedingt ist, besteht eine erhöhte Einschlafneigung am Tag infolge einer herabgesetzten physiologischen Schwelle der Einschlafneigung. Therapeutisch stehen nicht-medikamentöse Copingstrategien im Vordergrund, empfohlen wird in den Leitlinien das Einhalten regelmäßiger Schlafepisoden zur Symptomunterdrückung. Meist muss zusätzlich eine medikamentöse Behandlung erfolgen mit Stimulanzien gegen die Schläfrigkeit und/oder mit Antidepressiva zur Therapie der Kataplexien, Halluzinationen und Schlaflähmungen. Gelegentlich ist darüber hinaus eine Behandlung des gestörten Nachtschlafs mit Benzodiazepinen erforderlich, heißt es in den Empfehlungen der Fachgesellschaften. Die Präparate müssen abhängig von der Frequenz und des Schweregrads der Symptome kombiniert werden.
Schlafstörungen bei Kindern
Der nicht erholsame Schlaf ist nicht nur bei Erwachsenen, sondern auch bei Kindern ein keineswegs seltenes Phänomen. Literaturangaben zufolge werden bei rund 30 Prozent der Kinder Schlafstörungen berichtet, wobei Einschlafstörungen und häufiges Erwachen im Vordergrund stehen. Begünstigt werden solche Störungen und damit ein nicht erholsamer Schlaf durch eine äußere Reizüberflutung infolge eines hohen Medienkonsums, wie in den Leitlinien betont wird. Eine wichtige Rolle spielen im Kindesalter ferner psychoreaktive Schlafstörungen. Hierbei handelt es sich insbesondere um Reaktionen auf nicht adäquat verarbeitete Tageserlebnisse und um Ängste, zum Beispiel um Schulängste oder um Trennungsängste bei familiären Konfliktsituationen.