„Terminservicestellen sind Humbug“
Zum Auftakt des 118. Deutschen Ärztetages in Frankfurt am Main warnte Montgomery davor, die Freiberuflichkeit der deutschen Ärzteschaft durch staatliche Überregulierung „in altbekannter Salamitaktik“ Scheibe um Scheibe zu beschneiden. „Freiberuflichkeit sichert freie medizinische Entscheidungen. Sie sichert die Unabhängigkeit des Patienten-Arzt-Verhältnisses. Sie sichert damit Patientenrechte. Und das muss so bleiben“, betonte Montgomery bei der feierlichen Eröffnungsveranstaltung in der Frankfurter Paulskirche.
Der BÄK-Präsident zielte mit seiner Kritik vor allem auf das geplante GKV-Versorgungsstärkungsgesetz (GKV-VSG) ab. Das Gesetz steht kurz vor seiner Verabschiedung durch den Bundestag und soll insbesondere die ambulante ärztliche Versorgung verbessern. Auch wenn Montgomery das Gesetz nicht samt und sonders ablehnte, stellte er klar, dass ihm einige Punkte starkes Kopfzerbrechen bereiten. Hierzu gehört zum Beispiel die geplante Regelung zum Aufkauf von frei werdenden Arztsitzen in überversorgten Gebieten durch die Zulassungsausschüsse der Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) und Krankenkassen. Zwar sei es gelungen, die Überversorgungsgrenze, ab der die Regelung zum Zwangsaufkauf greift, von 110 auf 140 Prozent anzuheben, so Montgomery. Dennoch stelle das ganze Verfahren einen Angriff auf die Freiberuflichkeit dar. „Statt den klugen Weg zu gehen und sinnvolle Anreize zu setzen, wird mit bürokratischen Verfahren die Freiberuflichkeit eingeschränkt.“
Montgomery verwies zudem auf die umstrittenen Terminservicestellen. „Auch hier stirbt wieder ein Stück Freiheit, nämlich das Recht auf freie Arztwahl“, so der BÄK-Präsident. Er bezeichnete die Regelung als „Humbug“, zumal eine aktuelle Umfrage der IKK classic ergeben habe, dass drei Viertel der Deutschen mit der Terminsituation bei ihren Haus- und Fachärzten zufrieden seien. Auch wertete er es als einen „rein populistischen Schachzug“, Patienten das Recht zugestehen zu wollen, sich nach einer Wartezeit von vier Wochen auf einen Termin bei einem niedergelassenen Arzt im Krankenhaus behandeln lassen zu dürfen. Die Krankenhausärzte habe niemand gefragt, ob sie überhaupt die Kapazität haben, diese zusätzlichen Patienten zu versorgen. „Und noch immer offen ist unsere Forderung nach einem Ausgleich für die beträchtliche Zahl verabredeter, aber von den Patienten nicht eingehaltener Termine“, schob Montgomery hinterher. Auch hier sei die Politik gefordert.
###more### ###title### Kritik am Versorgungsgesetz ###title### ###more###
Kritik am Versorgungsgesetz
Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) wies die Kritik mit dem Argument zurück, die angesprochenen Punkte bildeten nicht den Kern des GKV-VSG. Dem Gesetzgeber ginge es vielmehr vorrangig darum, mit dem Ausbau von Strukturfördermitteln künftig deutschlandweit Anreize für Neuniederlassungen zu schaffen, bevor eine regionale Unterversorgung entsteht. Damit dokumentiere die Politik zugleich ihr Vertrauen in die gemeinsame Selbstverwaltung, „phantasievolle Anreize“ für eine Niederlassung zu setzen. Auch sei es Aufgabe der Selbstverwaltung, die Bedarfsplanung bis zum kommenden Jahr zu überarbeiten, um so eine vernünftige Grundlage für den Aufkauf von Arztsitzen zu schaffen. Gröhe betonte, dass die geplante Regelung keinen Zwangsaufkauf beinhalte, sondern dass jeweils der Einzelfall betrachtet werden müsse. Hinsichtlich der geplanten „Terminservicestellen“ machte Gröhe deutlich, dass die freie Arztwahl dadurch nicht eingeschränkt werde, da die Patienten selbst entscheiden könnten, ob sie lieber auf einen Termin bei einem Arzt ihrer Wahl warten oder das Alternativangebot wahrnehmen wollen.
Weniger Dissens gab es zwischen Montgomery und dem Bundesgesundheitsminister hinsichtlich der geplanten Regelung zum Recht auf das Einholen einer Zweitmeinung bei bestimmten Eingriffen. Dieses Ansinnen sei grundsätzlich zu begrüßen und werde von der Ärzteschaft schon lange gefordert, so der BÄK-Präsident. Allerdings müsse dies auf freiwilliger Basis geschehen und entsprechend vergütet werden. „Das Einholen einer Zweitmeinung ist ein Recht, darf aber keine Pflicht werden. Deswegen lehnen wir eine obligatorische Zehn-Tage-Frist ab!“ Weitgehend Einigkeit herrschte zudem beim Thema Sterbehilfe. Ziel des geplanten Hospizgesetzes sei es, die Begleitung beim Sterben und nicht zum Sterben zu regeln, erklärte Gröhe. Unterstützung sicherte er der Ärzteschaft auch hinsichtlich ihrer Kritik am zunehmenden Normierungstrend auf europäischer Ebene zu. Die europäischen Normungsinstitute würden einer Dampfwalze gleich immer mehr die die ärztliche Berufsausübung tangierenden Normen ins Visier nehmen, warnte Montgomery. Als Beispiel nannte er die Norm zur „ästhetischen Chirurgie“. Gröhe betonte, dass Deutschland sich die Normungswut aus Brüssel nicht gefallen lassen werde.
###more### ###title### „Schnellstens GOÄ anpacken“ ###title### ###more###
„Schnellstens GOÄ anpacken“
Zustimmung erhielt der Bundesgesundheitsminister auch für sein Versprechen, die GOÄ-Reform nach 20 Jahre währendem Stillstand endlich auf den Weg zu bringen. „Was in der letzten Legislaturperiode für die Zahnärzte gelungen ist, muss jetzt zeitnah auch für die Ärzte umgesetzt werden“, versicherte Gröhe. Positiv bewertete Montgomery die im Gesetzentwurf angelegte verstärkte Förderung der Weiterbildung in der Allgemeinmedizin. So sollen nach den Plänen der Regierung künftig Finanzmittel für 7 500 Ärzte in der Weiterbildung zur Verfügung stehen. Bisher reichten die Mittel für 5 000 Ärzte. „Dieses Geld muss aber den Kollegen in der Weiterbildung und in den Weiterbildungspraxen direkt zugutekommen und darf nicht in irgendwelchen Instituten versickern“, forderte Montgomery. Scharfe Kritik übte der BÄK-Vorsitzende dagegen an den Bundesländern. Die zum Teil prekäre Personal- und Finanzsituation in vielen Krankenhäusern sei vor allem darauf zurückzuführen, dass die Länder nicht ausreichend investierten. Bundesweit sei mittlerweile ein Fehlbetrag von über 30 Milliarden Euro aufgelaufen. „Da sparen die Krankenhäuser dann bei den Betriebsausgaben. Und das geht zulasten der Versorgung“, so Montgomery.
Mit Blick auf die geplante Krankenhausreform stellte der BÄK-Präsident klar, dass die Ärzteschaft ihre Verantwortung für die Qualitätssicherung in der Patientenversorgung wahrnimmt. Für eine weitere Verbesserung der Versorgungsqualität sei aber kein neues Qualitätsinstitut erforderlich, bei dem die Ärztekammern noch nicht mal im Beirat vertreten sein sollen. Vielmehr sei es sinnvoll, in die von der Ärzteschaft getragenen Verfahren zur Qualitätssicherung zu investieren. Bei der sich an die Eröffnungsveranstaltung anschließenden Versammlung des Plenums des Deutschen Ärztetages standen neben der aktuellen Gesundheitspolitik noch andere Themen im Fokus. Einen Schwerpunkt bildete beispielsweise die Diskussion über den Ausbau der kommunikativen Kompetenz von Ärzten. Ferner befassten sich die Delegierten eingehend mit der Frage, welche Maßnahmen gegen die Bedrohung durch globale Epidemien sinnvoll sind.
Petra SpielbergFachjournalistin65207 Wiesbadenp.spielberg@t-online.de