Qualität in der Medizin

Zahnheilkunde ist anders

Zu einem hochkarätig besetzten Workshop hatten die Bundeszahnärztekammer (BZÄK) und die Kassenzahnärztliche Bundesvereinigung (KZBV) eingeladen. Experten aus Gesundheitspolitik, Wissenschaft und Selbstverwaltung diskutierten am 5. März zum Thema Qualitätssicherung medizinischer Behandlungen. Allen Beteiligten wurde dabei klar, dass die Spezifika des zahnärztlichen Versorgungsbereichs bei der Qualitätsbewertung berücksichtigt werden müssen.

Zur Begrüßung stellten der Präsident der Bundeszahnärztekammer, Dr. Peter Engel, und der Vorstandsvorsitzende der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Wolfgang Eßer, als Gastgeber die „Agenda Qualitätsförderung“ der Zahnärzteschaft in den Blickpunkt. So unterstrich etwa Engel, dass der Berufsstand die Förderung und Sicherung der Qualität als eigene zentrale Aufgabe begreife, und betonte, dass es in der Zahnmedizin aufgrund der sehr individuellen Behandlungssituationen und der Vielfalt der Behandlungsmethoden keine standardisierte Qualität geben könne. Engel: „’One fits all’ ist hier der falsche Weg.“ Es sei aber für die Zahnärzteschaft eine Selbstverständlichkeit, dem Patienten eine hohe Qualität zu liefern. „Qualität ist, wenn der Kunde zurückkommt, und nicht das Produkt“, so Engel. Qualitätsmanagement, Qualitätssicherung und Leitlinien seien daher zu festen Bestandteilen in den Abläufen der zahnärztlichen Praxis geworden.

Qualitätskontrolle durch Berufsstand

Auf den einzelnen Patienten übertragen bedeute Qualitätsförderung eine gesteigerte Lebensqualität durch den Erhalt der natürlichen Zähne bis ins hohe Alter. Der Patient mit seinen Wünschen und Bedürfnissen sei der wichtigste Maßstab zahnärztlicher Arbeit. Engel: „Eine vertrauensvolle Zahnarzt-Patienten-Beziehung ist die Basis, ohne die zahnmedizinische Qualität langfristig nicht bestehen kann.“ Zur Qualitätssicherung habe die berufliche Selbstverwaltung ein bewährtes System aufgebaut. Die Zahnärzteschaft habe bewiesen, dass sie als Freier Beruf in der Lage ist, eigenständig Konzepte zur Sicherung einer qualitativ hochwertigen Versorgung zu entwickeln und umzusetzen. „Dass Zwang und Kontrolle die Hoffnung auf eine bessere Qualität der Versorgung erfüllen, darf bezweifelt werden. Vielmehr sorgen die Überregulierung und die Bürokratisierung des Gesundheitswesens dafür, dass Zahnärzte immer weniger Zeit für ihre Patienten haben“, so Engel.

Der KZBV-Vorsitzende Dr. Wolfgang Eßer hob hervor, dass die Zahnärzteschaft mit ihrer Agenda auch deut-lich machen wolle, dass man sich „in einem kontinuierlichen internen Lern- und Überprüfungsprozess befindet für eine stetige Verbesserung der zahnmedizinischen Versorgung“. Ziel sei die ständige Verbesserung der Mundgesundheit der Bevölkerung. Die Förderung und die Sicherung von Qualität seien wesentliche Voraussetzungen für ein leistungsfähiges Gesundheitssystem. Die Initiativen des Berufsstands zur zahnärztlichen Qualitätsförderung wie die Patientenberatungsstellen, das Zweitmeinungsmodell oder das Gutachterwesen seien gelebte Selbstverwaltung im Sinne der Patienten. Eßer: „Die Zahnärzteschaft hat hier eine Vorreiterrolle im Gesundheitswesen übernommen.“

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Zahnmedizin als eigener Sektor

Grundlegend sei in der Zahnmedizin die Tatsache, dass für eine Befundsituation in der Versorgung oft mehrere wissenschaftlich abgesicherte Therapiealternativen vorliegen. Eßer: „Es gibt nicht die eine objektiv richtige Behandlung, sondern in jedem Einzelfall verständigen sich Patient und Zahnarzt im Dialog über die individuell geeignete Therapie. Daher ist auch die Qualität einer zahnmedizinischen Versorgung immer auf das erreichbare individuelle Optimum für den jeweiligen Patienten bezogen. Es gibt keine Standardqualität“, so Eßer. Man könne aber den Eindruck gewinnen, dass in der Gesundheitspolitik und in der Selbstverwaltung die Stellung der Zahnmedizin als eigenständiger Sektor „noch nicht wirklich verinnerlicht“ worden sei. Gerade hier setze der Workshop von BZÄK und KZBV an: Aufgrund der Besonderheiten in der zahnmedizinischen Versorgung müsse die Qualitätsförderung in der Zahn- medizin sektorbezogen erfolgen, wenn sie zur Verbesserung der Patientenversorgung beitragen soll.

In diesem Anliegen wurden die Workshop-Initiatoren vom Direktor der Akademie für zahnärztliche Fortbildung Karlsruhe, Prof. Dr. Winfried Walther, unterstützt. Walther, der die Veranstaltung moderierte, veranschaulichte in einem Vortrag die Wesenszüge der deutschen Zahnmedizin und griff ebenfalls die „Agenda Qualitätsförderung“ von BZÄK und KZBV auf. Mit Blick auf die Besonderheiten der zahnmedizinischen Versorgung bilanzierte er: „Die zahnärztliche Versorgung hat weder mit der ambulant-ärztlichen noch mit der stationären Versorgung nennenswerte Schnittmengen. Patienten werden in der Regel innerhalb des zahnärztlichen Sektors behandelt.“

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Bereich mit besonderer Struktur

Dies konnte auch Prof. Dr. Ferdinand M. Gerlach, Vorsitzender des Sachverständigenrats (SVR) zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen, unterstreichen. In seinem Impulsstatement (siehe Kasten) stellte er fest, dass der SVR schon 2012 auf die Eigenständigkeit des zahnmedizinischen Sektors hingewiesen habe: „Aufgrund der besonderen Struktur des zahnärztlichen Bereichs, die kaum Schnittpunkte mit anderen Bereichen aufweist, sind die Möglichkeiten einer Qualitätssicherung auf der Basis von sektoren-gegenseitiger Qualitätsmessung sehr eingeschränkt.“

Dass dies nicht ganz an der Politik vorbeigegangen ist, bewies der Leiter des Referats für die vertragszahnärztliche Versorgung im Bundesministerium für Gesundheit (BMG), Andreas Brandhorst, der Verständnis für die Situation der Zahnärzteschaft zeigte. Er räumte ein, Ergebnisqualität zu messen sei in der Zahnmedizin wahrlich schwierig. Man könne zwar Verlustraten bei Zahnersatz ermitteln oder Extraktionen nach Wurzelfüllungen. Auf die einzelne Praxis angewandt seien die Fallzahlen aber häufig zu gering, um allgemeine Aussagen über die Qualität von zahnärztlichen Behandlungen treffen zu können. Entscheidend komme in der Zahnmedizin hinzu, dass sie für einen Behandlungserfolg unabdingbar auf die Compliance des Patienten angewiesen ist. Damit seien viele herkömmliche Methoden zur Messung der Qualität zahnmedizinischer Behandlungen obsolet.

Transparenz wichtig für Patienten

Prinzipiell unterstrich Brandhorst die Bedeutung der Qualität und der Qualitätsmessung in der Gesundheitsversorgung hierzulande für die Große Koalition. Der hohe Stellenwert lasse sich auch daran erkennen, dass man nicht umsonst im Koalitionsvertrag eine „Qualitätsoffensive“ vereinbart habe. Zudem bestehe ein hohes Interesse der Bürger nach Transparenz in diesem Bereich. Die Politik habe dem mit der Gründung des Instituts für Qualitätssicherung und Transparenz im Gesundheitswesen (IQTiG) entsprochen.

Dessen Leiter, Dr. Christof Veit, sah ebenfalls die Spezifika zahnärztlicher Behandlungen: Aufgrund der kleinen Organisationseinheiten der Zahnarztpraxen hätten diese selten statistische Verfahren für ihr Qualitätsmanagement gewählt, sondern würden dieses durch kontinuierliche Schritte der Prozessverbesserung und der Kontrolle anhand der eigenen kasuistischen Erfahrung realisieren. Damit stünden derzeit wenig statistische Zahlen zur Qualitätsbewertung zur Verfügung. Dies sei typisch für „small business QM“. Qualitätsmessung als solche sei aber kein Selbstzweck. „Für die Politik und die Öffentlichkeit geht es beim Thema Qualität medizinischer Leistungen auch um die Glaubwürdigkeit und Transparenz der Akteure sowie um die Frage ’Macht der Berufsstand ein Qualitätsmanagement, das selbstkritisch ist und der Hinterfragung von außen standhält’?“, zeigte sich Veit überzeugt.“

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Fraktionsübergreifendes Verständnis

Da der Workshop das Ziel hatte, die Agenda Qualitätsförderung der Zahnärzteschaft stärker in die Politik zu tragen und dort verstärkt um Verständnis für die Rolle der Zahnmedizin beim Thema Qualität und Qualitätsmessung in der Medizin zu werben, waren auch die geladenen Gesundheitsexperten aus den verschiedenen Bundestagsfraktionen gefragt, die rege an der Diskussion teilnahmen: Die Arbeit und die Hilfeleistungen von Zahnärztekammern und KZVen, die die Praxen in qualitätssichernden Maßnahmen unterstützen, hob der Gesundheitspolitiker der CDU/CSU-Fraktion, Erich Irlstorfer, hervor. Angesicht der demografischen Entwicklung sah er – wie der zahnärztliche Berufsstand selbst – in der Versorgung von Pflegebedürftigen ein Zukunftsthema. Gerade hier müssten die prophylaktischen Ansätze vorangetrieben werden.

Auch der Gesundheitsexperte der SPD, Dirk Heidenblut, hielt den zahnärztlichen Bereich für eine pauschale Einbindung in sektorenübergreifende Aspekte der Qualitätssicherung für ungeeignet. Vielmehr müssten sektoreninterne Themenbereiche definiert werden, um die Qualität im zahnärztlichen Bereich messen zu können. Heidenblut verwies darauf, dass Aus- und Fortbildung zwei wesentliche Aspekte seien, um Qualität garantieren zu können. Hier müsse man sich an die Umsetzung einer neuen Approbationsordnung für die Zahnärzte machen. Dem konnte Prof. Dr. Bärbel Kahl-Nieke, Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Zahn-, Mund- und Kieferheilkunde (DGZMK), nur zustimmen. Sie mahnte an, die bereits 60 Jahre alte Approbationsordnung der Zahnärzte alsbald in Angriff zu nehmen.

Dr. Harald Terpe, Gesundheitsexperte der Grünen, sah die Zahnärzteschaft dank ihrer Präventionsstrategie, ihrer standardisierten Dokumentation bei der zahnärztlichen Anamnese und der notwendigen Patienten-Compliance auf einem guten Weg, was die Absicherung von Leistungsqualität betrifft. Die Erfolge der Zahnärzteschaft im Bereich der Kindermundgesundheit stellte die Gesundheitsfachfrau der Linken, Birgit Wöllert, heraus. Generell ziehe sich die Prävention wie ein roter Faden durch die Arbeit des Berufsstands. „Qualität fängt mit Prävention an“, so Wöllert, „mit Vermeidungsstrategien und Früherkennung.“ Wie der Vize-Präsident der Bundeszahnärztekammer, Prof. Dr. Christoph Benz, intertierte auch der stellvertretende KZBV-Vorsitzende, Dr. Jürgen Fedderwitz, die hohe Behandlertreue der Patienten als Auszeichnung des Berufsstands. Benz unterstrich, dass das hohe berufliche Ethos der Zahnärzteschaft dazu beigetragen habe, bei der Mundgesundheit in der Bevölkerung große Erfolge feiern zu können, was etwa bei der Senkung der Zahl von Extraktionen oder Füllungen deutlich werde. KZBV-Vize Fedderwitz verwies darauf, dass mehr als 70 Prozent der GKV-Versicherten ihren Zahnarzt ein- bis zweimal im Jahr sehen würden. „Das ist ein hoher Vertrauensbeweis“, betonte er, „und zeigt, dass der kontroll- und präventionsorientierte Zahnarztbesuch in der Bevölkerung breit verankert ist.“ Es sei nun an der Zahnärzteschaft, den Masterplan für die Qualitätssicherung selbst in die Hand zu nehmen.

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Hoher Stellenwert der Patienten-Compliance

Dem konnte auch der Unparteiische Vorsitzende des Gemeinsamen Bundesausschusses, Prof. Josef Hecken, voll und ganz zustimmen. Er stellte – einer Schlussbilanz der Veranstaltung nicht unähnlich – klar, dass es im Bereich der Zahnmedizin aufgrund der dortigen spezifischen Besonderheiten nur schwer möglich sei, diese generell in die Kategorie sektorenübergreifender Qualitätssicherung einzubinden. Vielmehr gelte es, für den sektorspezifischen Bereich Themen zu definieren, anhand derer Qualitätssicherung betrieben werden könne. Hecken konstatierte so starke zahnmedizinische Spezifika, dass diese beim Verfahren der Qualitätsmessung berücksichtigt werden müssten. Es sei „nicht zielführend“, hier zwingend die sektorenübergreifende Qualitätssicherung anzuwenden, nur weil sie normativ vorgegeben sei. Die Möglichkeit für einen sektorspezifischen Weg habe der Gesetzgeber selbst aufgezeigt.

Die Struktur des zahnärztlichen Sektors mit dominierenden Einzelpraxen und durchschnittlichen Mitarbeiterzahlen unter fünf Personen ermöglichten nur schwer statistisch belastbare Aussagen. Auch er verwies auf die Bedeutung der Patienten-Compliance, die in der Zahnmedizin einen sehr hohen Stellenwert habe. Hecken rief die Zahnärzteschaft daher dazu auf, ein bis drei versorgungsrelevante Risikobereiche zu identifizieren, die für die sektorenspezifische Qualitätssicherung geeignet seien. Das aktuell bearbeitete Thema der unterstützenden systemischen Antibiotikagabe sei hier ein guter erster Schritt.

Unisono Spezifika des Sektors anerkannt

Mit dieser Bilanz konnten die Workshop-Verantwortlichen hochzufrieden sein, machte er doch deutlich, dass alle Referenten und Diskutanten unisono die Sektoren-Spezifika der Zahnmedizin und deren Maßnahmen, Qualität zu fördern und zu sichern, anerkannten. Dass dies auch weiterhin geschieht, versicherte abschließend KZBV-Vize Fedderwitz: „Wir wollen. Man muss uns nur lassen wollen.“

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