Gelockerte Empfehlungen in Großbritannien

Endokarditisprophylaxe: Folgen für Deutschland

2008 wurden in Großbritannien die Empfehlungen zur Prophylaxe entschärft. Nun hat man dort eine Zunahme möglicher endokarditischer Fälle beobachtet. Ein Grund für die deutsche Zahnmedizin darüber nachzudenken, die hier bestehenden Empfehlungen zu verändern?

Die Frage nach einer Endokarditisprophylaxe ist ein fachübergreifendes Problem, das immer wieder für Verunsicherung sorgt. Grundsätzlich gilt abzuwägen, Rezidive zu verhindern und Antibiotikaresistenzen nicht aufkommen zu lassen. Im März 2008 wurde in England von der Gesundheitsbehörde NICE entschieden, die Empfehlungen zur Endokarditisprophylaxe zu lockern, da Antibiotikaresistenzen deutlich zugenommen hatten.

Sie wurde für Risikopatienten, die invasive Zahnbehandlungen erhalten sollten, und für Patienten, bei denen Untersuchungen im Urogenital- oder im Gastrointestinaltrakt vorgesehen sind, nicht mehr empfohlen. Die Konsequenzen dieser Lockerung sind nun untersucht worden und zeigen zwischen 2008 und 2013 eine bedeutsame Zunahme endokarditischer Fälle [Lancet 2015; 385: 1219–28]. Dieser Effekt war sowohl bei Hochrisiko- als auch bei Niedrigrisikopatienten nachweisbar, hatte jedoch keinen Einfluss auf die Mortalität.

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Die Kausalität ist nicht klar

Auf den ersten Blick könnte man nun schlussfolgern, dass sich die Lockerung der Empfehlungen negativ auswirkte. Der Teufel steckt jedoch im Detail, da man berücksichtigen muss, dass es zufällig im gleichen Zeitraum in England zu einer globalen Zunahme der Herzinsuffizienzfälle inklusive Klappenerkrankungen gekommen war, so dass ein kausaler Zusammenhang zwischen Lockerung der Endokarditisempfehlungen und dem Auftreten von endokarditischen Klappenerkrankungen nicht gesichert werden kann. Somit ist der Zusammenhang unklar und kann nicht allein durch die Änderung der Prophylaxeempfehlung erklärt werden.

Dazu kommt, dass Datensätze aus den USA, wo 2008 ebenfalls neue Antibiotikaempfehlungen durchgesetzt wurden, den englischen Befund nicht bestätigen lassen. In Deutschland sollten wir daher bis auf Weiteres die aktualisierten Empfehlungen der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie zur Endokarditisprophylaxe anwenden.

  • Sie empfehlen eine Vorsorge bei Hochrisikopatienten (Herzklappenprothesenträger, Zustand nach infektiöser Endokarditis, angeborene Herzfehler) vor zahnärztlichen Eingriffen sowie vor Eingriffen am Respirationstrakt – nicht aber vor Eingriffen am Gastro- und am Urogenitaltrakt.

  • Aus ihrer Sicht entfällt die Prophylaxe bei Patienten mit Mitralklappenprolaps oder hypertropher obstruktiver Kardiomyopathie.

Univ.-Prof. Dr. med. Carsten Tschöpe, Dr. rer. nat. Uwe KühlMedizinische Klinik mit Schwerpunkt KardiologieCharité - Universitätsmedizin Berlin, Campus Virchow KlinikumHindenburgdamm 30, 12203 Berlin

Modifizierter Nachdruck aus: Deutsches Ärzteblatt Deutsches Ärzteblatt / Jg. 112 / Heft 39 / 25. September 2015 mit freundlicher Genehmigung des Deutschen Ärzte-Verlags.

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