Schmerztherapie reicht nicht
Während sich in Deutschland aufgrund zahlreicher prophylaktischer Maßnahmen der DMF-T-Index von 1983 bis heute von 6,8 auf unter 1 verbessert hat, wird in den Entwicklungsländern eine gegenteilige Entwicklung beobachtet. Dies vor allem deshalb, weil mit zunehmendem Wohlstand und der damit verbundenen Globalisierung des Nahrungsangebots eine Abkehr von einer naturbelassenen Kost erfolgt, andererseits aber keinerlei Kenntnisse über zahnprophylaktische Maßnahmen vorhanden sind. Besonders bei Kindern und Jugend- lichen in Entwicklungsländern sind die zunehmend irreparablen Schäden an den bleibenden Zähnen betroffen – ein Um- denken bei der Art der zahnärztlichen Hilfsleistungen ist dringend erforderlich. Präventive Maßnahmen müssen bereit gestellt werden mit dem Ziel, dass es gar nicht erst zu dieser Vielzahl und Schwere der Erkrankungen kommt.
Oral Health Care Program
2009 entwickelte der Autor im Auftrag des HDZ ein englischsprachiges zahnärztliches Präventionsprogramm auf Basis der be-kannten „4-Säulen-Theorie“ und erprobte dieses erfolgreich in einem Pilotprojekt auf der philippinischen Insel Samar. 2011 wurde das Programm ausgeweitet, bisher wurden über 50 Volunteers geschult. Gemäß dem Leitmotiv „Hilfe zur Selbst- hilfe“ sind diese in der Lage, selbstständig Vorträge über die Notwendigkeit einer regelmäßigen Mundhygiene und die Supplementierung von Fluoriden sowie eine Ernährungsberatung abzuhalten. Außerdem informieren sie die Bevölkerung über die richtige Mundhygiene durch die Demonstration der KAI-Technik sowie über lokale Fluoridierungsmaßnahmen.
Bekanntlich haben Fluoride bei der Kariesprophylaxe eine zentrale Bedeutung. Diese Präventionsform ist, neben einem gesteigerten Mundhygienebewusstsein, auch der Hauptgrund dafür, dass in den vergangenen Jahrzehnten ein starker Rückgang der DMF-T-Werte in den Industrieländern zu verzeichnen ist. Unterschieden wird generell zwischen einer lokalen und einer systemischen Supplementierung. Während die lokale Verwendung zumindest eine befriedigende Mundhygiene und eine entsprechende Zeitdauer voraussetzt, wirkt die systemische auch bei den Kreisen, die nur unregelmäßig oder gar nicht reinigende Maßnahmen anwenden. Auf die systemische Zufuhr musste jedoch inzwischen verzichtet werden, da es trotz jahrelanger Bemühungen nicht gelungen ist, fluoridiertes Speisesalz im südostasiatischen Raum zu erwerben und ein ständiger Import dieses Salzes aus entfernteren Ländern die finanziellen Ressourcen sprengen würde. Die Zufuhr über Tabletten wird wegen großer Unsicherheiten bei der regelmäßigen korrekten Einnahme ebenso abgelehnt wie eine Supplementierung des Trinkwassers, was neben vielfältigen Gegenargumenten auch rein technisch nur in größeren Städten möglich wäre.
Die lokalen Maßnahmen erstreckten sich zum einen auf die häusliche Zahnpflege mit einer fluoridhaltigen Zahncreme unter Zuhilfenahme eines Timers, der half, eine ausreichende Kontaktzeit zu gewährleisten, und auf eine lokale Fluoridierung durch die Volunteers.
Nachhaltig denken
Zahnärztliche Hilfsmaßnahmen in Entwicklungsländern sollten sich nicht allein auf eine Schmerzbeseitigung durch Extraktionen oder auf dauerhaftere therapeutische Handlungen wie Füllungen oder einfachen Zahnersatz beschränken, sondern müssen unbedingt auch präventive Programme beinhalten, um den Mundgesundheitszustand innerhalb der Bevölkerung dauerhaft zu verbessern. Langjährige Erfahrungen in Deutschland haben gezeigt, dass mit kostengünstigen prophylaktischen Maßnahmen eine deutliche Verbesserung nicht nur der Mundgesundheit zu erreichen ist. Leider wirkt Prophylaxe nicht über Nacht – nur sollte dies kein Grund sein, in den Dritte-Welt-Ländern darauf zu verzichten.
Dr. Klaus de CassanHilfswerk Deutscher Zahnärztedrdecassan@gmail.com