Schlafmedizin

Weit mehr Unfalltote durch Schläfrigkeit als durch Alkohol

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Schläfrigkeit ist eine der häufigsten Ursachen für tödliche Unfälle im Straßenverkehr. Doch die Zusammenhänge werden noch weitgehend unterschätzt, mahnte Dr. Hans Günter Weeß, Leiter des Schlafzentrums am Pfalzklinikum in Klingenmünster, beim 22. Jahreskongress der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin e.V. in Köln.

Etwa jeder sechste Unfalltod geht nach einer Studie der „AAA Foundation for Traffic Safety“ auf Sekundenschlaf am Steuer zurück. Nach Schätzungen des Deutschen Verkehrssicherheitsrats wird sogar jeder vierte tödliche Unfall im Straßenverkehr durch Sekundenschlaf verursacht. Das bestätigt eine Studie des HUK-Verbands, die ebenfalls jeden vierten Unfalltod auf deutschen Autobahnen auf Einschlafen am Steuer zurückführt. Nach einer aktuellen Studie der European Sleep Research Society (ESRS) in 19 europäischen Ländern steht Deutschland im europäischen Vergleich dabei im Mittelfeld der schläfrigkeitsbedingten Unfälle.

Konkret dürften somit, so Weeß, zwei- bis dreimal mehr Unfalltote im Straßenverkehr durch Schläfrigkeit und Sekundenschlaf als durch alkoholbedingte Einflüsse verursacht sein. Es gibt somit aus der Sicht des Psychologen eine erhebliche Diskrepanz zwischen dem Aufwand, der betrieben wird, um alkoholbedingte Unfälle zu mindern und der Relevanz von alkoholbedingten respektive schläfrigkeitsbedingten Unfällen.

Ursachen für schläfrigkeitsbedingte Unfälle sind nach Angaben des Wissenschaftlers in erster Linie zu lange Lenkzeiten bei Viel- oder Berufskraftfahrern, zu wenig und nicht ausreichender Nachtschlaf sowie Autofahrten zu chronobiologisch ungünstigen Zeiten in der Nacht und am frühen Morgen. So ereignen sich die meisten tödlichen Unfälle nicht, wenn die Verkehrsdichte am höchsten ist, sondern wenn der Mensch aus chronobiologischer Sicht einem Leistungstief unterliegt. Dies ist in den frühen Morgenstunden zwischen 4 und 7 Uhr sowie am frühen Nachmittag zwischen 13 und 16 Uhr der Fall. Zu diesem Zeitpunkt finden auch die meisten tödlichen Unfälle statt.

Bereits 17 Stunden Wachheit entsprechen laut Weeß einem Reaktionsvermögen, wie es unter 0,5 Promille Blutalkoholspiegel zu sehen ist. Bei einer Wachheit von mehr als 22 Stunden ist das Reaktionsvermögen demjenigen unter 1,0 Promille Blutalkoholspiegel vergleichbar. Wer also morgens um 6 Uhr aufsteht und sich abends um 23 Uhr noch ans Steuer setzt, weist ein Reaktionsvermögen auf, als habe er einen Blutalkoholspiegel von 0,5 Promille. Das gelte auch für Lokführer im Schichtdienst und für Piloten, gab Weeß in Köln zu bedenken. Unterschätzt wird der Effekt nach seiner Darstellung vor allem bei Schichtarbeitern. Diese haben nach einer zwölfstündigen Nachtschicht auf dem Weg nach Hause ein achtfach erhöhtes Unfallrisiko.

Christine VetterMerkenicher Str. 22450735 Kölninfo@christine-vetter.de

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