Standespolitik für Berufsanfänger

Machen statt meckern

Standespolitik ist was für Männer ab 50. Sagt man. Und oft stimmt es ja auch. Dass es auch anders geht, beweisen der Vorsitzende des Bundesverbands der Zahnmedizinstudenten in Deutschland (BDZM), Kai Becker, und das Vorstandsmitglied der Zahnärztekammer Berlin, Juliane von Hoyningen-Huene. Beide liefern Hinweise, wie Standespolitik auch für Berufsanfänger attraktiv sein kann und wie sich die beruflichen Organisationen aufstellen müssen, um für Jüngere interessant zu sein.

Worin liegt der persönliche Antrieb für Ihr standespolitisches Engagement?

Hoyningen-Huene: Viele Entscheidungen werden auf hohen politischen Ebenen getroffen, haben aber Auswirkungen auf uns alle. Wir als Zahnärzte sind diejenigen, die im täglichen Arbeiten mit Gesetzen und Regeln umgehen müssen. Ich habe mich schon immer gerne beteiligt, anstatt Gegebenheiten hinzunehmen. Deshalb war ich auch schon als Studentin politisch aktiv. Standespolitik bedeutet für mich konkret: gestalten anstatt meckern.

Becker: Die Organisation der freiberuflichen Zahnärzte in ihrer selbstverwaltenden Struktur bedeutet Freiheit und eigener Spielraum für die Berufsausübung. Hier begründet sich auch der Antrieb für mein standespolitisches Engagement. Denn wenn nicht genug politisch interessierter Nachwuchs folgt, kann auch die Freiberuflichkeit des Zahn-arztes kaum noch sichergestellt werden. Der „freie Zahnarzt“ wird gegenüber der Politik seine Wertstellung verlieren und seine Verwaltung in die Hand des Gesundheits-wesens oder der Bundespolitik übergehen.

Was müssen berufspolitische Verbände und Organisationen leisten, um den nachfolgenden Generationen den Einstieg in die Standespolitik zu erleichtern?

Hoyningen-Huene: Den jungen Kollegen muss vermittelt werden, dass wir eben nur gemeinsam stark sind, auch wenn sich das trivial anhört. Berufspolitisches Engagement bedeutet auch, in anderen Bereichen zurückstecken zu müssen. Ich zum Beispiel habe noch keine eigene Praxis, denn die standespolitische Arbeit bedeutet vor allem, Zeit zu investieren. Um sich zu engagieren, darf man nicht das Gefühl vermittelt bekommen, alles andere aufgeben zu müssen. Trotzdem: Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist dabei nicht immer einfach, es ist für mich ein täglicher Spagat zwischen Standespolitik, Spielplatz und Behandlungsstuhl.

Becker: Die persönliche Lebenseinstellung unserer Generation ist geprägt durch schnelle Veränderungen und permanente „Updates“. Dagegen werden lang bestehende Strukturen von den meisten weniger gewichtet. Organisationen und Verbände sind daher meist weit entfernt im Bewusstsein der Studierenden. Wenn ihnen vermehrt die Freiberuflichkeit und deren Verantwortung und Nutzen vermittelt würde, wäre das ein Schritt in die richtige Richtung.

Wie muss sich eine berufspolitische Organisation aufstellen, um zukunftsfest zu sein?

Hoyningen-Huene: Wir müssen herausfinden, wo der Schuh drückt. Berücksichtigt werden muss, wo, wie und auch wie viel die Kollegen arbeiten möchten. Dazu müssen die Vorstände zuerst einmal ihren Mitgliedern zuhören, und dann schauen, wie sie unterstützen können. Die größte Gefahr ist immer, dass Standespolitik zu weit von der Basis entfernt ist. Gleichzeitig darf man sich auch nicht vor unbequemen Entscheidungen scheuen, denn man wird es nicht jedem Recht machen können. Das ist ein Spagat und das muss man auch nach außen vermitteln. Unsere zahnmedizinischen „Parteien“ sollten zum Mitmachen animieren, und sich vor allem verjüngen. Es darf nicht gemeckert werden, dass keine Jungen mitmachen wollen, wenn man nicht auch bereit ist, ihnen Verantwortung zu übertragen.

Becker: Eine berufspolitische Organisation sollte sich auch in Zukunft so aufstellen, dass die Freiberuflichkeit für alle interessant bleibt. Ganz besonders unter Beachtung, dass eine Nähe zwischen den Zahnärzten und den Organisationen geschaffen wird. Ich finde es wichtig, dass es für den Zahnarzt keine entfernten Organisationen sind, sondern es eine gemeinsame Verwaltung derer ist, die gemeinsam ihren freien Beruf ausüben.

Welche Wünsche haben junge Berufsanfänger an und für Ihre Berufsausübung?

Hoyningen-Huene: Der Wunsch geht zu weniger Arbeit und einem guten Gleichgewicht von Familie, Beruf und Hobby. Man ist, so scheint es zumindest, nicht mehr bereit, alles zu opfern für den Beruf. Das kann natürlich Auswirkungen haben auf die Versorgungslage und das Engagement in Verbänden. Wenn ich mich mit Berufsanfängern unterhalte, merke ich, da ist auch der Wunsch nach Eigenständigkeit und selbstbestimmten Handeln. Wir sollten uns also fragen, was Berufsanfänger brauchen, um in eigener Praxis Beruf und Familie zu vereinbaren. Das fängt damit an zu kommunizieren, dass dies ganz gut möglich ist.

Becker: Für die Berufsanfänger stellen sich viele Fragen. Zuerst natürlich, welche Form der Berufsausübung die ihre ist. Hinzu kommt das Streben nach fachlicher Weiterbildung. Der ausgeprägte Wunsch nach einer ausgewogenen Work-Life-Balance spiegelt sich natürlich in der Wahl der Praxisform wieder, gerade auch in Gedanken an mehr Freizeit bei Verzicht auf Behandlungszeit. So ist es schon in einigen Bereichen üblich, dass sich nach Absprache auf „Jobsharing-Plattformen“ zwei Personen auf ein und dieselbe Stelle bewerben.

Was müssen berufspolitische Verbände und Organisationen leisten, um den nachfolgenden Generationen den Berufseinstieg zu erleichtern?

Hoyningen-Huene: Es fängt mit Informationen an. Da wären zum einen die Berufs- kundevorlesungen an den Universitäten, oder das Projekt Berufskunde 2020 mit dem Bundesverband der zahnmedizinischen Alumni (BdZA), denn der Berufseinstieg kann nur dann reibungslos gelingen, wenn man weiß, was man für Rahmenbedingungen hat. Dazu zählen auch Dinge wie die Mitgliedschaft im Versorgungswerk, Versicherungen und Gehälter. Wir sollten uns auch nicht scheuen, über Verträge und Einstiegsgehälter zu sprechen. Auch wenn Berufseinsteiger noch viel lernen müssen, sie sind auch eine Chance für jede Praxis, neuen Wind und aktuelle Techniken mit einzubringen.

Becker: Berufspolitische Verbände und Organisationen sollten den Wünschen, Anforderungen und Visionen von jungen Kollegen unterstützend gerecht werden. Viele junge Zahnärzte sind in ihrem Berufsstart sehr auf die Ausübung der Zahnmedizin fixiert. Spätestens nach der Assistenzzeit haben junge Zahnärzte viele Entscheidungen zu treffen. Wünschenswert wäre, wenn Plattformen zum Austausch von Starterfahrungen, Praxisgründungen und Berufserfahrungen entstehen und weiter gepflegt werden. So können Verbände und Organisationen als Anlauf- und Hilfestelle für junge Zahnärzte dienen.

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