Immobilien als Altersvorsorge

Vom Umgang mit Betongold

Für viele Zahnärzte gehören das Eigenheim und vielleicht noch ein Mietobjekt unbedingt zur idealen Altersvorsorge: mietfrei wohnen und das Ruhegeld mit Mieteinnahmen aufbessern. Doch angesichts der stetig steigenden Immobilienpreise fragen sich viele, ob es nicht sinnvoller ist, sich vom Betongold zu trennen.

Einen alten Baum verpflanzt man nicht. Diese Redensart wird gern benutzt, wenn es darum geht, im Alter noch einmal umzuziehen. Das weiß auch Michael Huber, Nieder-lassungsleiter beim Vermögenszentrum in Frankfurt und Düsseldorf: „19 von 20 Ruheständlern wollen in ihrem Haus bleiben.“ Dabei rechnet sich dieser Wunsch unter rationalen Gesichtspunkten nicht. Zumal die Preise für Immobilien in den vergangenen Jahren immens gestiegen sind und immer noch weiter anziehen. So zogen laut einer Untersuchung des auf Immobilien spezialisierten Analyseunternehmens Bulwiengesa die Preise für Wohnungen in Deutschland im vergangenen Jahr um vier Prozent an. In den Städten lag die Steigerung sogar bei 5,1 Prozent. Man könnte jetzt gute Gewinne erzielen. Doch nicht Ratio und Kalkül, sondern Emotionen spielen beim Hausverkauf mitunter eine große Rolle. Warum sollten ältere Menschen, die das Ruhestandsalter erreicht haben, aus ihrem Eigenheim ausziehen? Heißt es doch immer, dass gerade Immobilien als ideale Altersvorsorge gelten.

Ob diese Behauptung richtig ist, hat vor Kurzem das Deutsche Institut für Altersvorsorge (DIA) prüfen lassen. Das der Deutschen Bank nahestehende Institut beauftragte das sozialwissenschaftliche Beratungsunternehmen Empirica mit der Untersuchung. Dessen Experten definieren Altersvorsorge so: „Das ist eine langfristige Vermögensanlage, die im Laufe des Erwerbslebens aufgebaut und im Ruhestand aufgegessen wird.“ Mit zwei Nebenbedingungen: Man darf immer nur so viel Vermögen verbrauchen, dass es nie ganz aufgegessen wird. Es sollte aber – abgesehen von gewollten Erbschaften – auch nicht zu viel übrig bleiben. Sonst wäre die Altersvorsorge ineffizient, das heißt, man hätte auch mit weniger Konsumverzicht in jungen Jahren denselben Lebensstandard im Alter halten können.

Hauseigentum als Sparfaktor

Herausgefunden haben die Wissenschaftler auch, dass Immobilienbesitzer grundsätzlich mehr sparen als Anleger, die immer zur Miete gewohnt haben. Sie tragen mehr Vermögen zusammen und nehmen auch weniger Konsumentenkredite auf. Gerne vergleichen Finanzanalysten die Anlagen in Immobilien und in Aktien auf die zu erzielende Rendite hin. Anlageexperte Huber meint: „Ich fühle mich mit Siemens-Aktien im Depot wohler als mit einem Eigenheim. Das rechnet sich nicht. Die Aktien hingegen haben einen realistischen Gegenwert, und werfen eine deutlich höhere Rendite ab.“ Reine Renditevergleiche aber vernachlässigen nach Meinung der Empirica-Experten „die Bedeutung langfristiger, kontinuierlicher Sparprozesse und die Bedeutung der Weichenstellung, durch die Verhalten geprägt oder sogar erzwungen wird“.

Wer in jüngeren Jahren vielleicht auf Reisen, teure Autos oder Ähnliches verzichtet hat, um für die Familie ein schönes Eigenheim zu finanzieren, hat natürlich eine engere Bindung daran als an sein Aktiendepot. Denn Eigenheime werden nicht nur unter Renditeaspekten gekauft. Sie dienen vor allem dem Wohlbefinden. Darauf möchten auch Zahnärzte im Alter nicht gern verzichten. So bleibt es häufig beim Status quo. Manchen wird das Haus zu groß, wenn die Kinder ausgezogen sind. Doch einiges lässt sich auch nach einem Auszug tun, um sich weiterhin darin wohlzufühlen.

  • Haus umgestalten

Michael Huber gibt zu bedenken: „In 99 Prozent der Fälle entspricht das Haus nicht mehr den Bedürfnissen.“ Es ist zu groß, es gibt zu viele Zimmer und mit zunehmenden Altersbeschwerden wird es unbequem. Mit einigen Änderungen lassen sich Hindernisse ausräumen. Der Eingang bekommt eine Rampe, Türschwellen werden eliminiert und das Bad wird mit Haltegriffen ausgestattet. Wer es sich leisten kann, baut einen Lift ein, um die oberen Stockwerke zu erreichen.

  • Vermieten

Ältere Menschen benötigen nicht mehr so viel Platz wie eine Familie mit Kindern. Eine Möglichkeit wäre also, ganz ins Erdgeschoss zu ziehen und die oberen Etagen abzutrennen, um sie dann zu vermieten. Eventuell besteht ja später Pflegebedarf. Oben wäre dann für eine Pflegekraft Platz, die rund um die Uhr betreut. Möglich wäre auch die Vermietung an Studenten, die dann gegen eine niedrige Miete kleine Hilfsdienste leisten.

Sanierung kann oft teuer kommen

Allerdings kostet ein Umbau unter Um- ständen eine Menge Geld. Dazu Huber: „Fängt man einmal an umzubauen, wird ganz schnell eine Kernsanierung daraus.“ Er weiß aber auch, wie schwierig ein Auszug wird: „Nur Hausbesitzer, die sich schon sehr früh mit einem Auszug auseinandersetzen, können im Ruhestand ihre Immobilie verkaufen.“ „Das ist eine sehr persönliche Entscheidung“, meint auch Dirk Scobel, Immobilienexperte bei der Verbraucherzentrale Hamburg. Für manchen Hausbesitzer dürften die hohen Preise eine Verlockung sein. Doch sollten sie nicht ausschlaggebend für den Verkauf sein. Scobel: „Ich muss das Geld ja auch wieder anlegen und unter den derzeitigen Bedingungen ist das kein leichtes Unterfangen.“ Und doch sprechen einige Überlegungen für den Verkauf des Hauses. Ein wichtiger Punkt ist der, dass ein großer Teil des Vermögens festgelegt ist. Anders als Fondsanteile lässt sich ein Haus auch nicht mal eben verkaufen. Stehen plötzlich hohe Krankheitskosten an oder tritt ein Pflegefall ein, ist das dafür notwendige Geld möglicherweise blockiert. Dann muss die Immobilie vorzeitig verkauft werden und man kann nicht auf den günstigsten Preis warten. Deshalb sollte man – wenn möglich – frühzeitig nüchterne Überlegungen über den Behalt des Objekts anstellen.

Kriterien für die Entscheidung aufstellen

  • Kosten

Ein Argument für den Behalt des Hauses oder der Wohnung ist, dass man keine Miete zahlen muss. Das ist der geldwerte Vorteil einer Immobilie als Altersvorsorge. Für die Nebenkosten wie Heizung, Strom, Wasser, Müllgebühren, Grundsteuer, Versicherungen und für den Unterhalt allerdings muss der Besitzer direkt aufkommen – und das nicht zu knapp. Allein für eine 80 Quadratmeter große Wohnung fallen pro Jahr gut 2 800 Euro an Nebenkosten an, errechnete der Deutsche Mieterbund. Für Nebenkosten und Unterhalt zusammen veranschlagt das Vermögenszentrum ein Prozent vom Verkehrswert der Immobilie.

  • Größe und Lage

Für die Familie konnte ein Haus damals kaum groß genug sein. Im Alter, wenn die Kinder ausgezogen sind, benötigt man nur einen Teil des Platzes. Außerdem ist es bequemer, wenn die Apotheke und der Bäcker fußläufig zu erreichen sind. Deshalb kommt vielleicht ein Umzug in Richtung Zentrum infrage. Oder aber man möchte im Alter in der Nähe der Kinder wohnen.

  • Markt prüfen

Wer sich zum Verkauf entschließt, sollte unbedingt einen unabhängigen Gutachter mit der Schätzung beauftragen. Auf die eigene Preisvorstellung ist kein Verlass. Das meint auch Experte Huber: „Mit Immobilien, die glücklich machen, rechnet man sich gerne reich. Generell ist das, was man besitzt mehr wert, als man selbst dafür bezahlen will.“ Deshalb ist eine realistische Einschätzung sehr wichtig. Denn steht das Haus monatelang auf den Angebotsseiten im Netz oder in der Zeitung und niemand kauft es, weil der Preis zu hoch ist, wird es schwierig, überhaupt noch einen Interessenten dafür zu finden.

Für Käufer sind die Nähe zur Schule und zum Kindergarten, die tägliche Versorgung und eine gute Verkehrsanbindung wichtige Kriterien. Auch die Bausubstanz und der Zustand können den Ausschlag geben. Makler gehen davon aus, dass ein massives Wohnhaus eine Nutzungsdauer von 80 Jahren hat. Es lohnt sich kaum, vor dem Verkauf große Modernisierungsmaßnahmen durchzuführen. Jürgen Michael Schick, Vizepräsident des Immobilienverbands Deutschland (IVD), rät: „Dach, Fenster, Heizung und Fassade müssen funktionieren und in Ordnung sein. Auch die Heizanlage und die Elektrik sollten nicht überaltert sein.“ Ein neues Bad oder eine Solaranlage rechnen sich nicht unbedingt.

Boom vorwiegend in größeren Städten

Am meisten beeinflusst nach wie vor die Lage des Hauses den Preis. Bulwiengesa unterscheidet nach Groß- und Kleinstädten. Die Metropolen dominieren den Markt. So stiegen dort die Grundstückspreise um 12,2 Prozent und Reihenhäuser im Neubau kosten 8,2 Prozent mehr als 2013. Nachholbedarf sehen die Experten vor allem in mittelgroßen Universitätsstädten wie Bamberg oder Leipzig. Das heißt, noch längst nicht jede Lage profitiert vom derzeitigen Boom. Das Häuschen auf dem Land dürfte ein Liebhaberobjekt bleiben, für das es nur wenige Interessenten gibt. Generell rechnen die Analysten damit, dass „der Aufwärtstrend der Immobilienpreise und -mieten auch in 2015 anhalten wird, da bei niedrigem Zinsniveau und entsprechend eingeschränkten Anlagealternativen sowie einem hohen Beschäftigungsstand positive Rahmen- bedingungen herrschen“. Das gilt auch für vermietete Objekte. Auch hierbei stellt sich die Frage, ob man sie im Alter behält und sein monatliches Ruhestandeinkommen mit den Mieteinnahmen aufbessert oder ob der Aufwand der Vermietung allmählich zu viel wird.

Nach der Einführung der Mietpreisbremse ab Ende April dürfen die Mieten bei Neuvermietungen maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Miete liegen. Das gilt für Gebiete mit „angespanntem Wohnungsmarkt“. Welche das sind, definiert das jeweilige Bundesland. Davon befreit sind Wohnungen, die nach dem 1. Oktober 2014 entstanden oder umfassend saniert worden sind. Nach dem Prinzip „Wer bestellt, bezahlt.“ sollen demnächst die Vermieter die Kosten für die Makler übernehmen. Zahnärzte, die Mietobjekte ihr Eigen nennen, sollten sich fragen, ob sie sich im Ruhestand mit diesen Problemen noch befassen oder doch lieber verkaufen möchten. Eventuell macht es ja auch Sinn, die Immobilie schon zu Lebzeiten auf die Kinder zu übertragen, um so die Erbschaftssteuer zu sparen. Verbraucherschützer Scobel rät jedenfalls zur Gelassenheit: „Man sollte sich vom Hype um die Immobilienpreise nicht unter Druck setzen lassen. Vielleicht möchte man noch wohnen bleiben und erst in fünf Jahren verkaufen. Bis dahin fallen möglicherweise die Preise, dafür dürften sich die Anlagekonditionen aber wieder verbessert haben.“

Marlene EndruweitFachjournalistin für Wirtschaftm.enduweit@netcologne.deDer Wert für Wohn- eigentum steigt seit Jahren an, viele fragen sich, wie lange dies noch andauert.

Foto: taa22 – Fotolia.com

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