Big Data und Gesundheitswesen

„Die Weisheit der Vielen“

Über Zukunft und Trends der digitalen Welt im Gesundheitswesen referierte der Autor, Blogger und Strategieberater Sascha Lobo auf der Klausurtagung des BZÄK-Vorstands in Stuttgart. Seine Botschaft: Gesundheit ist inzwischen zu einem festen Teil der Datenwirtschaft geworden, die Weisheit der Vielen, die sich in den sozialen Medien zeige, wird auch im zahnmedizinischen Bereich immer relevanter.

„Wir fahren noch nicht mal auf Sicht“, erklärte Lobo dem Bundesvorstand der BZÄK und meinte damit den Blick auf die rasante Entwicklung von Innovationen im Gesundheitswesen. Was heute noch als Spinnerei oder Utopie abgetan wird, könne morgen schon die Entwicklungsschritte der Zukunft einläuten. Niemand habe es beispielsweise bis vor Kurzem für möglich gehalten, dass Rattenfüße in Petrischalen gezüchtet werden können. Doch Berichte über dieses gelungene Experiment seien jüngst durch alle Gazetten gegangen. Es könne also sein, dass manche – scheinbar noch unbedeutende – Innovation bereits in der Pipeline steckt und vielleicht in Zukunft als Mainstream die Gesellschaft prägt.

Ohne Social Media geht nichts mehr

Das beste Beispiel hierfür sei die Entwicklung von Social Media. Das Zitat von Facebook-Gründer Mark Zuckerberg aus dem Jahr 2010 „If you look five years out, every industry is going to be rethought in a social way“ habe sich heute, im Jahr 2015, bestens bewahrheitet. Social Media sei so groß, dass man es nicht mehr ignorieren könne. Social Media bilde heute den Entwicklungsstand des gesamten Internets ab. Selbst Fachleute unterschätzten die schiere Größe von Social Media, allen voran Facebook, sagte Lobo.

Die „Weisheit der Vielen“, anfangs vielleicht noch von manchen belächelt, präge inzwischen das soziale und gesellschaftliche Verhalten weltweit. Digitale Vernetzung, anonymisierte Nutzerdaten und deren Vernetzung (Big Data) führten zu einem enormen Erkenntnisgewinn bei Wirtschaftsunternehmen. Und zur Nutzung von Sozialdaten durch die Wirtschaft – dies verstehe die Gesellschaft als den „social way“.

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Hinzu komme, dass Menschen ihre persönlichen Daten sehr gern ins Netz stellen, Selfies machen und Informationen mit anderen teilen. Es herrsche eine regelrechte Datenbegeisterung. Soziale Daten hätten ein noch höheres Potenzial, als man sich gemeinhin vorstellen könne. Und durch die Vernetzung von Daten und Profilen ergebe sich eine Vielzahl neuer Möglichkeiten – für welchen Nutzer auch immer. Das gelte auch für medizinische Daten, die von Menschen in den sozialen Netzwerken geteilt werden. Das Gesundheitswesen wie auch die Gesundheitswirtschaft seien ein Teil der Datenwirtschaft. Und die Zahnmedizin schwimme bei dieser Entwicklung automatisch mit.

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Chance, aber auch Bedrohung

Als Beispiele für Daten, die Menschen ins Netz stellen, nannte Lobo etwa die „Quantified Self“-Bewegung, also sich mittels Apps selbst zu vermessen. Hier würde eine Vielzahl von Daten gesammelt, die über die reinen Vitaldaten hinausgingen. Das Apple Health Kit sei eine zentrale Gesundheitsdatensammelstelle, ebenso die neue Apple Watch – die mittels Sensoren ganz neue Nutzerdaten erzeugen könnten. Gesundheit sei heute ein digitaler Lebensstil, der inzwischen übermächtige Wunsch nach Information sei eine besondere Herausforderung für die Gesundheitswirtschaft. Lobo sprach von einer neuen digitalen Körperlichkeit, dem „Gesundheits-Ich im Netz“.

Auch die Zahnmedizin werde immer mehr Teil der Datenwirtschaft, prognostizierte Lobo. Entwicklungen wie etwa die personalisierte Mundpflege von Oral-B (Smartphone als persönlicher Zahnputzassistent), die Zahnbürste von Kolibree (mit interaktiver App für mehr Spaß und Effektivität beim Putzen) oder ein Prototyp aus Taiwan mit Sensor in einer Zahnkrone („von den eigenen Zähnen überwacht“) zeigten den Weg. Die Frage sei: Wo landen die gesammelten Daten und was geschieht damit? Es gelte, als Berufsstand wachsam zu sein, sich mit diesen Entwicklungen und mit diesen Themen zu befassen und nicht auf die Politik zu warten. Lobo: „Wer die Daten hat, hat die Macht.“

„Wir müssen jetzt handeln – die digitale Welt wartet auf niemanden“, betonte auch Prof. Dr. Christoph Benz, Vizepräsident der BZÄK, in seinem Referat vor dem Vorstand in Stuttgart. Beim Big-Data-Thema handele es sich um ein weites Feld, es reiche von Chancen auf mehr Gesundheitsgewinn bis hin zur Bedrohung des Datenschutzes, zu Angst und zu Gängelung. Medizin und Zahnmedizin dürften sich bei der Diskussion nicht ausklinken und müssten selbst die Weichen für ihren Bereich neu stellen.

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