Geldflüsse offenlegen
Bei der Zusammenarbeit von Pharmaindustrie, Ärzten und Patientenselbsthilfe sei erhöhte Wachsamkeit wichtig, sagte Ulrike Elsner, Vorstandsvorsitzende des vdek, bei der Vorstellung der Broschüre auf einer Pressekonferenz am 27. Mai in Berlin. Als erstes forderte sie mehr Engagement von allen Beteiligten bei der Offenlegung von Geldflüssen. Pharma- und Medizinproduktehersteller unterstützten die Selbsthilfe mit lediglich rund 5,6 Millionen Euro jährlich, so Elsner. Weitaus größere Summen, rund 45 Millionen Euro, flössen von den Krankenkassen in Richtung Selbsthilfe. Grundsätzlich begrüße der vdek die finanzielle Förderung der Selbsthilfe, jedoch bestehe immer die Gefahr, dass sich diese von einflussreichen Pharmafirmen abhängig macht. Elsner erwartet von der Patientenselbsthilfe mehr Transparenz im Umgang mit finanziellen Zuwendungen. Konkret ist damit die Kenntlichmachung von Geldern seitens der Pharmaindustrie und im besten Fall ein Verzicht auf Spendengelder gemeint.
Die zweite Forderung richtete sie an die Pharmaindustrie: Sämtliche Geldflüsse und Zuwendungen sollen zukünftig mindestens einmal jährlich veröffentlicht werden. Außerdem begrüße sie es, wenn ein Firmenfonds eingerichtet wird, der durch eine unabhängige Instanz beaufsichtigt wird. Ihren dritten Appell richtete sie an die Ärzteschaft: „Auch die Glaubwürdigkeit der Ärzte ist gefährdet, wenn sie sich bei Anwendungsstudien und klinischen Studien zu stark von der Pharmaindustrie beeinflussen lassen. Auch hier ist absolute Transparenz erforderlich!“
„Transparenzkodex funktioniert häufig nicht“
Prof. Dr. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und Chefarzt der Klinik für Hämatologie, Onkologie und Tumorimmunologie im Helios-Klinikum Berlin-Buch, kritisierte die Methoden der Pharmaindustrie an einem Beispiel: „Es ist illegal, wenn Pharmafirmen Informationsstände von Selbsthilfegruppen sponsern oder Urlaube der Ärzte finanzieren.“ Er ist der Meinung, dass die von den Verbänden der pharmazeutischen Industrie verabschiedeten Kodices zur Selbstkontrolle häufig nicht funktionieren.
Zahlreiche Marketingstrategien der Pharmaindustrie seien auf den Patienten als Kunden gerichtet, um gezielt die Umsätze neuer Arzneimittel zu steigern. Ludwig forderte sowohl eine zentrale Qualitätskontrolle von Patienteninformationen als auch eine Prüfung von Werbe- anzeigen und Arzneimittelinformationen durch eine unabhängige Organisation.
Die Patientenselbsthilfe wisse um die Gefahr der Abhängigkeit durch die Einflussnahme der Pharmaunternehmen, betonte Dr. Martin Danner, Bundesgeschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft Selbsthilfe (BAG Selbsthilfe). Deshalb habe die BAG Selbsthilfe gemeinsam mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband (DPWV) Leitsätze für die Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen im Gesundheitswesen ent- wickelt. Auch die Selbstverpflichtungserklärung der Verbände sei ein wichtiger Baustein, um die Unabhängigkeit zu gewährleisten, so Danner weiter. Auf Nachfrage der zm verwies der Pressesprecher des Verbands der Forschenden Arzneimittelhersteller (VFA), Dr. Jochen Stemmler, auf den geltenden Transparenzkodex des Verbands: „Mit diesen Richtlinien verpflichten sich die Pharmafirmen, Kooperationen mit der Ärzteschaft offenzulegen. Damit stellen wir die geforderte Transparenz her.“ Der Kodex sieht unter anderem eine transparente Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Herstellern vor. Bei Verstößen drohen Bußgelder bis zu 400 000 Euro. Laut Stemmler wollen ab 2016 führende Pharmaunternehmen auf ihren Internetseiten veröffentlichen, mit welchen Ärzten und medizinischen Einrichtungen sie zusammenarbeiten und welche Geldsummen fließen.