Wenn die Kinder zündeln ...
Der Worst Case und zugleich ein Klassiker: Kinder spielen mit Streichhölzern und verursachen einen Großschaden. Rechtsanwältin Kerstin Becker-Eiselen, Versicherungsexpertin bei der Verbraucherzentrale Hamburg, erfuhr von einem solchen Ereignis, als eine ratlose Mutter sie um Unterstützung bat. Deren zehnjähriger Sohn hatte zusammen mit seinem Freund gezündelt. Sie hatten Papierstücke in Brand gesetzt und in ein Mauerloch gestopft. Was sie nicht wussten: Dahinter verbarg sich eine mit Autos besetzte Tiefgarage. Diese brannte samt Inhalt ab. Haftbar gemacht wurde die Mutter. Ihr Problem war: Sie hatte keine Haftpflichtversicherung und muss nun wohl bis an ihr Lebensende zahlen.
So schlimm muss es nicht immer kommen, doch können auch kleine Ursachen eine fatale Wirkung haben. Da assistiert der nette Nachbar beim Aufhängen von Bildern. Zufällig fällt ihm der Hammer aus der Hand und zerdeppert eine kostbare Vase im Wert von mehr als 1.000 Euro. Eigentlich muss die Haftpflichtversicherung bei Gefälligkeiten unter Freunden nicht zahlen. Gute Policen schließen solche Gefälligkeitsschäden aber explizit mit ein, und der Freund bleibt nicht auf seinem Schaden sitzen.
Altverträge prüfen
Auch wenn der Alltag mit Risiken gespickt ist, besitzen laut einer Allensbach-Umfrage bislang nur rund 70 Prozent der Bürger eine Haftpflichtversicherung. Die restlichen 30 Prozent scheinen die Gesetzeslage nicht zu kennen. Danach haftet jeder Bürger bis zur Pfändungsgrenze für einen Schaden, den er jemand anderem fahrlässig zugefügt hat – und das kann teuer werden. Eine private Haftpflichtversicherung springt für den Schaden ein und übernimmt die Zahlungen. Dabei halten sich die Kosten für eine gute Risikoabsicherung in erträglichen Grenzen und liegen zwischen 48 (Schwarzwälder Direkt) und 179 Euro (Signal Iduna) pro Jahr. Beide Angebote bewertet Finanztest mit „sehr gut“. Die beste Absicherung bietet der Interrisk-Tarif XXL für 96 Euro.
Manche Anbieter verlangen für die aktuellen Tarife sogar niedrigere Beiträge als in der Vergangenheit, obwohl die Absicherung heute umfassender ist als früher. Deshalb lohnt es sich auch für die Besitzer älterer Policen, die Bedingungen mit dem aktuellen persönlichen Risikoprofil zu überprüfen. Helge Kühl, Versicherungsmakler im norddeutschen Neudorf-Bornstein, rät: „Verträge, die fünf bis zehn Jahre alt sind, gehören auf den Prüfstand. Das wird besonders dann notwendig, wenn sich das Wohnumfeld, der Beruf oder das Hobby ändert.“ Wer zum Beispiel das Kite-Surfen am Strand für sich entdeckt, muss darauf achten, dass er Spaziergänger nicht verletzt oder andere Sportlerkollegen nicht anrempelt. Kite-Surfen schließen die meisten Versicherer aus. Auch Gefahren, die bei anderen Hobbys wie zum Beispiel Tauchen oder Drachenfliegen lauern, sind meistens nicht mitversichert. Dafür gibt es besondere Policen.
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Internetrisiken beachten
Auch beim Umgang mit dem Internet lauern vertrackte Fallstricke, die unbeabsichtigt zu Haftpflichtschäden führen können. Kühl weist daraufhin, dass solche Schäden nicht in den allgemeinen Bedingungen eingeschlossen sind. So kann es beispielsweise passieren, dass man nette Fotos von der letzten Party bei Facebook einstellt. Ein besorgter Vater entdeckt darauf seine Tochter in einer seiner Meinung nach nachteiligen Position. Er verklagt den Einsteller. Verliert dieser den Prozess, muss er zahlen, wenn seine Haftpflichtpolice für diesen Schaden nicht aufkommt. Verträge mit aktuellen Bedingungen schließen Internetrisiken wie zum Beispiel durch Viren entstandene Schäden häufig mit ein.
Eine wesentliche Nachbesserung ist der Versicherungsschutz für geliehene Sachen. Wer zum Beispiel die vom Nachbarn geliehene Bohrmaschine überstrapaziert, musste früher für ein neues Exemplar selbst aufkommen. Heute gibt es in den Bedingungen häufig eine spezielle Klausel für solche Fälle. In den alten Verträgen fehlt sie. Manche Gesellschaften zahlen inzwischen auch, wenn ein Versicherter den Schaden selbst herbeiführt. Das kann zum Beispiel bei Familienversicherungen der Fall sein. Fügt zum Beispiel der Ehemann – natürlich ohne Absicht – seiner Frau einen körperlichen Schaden zu, kann sie ihn verklagen. Normalerweise zahlt die Versicherung nicht, weil beide eine gemeinsame Versicherung haben. Manche Gesellschaften sichern aber auch solche Risiken ab.
Reicht die Deckungssumme?
Ein besonders großer Nachteil bei Altverträgen sind die häufig zu niedrigen Deckungssummen. Das gilt besonders für Policen, die noch aus DM-Zeiten stammen. Lag die von Experten empfohlene Mindestsumme in jüngster Zeit bei drei Millionen Euro, raten Makler Kühl und Verbraucherschützerin Becker-Eiselen nun zu fünf Millionen Euro. Wer auf Nummer sicher gehen will, schließt eine Deckungssumme von 50 Millionen Euro ab. Die Beiträge dafür liegen nur unwesentlich höher. Beim Interrrisk-XXL-Tarif macht der Unterschied gerade mal zehn Euro aus. Zwar liegen die meisten Schäden im Bereich bis fünf Millionen Euro. Doch da in Deutschland das Prinzip der unbegrenzten persönlichen Haftung gilt, droht die Gefahr der Überschuldung.
Für manche Gefahrenquellen gibt es zwar keine neuen Bedingungen, aber nach den Erfahrungen der Experten haben viele Verbraucher sie einfach nicht im Fokus. Tritt dann der Schadensfall ein, gibt es ein böses Erwachen. So berichtet Becker-Eiselen aus ihrer täglichen Praxis. Auffällig ist, dass die Geschädigten nicht bedenken, dass die Versicherung immer nur den Zeitwert einer Sache ersetzt. So kann es sein, dass der Nachbar ein Brandloch ins Ledersofa brennt und den Schaden seiner Versicherung meldet. Diese schätzt den Wert des Sofas und zahlt vielleicht nur ein paar Hundert Euro, obwohl das gute Stück damals einige Tausend Euro gekostet hat. Handelt es sich um größere, sehr wertvolle Dinge, bewertet ein Gutachter den Schaden. Eine bestimmte Größenordnung für diese Prüfung gibt es nicht.
Gerade in der Ferienzeit, wenn es im Urlaubsland vieles zu entdecken gibt, leiht man sich gern ein Auto. Geschieht das in Italien oder in Griechenland kann es passieren, dass es eine Unterdeckung bei der Kfz-Haftpflicht gibt. Dafür schließen Reisende bei ihrer Kfz-Haftpflicht eine sogenannte Mallorca-Deckung ab, die diese Risiken mitversichert. Wer aber wie inzwischen viele umweltbewusste Führerscheinbesitzer kein eigenes Auto mehr hat, verfügt auch nicht über eine Kfz-Haftpflicht. Leiht er sich ein Auto, sollte er darauf achten, dass seine Privathaftpflichtversicherung die damit verbundenen Risiken mit absichert.
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Risiko Ehrenamt
In Gefahr begeben sich auch ehrenamtlich tätige Bürger. Sie wollen helfen, denken aber nicht darüber nach, dass man sie für manche Schäden haftbar machen kann. So enthalten die Musterbedingungen des Gesamtverbands der Versicherungswirtschaft (GdV) den Hinweis, dass die Gefahren eines Ehrenamtes nicht unter die versicherten Leistungen der Privathaftpflicht fallen. Was bedeutet diese Klausel? Helfer, die zum Beispiel einen Transport von Hilfsgütern durchführen und einen Unfall verursachen, sind nicht versichert. Manche Anbieter schließen in ihren Bedingungen Ehrenämter im Bereich der Kranken-, Behinderten- oder Altenpflege mit ein. Häufig sichern auch Vereine ihre helfenden Mitglieder mit ab. Deshalb ist es sehr wichtig, sich genau über diese Konditionen zu informieren, bevor man eine Aufgabe übernimmt.
Wer sich zu einem neuen Vertrag entschließt, kann mit einer Selbstbeteiligung von 150 Euro den Beitrag noch niedriger halten. Die Versicherungen schützen sich so davor, dass die Kunden viele kleine Schäden melden. Diese bedeuten einen hohen Verwaltungsaufwand, der in keiner Relation zum eigentlichen Schaden steht. Wird es der Gesellschaft zu viel, kann sie von ihrem Sonderkündigungsrecht – das steht den Versicherten nach jeder Schadensabwicklung zu – Gebrauch machen. Makler Kühl warnt davor, es so weit kommen zu lassen. Denn die Aussicht, bei einem anderen Anbieter einen neuen Haftpflichtvertrag zu bekommen, sind schlecht. Für Betroffene hat Kühl einen Tipp: „Wem die Kündigung droht, sollte den Sachbearbeiter bitten, selbst kündigen zu dürfen. Dann kann man unbeschadet zu einer anderen Versicherung wechseln.“ Aus der Praxis weiß Kühl, dass Kündigungen sehr selten vorkommen. Für diejenigen, die sich für einen neuen Vertrag entscheiden, hält er noch einen Tipp bereit: „Wichtiger als die Höhe der Deckungssumme und des Beitrags ist die Absicherung aller Risiken.“
Im Fall der Kündigung
Wer eine neue Haftpflichtversicherung abschließen will, muss erst einmal einen neun Seiten langen Fragebogen beantworten. Das ist nötig, damit möglichst alle Risiken berücksichtigt werden. Mit im Vertrag enthalten sein sollte unbedingt die sogenannte Ausfalldeckung. Sie funktioniert wie eine umgekehrte Haftpflichtversicherung. Erleidet der Versicherte selbst einen Schaden und kann der Verursacher dafür nicht aufkommen, übernimmt die eigene Haftpflichtversicherung die Kosten. Das tut sie aber nicht ohne Einschränkungen: Der Schaden muss mindestens 2 500 Euro betragen und der Geschädigte muss alle rechtlichen Möglichkeiten ausgeschöpft haben. Darüber hinaus kann man spezielle Risiken, wie sie zum Beispiel Mieter, Haus- und Grundbesitzer, Vielreisende oder Tierhalter haben, mit gesonderten Verträgen absichern.
Marlene EndruweitFachjournalistin für Wirtschaftm.endruweit@netcologne.de