Der Verfall des Euro

Freud und Leid

Der Kurs des Euro fällt und fällt. Das macht vielen Deutschen Angst. Doch wie immer, wenn sich was verändert, gibt es die Profiteure der neuen Entwicklung und diejenigen, die das Nachsehen haben. Den meisten Verbrauchern bringt der weiche Euro erst einmal Vorteile im täglichen Leben. Auf längere Sicht kann aber eine schwache Währung die wirtschaftliche Entwicklung des Landes lähmen.

Anfang März schritt EZB-Präsident Mario Draghi zur Tat. Wie angekündigt pumpte er die ersten 60 Milliarden Euro in die Finanzmärkte. Die europäische Währung reagierte prompt. Mitte des Monats fiel der Kurs des Euro gegenüber dem Dollar auf 1,04 Dollar, um sich dann wieder auf 1,06 Dollar zu hangeln. Fast sieben Jahre sind es her, dass er mit knapp 1,60 Dollar pro Euro seinen bisherigen Höchststand erreichte. Jetzt kann es nicht mehr lange dauern, bis der Euro mit dem amerikanischen Greenback, wie der Dollar auch gerne genannt wird, gleichzieht. Aber auch dort wird er nicht lange verharren, so die Prognosen der Experten. Sie übertreffen sich derzeit mit immer neuen möglichen Tiefstständen. Die Erwartungen der Deutschen Bank liegen für 2017 bei 0,85 US-Cent für einen Euro. Mit nur 80 US-Cent wartet Goldman Sachs für 2017 auf. Damit hätte sich der Kurs des Euro innerhalb von neun Jahren quasi halbiert. Nicht ganz so weit lehnen sich die Analysten der Dekabank, die Hausbank der Sparkassen, aus dem Fenster. Sie erwarten eine Abwertung des Euro gegenüber dem Dollar bis Ende 2016. Allerdings rechnen sie mit einer Verlangsamung des Abstiegs. Steigen aber in den USA wie geplant die Zinsen, dürfte dies die Fallgeschwindigkeit wieder erhöhen.

Dax-Unternehmen und Export als Profiteure

Doch erst einmal profitieren die Euro- Länder von ihrer schwachen Währung. Vor allem die Exportindustrie freut sich darüber, dass sie ihre Produkte billiger ins Ausland schicken kann. Prof. Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts HWWI, erklärt die Wirkung: „Eine Abwertung wirkt wie eine Subvention und wie ein Zoll für Importeure. Sie verbilligt die eigenen Produkte und verteuert die anderen.“ Kein Wunder also, dass die Konjunkturprognosen für Deutschland heraufgesetzt worden sind. So verbesserte das DIW die Zahlen für das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr auf 2,2 Prozent nach 1,4 Prozent im Dezember 2014. Für den Export rechnet der mm-Konjunktur-Indikator vom Manager Magazin mit einem Plus von drei Prozent.

Positiv auswirken wird sich der Eurokurs vor allem für Dax-Unternehmen wie Lanxess, Bayer, Linde oder BMW. Sie alle handeln vorzugsweise mit Ländern, die in Dollar rechnen. Dort dürfte die Nachfrage nach günstigen deutschen Produkten steigen. Markus Wallner, Analyst bei der Commerzbank, geht davon aus, dass die Dax-Unternehmen etwa 37 Prozent ihrer Umsätze in diesen Ländern erzielen. Eine Euro-Abwertung von zehn Prozent würde seiner Rechnung nach die Gewinne um rund acht Prozent steigern. Steigt der Export, heißt das, die Unternehmen haben mehr Aufträge und benötigen mehr Fachkräfte, die diese Aufträge ausführen. Also schaffen sie im besten Fall mehr Arbeitsplätze. Neben diesen positiven Effekten werden die Verbraucher aber auch die Schattenseiten des schwachen Euro zu spüren bekommen. So haben die Preise für Benzin schon wieder deutlich angezogen. Die Zeiten, in denen Autofahrer für 1,22 Euro pro Liter Super tanken konnten, sind vorbei. Das liegt nicht daran, dass der Ölpreis angezogen hätte, sondern vielmehr daran, dass das schwarze Gold in Dollar gehandelt wird. Dieses kleine Konjunkturförderprogramm ist also zu Ende. Und nicht für nur Öl, sondern für fast alle Rohstoffe, Agrargüter und Industrieprodukte, die von außerhalb des Euroraums importiert und in Dollar gehandelt werden, müssen die Unternehmen mehr bezahlen.

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Stellenweise zahlen Verbraucher die Zeche

Das gilt beispielsweise für Kupfer, Kautschuk oder Zink. Die Aufschläge werden sie so weit wie möglich an den Handel weiterreichen. Direkt betroffen sind die Verbraucher vor allem bei Agrargütern wie Kaffee, Gewürzen oder auch Obst- und Gemüseimporten. So zogen bereits im vergangenen Jahr die Preise für Tee, Kaffee und Kakao um mehr als zehn Prozent an. Für dieses Jahr hat Tchibo bereits eine Preiserhöhung von 20 bis 30 Cent je Pfund Kaffee angekündigt. Guter Fisch war auch schon in der Vergangenheit kein Arme-Leute-Essen mehr. Daran wird sich bestimmt nichts ändern. Der Preis für Kabeljau und Lachs steigt ebenfalls. Das befürchtet Hinnerk Ehlers, Marketing-Chef des  Tiefkühlunternehmens Frosta: „Sämtliche Zutaten, die wir im Ausland in US-Dollar einkaufen, werden deutlich teurer. Besonders betrifft dies unseren Fisch, der hauptsächlich aus Alaska kommt und natürlich die vielen exotischen Zutaten.“ Aber nicht nur bei dem, was auf den Tisch kommt, macht sich der schwache Euro bemerkbar. Auch müssen modebewusste Menschen mit Preissteigerungen rechnen. Schuhe, T-Shirts, Kleider, egal ob von Markenherstellern oder Billigproduzenten, – die meisten stammen aus asiatischen Ländern, die ebenfalls vorwiegend in Dollar abrechnen.

Ähnliches gilt für Fernseher, Smartphones oder Computer. Die Euro-Preise für alle Mac-Books bereits erhöht hat Apple. Sie haben zwischen 100 und 150 Euro angezogen bei stagnierenden Dollar-Preisen. Generell werden die Verbraucher die veränderte Preisgestaltung so schnell aber nicht zu spüren bekommen. Der Grund für die Zurückhaltung ist, dass es lange Lieferverträge gibt und viele Firmen sich für bestimmte Fristen gegen Währungsrisiken abgesichert haben. Große Unternehmen wie etwa BMW und VW haben längst eigene Werke in den USA und produzieren vor Ort. Die Währungsfrage stellt sich hier nicht so dramatisch. Mehr sparen müssen auch alle, die ihren Urlaub außerhalb der Euro-Zone verbringen wollen. Bereits drastisch teurer wurde der Skiurlaub in der Schweiz, nachdem die Eidgenossen ihren Franken vom Euro abgekoppelt hatten. Der Verfall des Euro dürfte den Trend verschärfen. Günstige Urlaube in den USA gehören vorerst der Vergangenheit an. Die Weltbank untersuchte zuletzt 2013, wie teuer ein durchschnittlicher Warenkorb in den USA ist. Danach war er damals neun Prozent günstiger als hier. Nach aktuellem Stand kostet er jetzt 13 Prozent mehr. Entgegenkommen zeigt die Türkei. In dem beliebten Reiseland hat der Euro an Kaufkraft gewonnen, weil die heimische Währung Lira an Wert verloren hat.

Damit erreicht die EZB, was sie will: Der schwache Euro fördert den Export und so die Wirtschaft. Zusätzlich treiben die höheren Preise wie von der EZB gewünscht die Inflation. Hierbei liegt das erklärte Ziel bei zwei Prozent. Auch die südlichen Länder profitieren erst einmal vom billigen Euro. Sie können ihre Güter ebenfalls günstiger ins Ausland verkaufen. Doch der positive Effekt kann verpuffen, wenn die Wettbewerbsfähigkeit der Länder sich nicht nachhaltig verbessert. Die Gefahr besteht. Denn dank des schwachen Euro können sie ihre bislang produzierten Produkte absetzen. Der Druck, notwendige Reformen anzugehen, schwindet. Außer einer Verschnaufpause ist nichts gewonnen. So sieht es Dr. Jürgen Michels, Chefvolkswirt der Bayerischen Landesbank: „Eine Abwertung des Euro hilft zwar dem Export. Davon profitiert aber vor allem zum Beispiel Deutschland, für die Länder in der Peripherie ergibt sich kaum ein Effekt. Überdies überwiegen auch sonst die negativen Nebeneffekte einer Abwertung, vor allem wegen einer drohenden Verschiebung dringend notwendiger Strukturreformen, gegenüber den kurzfristigen Vorteilen.“

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Kurzfristiger Aufschwung von DAX-Aktien

Und was haben die Anleger von der Abwertung? So lange sie ihr Geld in Euro-Anlagen investiert haben, bleiben sie zumindest von Währungsrisiken verschont. Wer Kapital in Aktien von Exportorientierten Unternehmen angelegt hat, darf sich über steigende Gewinne freuen. Doch Dr. Martin W. Hüfner, Chief Economist bei der Vermögensverwaltung Assegnon, rät zur Vorsicht: „Das gilt nur für kurze Frist. Auf lange Sicht verringert sie den Druck auf die Unternehmen, ihre Position auf den Weltmärkten durch Produktivitätssteigerungen zu behaupten. In Deutschland hat die ’Peitsche’ der Auf- wertung der D-Mark in der Vergangenheit entscheidend dazu beigetragen, dass die Unternehmen so erfolgreich im Export waren.“ Allerdings rechnet er nicht mit einer schnellen „Verweichlichung“. Auch die Zinsen dürfte der schwache Euro nicht weiter nach unten drücken. Viel Spielraum gibt es ja auch nicht. Dabei sollte der Euro doch Nord und Süd, Reich und Arm unter einen Hut bringen und allen nur Vorteile bringen. Damals konnten die Deutschen sich nur deshalb für den Euro entscheiden, weil die neue Währung so stark wie die D-Mark werden sollte. Die alte Mark zwang die deutschen Unternehmen, mehr Qualität zu produzieren als die Weichwährungsländer, um konkurrenzfähig zu bleiben. So konnten sie einen Vorsprung erwirtschaften, der bis heute anhält. Ähnliche Erfolge hatten auch die anderen Hartwährungsländer wie die Schweiz, Schweden oder die Niederlande zu verzeichnen. Auf Inflation zu setzen, um so die Schulden in den Griff zu bekommen, wäre damals nicht denkbar gewesen. Die stets auf Stabilität bedachte Bundesbank fungierte als Vorbild für die EZB. Deren erster Präsident, Wim Duisenberg, war Holländer und vertrat die gleichen Ideen wie der aktuelle Bundesbank-Chef Jens Weidmann. Ein Fluten der Märkte mit mehr als einer Billion Euro wäre damals niemand in den Sinn gekommen. Wusste man doch aus Erfahrung, dass Abwertungen bislang noch nicht von Vorteil waren. Die Beispiele der Lira-Abwertungen in Italien und der Francs-Abwertungen in Frankreich waren nicht von Erfolg gekrönt. Die Kaufkraft sank, die Inflation kletterte und die Bevölkerung konnte sich für ihr Geld immer weniger leisten.

Abwertungen mit negativen Folgen

Heute befürchten manche Experten, dass die Abwertungstaktik der EZB zu Gegenreaktionen bei den anderen Zentralbanken führen könnte. Sie könnten die Strategie der EZB als unfaire Manipulation empfinden, die den Euro-Ländern einseitige Vorteile verschafft zulasten der anderen Länder. Michael Hüther, Direktor des Instituts der Deutschen Wirtschaft, warnt deshalb: „Wir sind einem Währungskrieg durch bewusst herbeigeführte Abwertungen sehr nahe. Was wir jetzt er- leben, haben wir zuvor beim japanischen Yen erlebt. Besser geht es der japanischen Volkswirtschaft deshalb aber nicht.“ Die amerikanische Notenbankpräsidentin Janet Yellen wird sich wohl bei den angekündigten Zinserhöhungen im Sommer ziemlich zurückhalten, damit der US-Dollar sich nicht noch weiter verteuert und die amerikanische Wirtschaft benachteiligt.

Marlene EndruweitFachjournalistin für Wirtschaftm.endruweit@netcologne.de

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