Tilgungsersatz mit Risiken
Die Existenzgründungsphase ist vorüber, Umsatz- und Ertragsentwicklungen liegen über Plan und auf Mitarbeiterinnen und Patienten ist Verlass: Wilfried K. kann optimistisch in die Zukunft blicken. Seine Zahnarztpraxis hat sich besser entwickelt, als es bei der Gründung vor vier Jahren erwartet werden konnte. K., der es gewohnt ist, seine unternehmerischen Entscheidungen schrittweise und konsequent voranzutreiben, ist nun in der Lage, den nächsten Punkt im Rahmen seiner Langfristplanung anzugehen: Zur Absicherung seiner zukünftigen Einnahmesituation denkt er an den Kauf eines vermieteten Mehrfamilienhauses, das er zunächst finanziert und in etwa zwanzig Jahren und damit im Alter von fünfundfünfzig Jahren vollständig zurückgezahlt haben will. Die Rahmenbedingungen sind für K. klar: Er ist bereit, maximal 500 000 Euro zu finanzieren. Dem steht ein Eigenkapital in Höhe von rund 100 000 Euro gegenüber, mit dem er einen Teil des Kaufpreises, aber auch die anfallenden Nebenkosten wie Grunderwerbsteuer sowie Notar- und Grundbuchgebühren bezahlen will. Eine Maklerprovision fällt nicht an, da er diverse Immobilienangebote mithilfe privater Kontakte bereits erhalten hat und diese nun prüft. Darüber hinaus ist der Zeitpunkt seiner Investitionsentscheidung günstig, da die Darlehenszinsen für Immobilienfinanzierungen nach wie vor niedrig sind.
Verschiedene Rückzahlungsvarianten
Was allerdings nach wie vor nicht geklärt ist: Bei der Frage der Tilgungsvereinbarung mit seiner Bank ist K. unsicher. Ursprünglich gab es für ihn keinen Zweifel an der herkömmlichen Variante jährlich steigender Tilgungsraten von zunächst einem Prozent innerhalb eines Annuitätendarlehens. Bei dieser Finanzierungsvariante bleibt die Höhe der Zins- und Tilgungsraten („Annuität“) bis zum Ablauf der jeweiligen Zinsbindung bekanntlich unverändert, so dass der Kreditnehmer das Darlehen im Abzahlungszeitraum kontinuierlich zurückzahlt. Unsicher wurde K., als ihm ein Geschäftspartner ein anderes Modell mit einer sogenannten Tilgungsaussetzung vorstellte. Die damit eingesparten monatlichen Tilgungsbeträge würden stattdessen in einem Investmentfonds mit Aktien angelegt und zu festgelegten Terminen in einer Summe oder in größeren Teilbeträgen zur Darlehenstilgung verwendet. Der Geschäftspartner von K. hat damit nach eigener Aussage gute Erfahrun gen gemacht. Mehr noch: Durch die positive Entwicklung der Aktienkurse hat er angeblich „weitaus mehr Wertzuwächse erzielt als erwartet“. Nach der Darlehensrückzahlung blieb sogar noch ein Restbetrag zu seiner freien Verfügung.
K. zeigte sich von diesen Zahlen durchaus beeindruckt, zumal in der aktuellen Finanzkrise zu Aktien bekanntlich immer wieder geraten wird. Allerdings verschließt er keineswegs die Augen vor den Gefahren, die eine solche Rückzahlungsalternative nach wie vor mit sich bringt. Eine positive Aktienkursentwicklung lässt sich verständlicherweise nicht einfach hochrechnen und in die Zukunft übertragen. Hier bestehen finanzielle Unwägbarkeiten, die K. absolut nicht außer Acht lässt. Dazu ist er schon aufgrund seiner unternehmerischen Ver-antwortung seiner Familie und seinen Mit-arbeiterinnen gegenüber verpflichtet. Um sich zumindest weitgehend abzusichern, wird er zunächst ein ausführliches Gespräch mit seinem Steuerberater über die Vor- und Nachteile einer Tilgungsaussetzung führen. Neben der unsicheren und demzufolge mit Risiken verbundenen Aktienkursentwicklung sind in diesem Gespräch vor allem steuerliche Gesichtspunkte sowie der nicht zu unterschätzende Aspekt einer unveränderten Darlehenshöhe bis zum Ablauf der jeweiligen Zinsbindung zu thematisieren.
Individuelle Tilgungslösungen
Neben der Aktienvariante kann sich K. selbstverständlich auch für Anlagealternativen mit einem geringeren Spekulationsgrad entscheiden. Hierzu bieten sich beispielsweise sogenannte Mischfonds an, bei denen die Fondsmanager sowohl in Aktien als auch in festverzinsliche Wertpapiere investieren. Die Quote des spekulativen Anteils könnte von K. bei der Vorabauswahl weitgehend gesteuert werden. Ebenso denkbar sind reine Rentenfonds, die vor allem in Wertpapieren mit regelmäßigen Zinserträgen investieren und damit ebenfalls eine Risikoreduzierung ermöglichen. Die Vielfalt entsprechender Investmentfonds lässt eine individuelle Lösung also durchaus zu. Daran gibt es eigentlich keinen Zweifel. Eine garantierte Wert- entwicklung ist andererseits aber ebenfalls kaum darstellbar. Selbst bei sogenannten Wertsicherungsfonds wird meist lediglich das eingesetzte Kapital abzüglich Kosten zu einem bestimmten Zeitpunkt garantiert. Vorübergehende Kursverluste sind bei einem solchen Produkt in der Regel also durchaus möglich. Hinzu kommt, dass K. von Spekulationen nicht viel hält. Aktientransaktionen wurden von ihm bisher so gut wie nicht getätigt. Er hat dies immer mit der Begründung abgelehnt, sich vollständig auf seine jeweilige berufliche Tätigkeit zu konzentrieren. Das ständige Beobachten von Aktienkursen und wirtschaftlichen Daten würde ihn dabei nur ablenken.
Michael VetterFachjournalist für Finanzenvetter-finanz@t-online.de