Gesundheitsdaten

Wie Kassen ihre Kunden lesen

Patienten sollten sich stark überlegen, ob sie ihre sensiblen Daten ihrer Krankenversicherung anvertrauen, warnt die KZBV angesichts wachsender Praktiken mancher Krankenkassen, über Fitness-Apps an die Gesundheitsdaten ihrer Versicherten zu kommen. Die Bundesdatenschutzbeauftragte ist alarmiert und mahnt den Gesetzgeber zu mehr Verantwortung.

Andrea Voßhoff, die Bundesbeauftragte für Datenschutz, war in den vergangenen Wochen eine gefragte Frau: Immer wieder musste sie in der Öffentlichkeit zu aktuellen Fällen von Datenmissbrauch in der Kassenlandschaft Stellung beziehen. Zum Beispiel zum Einsatz von Gesundheitsdaten, die über die Versicherten bei den privaten Krankenkassen landen: Immer mehr private Kassen bieten ihren Versicherten Smartphone-Apps an, mit denen diese ihre sportlichen Aktivitäten nachweisen können.

Hinzu kommen Daten über Gesundheit, Trainingsfortschritte, Essverhalten, Herzfrequenz oder Blutzuckerwerte. Diese gesammelten Daten – zum Teil auch sehr persönliche und sensible - werden anschließend an die Versicherung übermittelt. Dazu müssen die Versicherten den Erhebungen vertraglich zustimmen. Wo die Daten genau landen beziehungsweise was mit ihnen geschieht, ist oftmals unklar.

Was die Bundesbeauftragte für Datenschutz sagt

Voßhoff zu dieser PKV-Praxis: „Allen Anwendern, die Fitness-Apps freiwillig herunter- laden, rate ich, nicht unbedacht mit ihren sensiblen Gesundheitsdaten umzugehen und die kurzfristigen finanziellen Vorteile, welche die Datenoffenbarung vielleicht mit sich bringt, gegen die langfristigen Gefahren abzuwägen.“

Die mit Versicherungstarifen dieser Art angebotenen Vorteile klängen besonders für junge und gesunde Menschen verlockend, unterstreicht die Datenschützerin. Prognosen über die zukünftige gesundheitliche Entwicklung der Versicherten könnten aber – unabhängig davon, ob sie zutreffen oder nicht – dazu genutzt werden, profilgenaue Angebote zu unterbreiten, das Leistungsspektrum entsprechend anzupassen oder künftige Risikozuschläge zu berechnen.

Neben den privaten Krankenversicherungen beobachtet Voßhoff inzwischen auch bei den gesetzlichen Krankenkassen ein wachsendes Interesse an Gesundheits- und Fitnessdaten ihrer Versicherten. Die GKV darf allerdings nur in den im Gesetz normierten Fällen personenbezogene Daten erheben. Voßhoff fordert: „Der Gesetzgeber sollte erwägen, diesen Schutz auch den Versicherten privater Kassen zu gewähren.“

Die Datenschutz- beauftragte verweist in ihrem 25. Tätigkeitsbericht für die Jahre 2013 und 2014 auf Fitness-Apps großer gesetzlicher Krankenkassen, die mit einem Bonusprogramm gekoppelt sind. Noch würden zwar keine Gesundheitsdaten erhoben, dennoch mahnte sie, dass die Kassen sich ihrer Verantwortung für die Sozialdaten bewusst sein sollten.

###more### ###title### Was die GKV sagt ###title### ###more###

Was die GKV sagt

Der GKV-Spitzenverband betont, dass Gesundheitsdaten in Deutschland einem ganz besonderem Schutz unterliegen. Nicht alles, was technisch möglich sei, komme angesichts des besonderen Schutzes von Sozialdaten zum Einsatz, heißt es in einer Kurzstellungnahme des Verbands gegenüber der zm. Da die GKV auf einkommensbezogenen Beiträgen beruht – und nicht wie die PKV auf risikobezogenen Prämien - hätten solche Aspekte für die GKV nach derzeitiger Gesetzeslage auch perspektivisch eine eher untergeordnete Rolle.

Ein weiterer Missstand: Voßhoff hatte in ihrem Bericht Datenschutzverstöße bei der Übermittlung von Unterlagen bemängelt, die von den Ärzten über die Krankenkassen direkt an den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) verschickt werden. Die Bundesdatenschutzbeauftragte will das Verfahren jetzt ändern, weil die Kassen diese Briefe dem Bericht zufolge widerrechtlich geöffnet haben. Die Kassen sollen nun den Ärzten einen direkt an den MDK adressierten Rückumschlag zur Verfügung stellen.

Weitere Problemfelder beim Umgang mit Versichertendaten durch die GKV ergeben sich aus dem Kapitel „Fallmanagement der Kassen“. In den vergangenen Jahren hat bei den gesetzlichen Krankenkassen der Trend zugenommen, sich im Sinne einer ganzheitlichen Betreuung über ihren gesetzlichen Auftrag hinaus um ihre Versicherten zu kümmern.

Das Fallmanagement soll den Versorgungsbedarf eines Versicherten in einem bestimmten Zeitraum unabhängig von unterschiedlichen Zuständigkeiten von Einrichtungen, Ämtern und Dienstleistern planen, koordinieren, implementieren, überwachen und evaluieren. Letztlich verfolgen die Krankenkassen mit dem Fallmanagement das Ziel, die Qualität der Versorgung zu sichern und die langfristigen Kosten zu senken. Dies dürfe, so der Bericht, aber nicht zu einem rechtswidrigen Umgang mit personenbezogenen Daten von Versicherten führen.

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Was die KZBV sagt

Die KZBV beobachtet die Datensammlung bei den Kassen – GKV wie PKV – schon seit Langem kritisch. „Patienten sollten sich sehr stark überlegen, ob sie ihre sensiblen Daten ihrer Versicherung anvertrauen,“ warnt der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KZBV, Dr. Günther E. Buchholz. „Wie schnell haben wir hier den gläsernen Patienten!“

Die Datensammlungen beim Fallmanagement der Kassen sieht Buchholz mit großer Skepsis: „Die hier einmal mehr dokumentierte Sammlung personenbezogener Daten, insbesondere sensibler Sozialdaten durch die Krankenkassen, ist nicht nur aus Sicht der Vertragszahnärzteschaft höchst problematisch. Es gibt de facto keinen Lebensbereich der Versicherten mehr, über den seine Krankenkasse nicht im Detail Bescheid weiß – und das vielfach ohne gesetzliche Grundlage.

Die Kassen können bei Bedarf jederzeit vollständige Profile von Patienten, aber auch Behandlern generieren und für ihre Zwecke nutzen. Ich fordere daher die Bundesbeauftragte für den Datenschutz auf, energisch gegen die weiter ausufernde Datensammelwut übergriffiger Kostenträger mit geeigneten Maßnahmen vorzugehen.“

Unter dem Vorwand, die Qualität der Versorgung sichern und Kosten senken zu wollen, nutzten viele Kassen die dabei gewonnenen Daten, um Einfluss auf den Verlauf von Behandlungen zu nehmen und damit Zahnärzte, Ärzte und deren Patienten gleichermaßen zu gängeln, betonte Buchholz.

###more### ###title### Was die Regierung sagt ###title### ###more###

Was die Regierung sagt

Das Thema ist ein Dauerbrenner. Anfang Januar befasste sich auch der Deutsche Bundestag damit. In einer Kleinen Anfrage stellten Abgeordnete der Fraktion Die Linke ausführlich Fragen über Datensammlungen über Versicherte in der privaten Krankenversicherung. Sie verwies darauf, dass die Generali-Versicherungsgruppe angekündigt habe, ab Anfang Januar 2016 Gratifikationen an Versicherte auszugeben, die per App Gesundheitsdaten über sich sammeln und an die Versicherung weiterleiten.

Ähnliche Angebote seien auch bei anderen Versicherungen (genannt wurden Allianz und AXA) geplant. Für die Versicherungen, die diese Aktionen umsetzen, ergäben sich Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Kassen, die diese Sammlungen nicht durchführen.

Die Antwort der Bundesregierung fiel eher unverbindlich aus. Sie geht davon aus, dass Versicherte sorgsam und zurückhaltend mit der Weitergabe der entsprechenden Informationen umgehen. Ferner sei anzunehmen, dass die Versicherungsunternehmen, die solche Tarife anbieten wollen, „nicht nur die Vorgaben des Datenschutzes vollständig befolgen werden, sondern darüber hinaus mit der notwendigen Sorgfalt und Verantwortung als Unternehmen mit diesen zur Verfügung gestellten Informationen um- gehen werden“.

Es gelte, auch die Chancen in den Blick zu nehmen, die mit digitalen Anwendungen – gerade für eine bessere Behandlung, die Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung oder auch bei der Qualität medizinischer Leistungen oder von Präventionsmaßnahmen – verbunden seien.

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Was die Nutzer sagen

Für den Nutzer von Fitness-Apps stehen ganz andere Beweggründe im Vordergrund, wie ein Forscherteam der Fakultät für Gesundheitswissenschaft der Universität Bielefeld untersucht hat. Jeder dritte Studierende in Deutschland kontrolliere seine Gesundheit online, so das Ergebnis einer Befragung unter 675 Studierenden deutschlandweit. Ausschlaggebend seien dabei nicht mehr Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes, heißt es in der Studie.

Viel entscheidender sei, so Gesundheitswissenschaftler Christoph Dockweiler, wie groß der Gesundheitsgewinn eingeschätzt wird, wie andere die App bewerten und ob die anfallenden Kosten selber zu tragen sind. Dockweiler: „Gerade mit Blick auf Risiken wie den Datenmissbrauch zeigt sich hier ein bemerkenswerter Verdrängungsprozess, der allerdings auch damit einhergeht, dass das bisherige Wissen der Nutzerinnen und Nutzer zu gering ist. Gerade mal jeder Dritte fühlt sich ausreichend informiert über die potenziellen Risiken der Nutzung.“

Ein Grund mehr für die Zahnärzteschaft, das Thema kritisch und gesamtgesellschaftlich im Blick zu behalten.

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