Generation Y

Die jungen Ärzte kommen

Sie wollen lieber geregelte Arbeitszeiten als steile Karrieren, sie wollen Kinder und ein Leben jenseits von Übermüdung und ständigem Stress - junge Nachwuchsmediziner haben klare Ziele. Doch obwohl die Wünsche der Generation Y vielfach diskutiert und bekannt sind, kommt es bei der Umsetzung immer wieder zu Konflikten - vor allem im Klinikalltag.

"Sie sind ein Individuum, das in ein System gepresst wird. Konflikte sind da unausweichlich“, sagte Dr. Ulrike Schlein, Fachärztin für Chirurgie und Allgemeinmedizin und seit 2001 freiberufliche Organisations- und Personalentwicklerin, den versammelten Medizinstudierenden. Ihr Tipp für die Teilnehmer des Nachwuchskongresses „Operation Karriere“: „Nehmen Sie eine Rolle in diesem System ein.“

Mehr als 500 angehende Ärzte hatten sich für den Kongress des Deutschen Ärzte-Verlags in Berlin angemeldet, um sich über Medizinstudium, Bewerbung, Karriereplanung und Weiterbildungsmöglichkeiten zu informieren.

Die ganz alltäglichen Missverständnisse

Schlein beschrieb in ihrem Workshop die Fallstricke der ersten Jahre und versuchte die jungen Nachwuchsmediziner für Rollenkonflikte zu sensibilisieren. Typisches Beispiel seien ´die ganz alltäglichen Missverständnisse´ sagte die Chirurgin. So behaupteten Chefärzte immer wieder, die Assistenzärzte der Generation Y seien heute nicht mehr kritikfähig. Die jungen Mediziner dagegen wünschten sich viel mehr Reflexion und Kritik von ihren Chefärzten.

Zum Rollenkonflikt komme es immer dann, wenn die eigenen Arbeitsbereiche für sich selbst nicht definiert und anderen nicht kommuniziert wurden, erklärte Schlein. Beispiel: Der Oberarzt kritisiert den Assistenzarzt, dass eine Behandlung nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde, die aber eigentlich in den Zuständigkeitsbereich der Pflegekraft fällt.

„Sie sind nur Teil des Systems“

„Machen Sie sich bewusst, dass Sie nur Teil des Kliniksystems sind“, riet Schlein ihren Zuhörern, „Kritik richtet sich in erster Linie nicht an Sie als Person, sondern einfach weil Sie im System nicht funktionieren“. Und weiter: „Wenn Sie sich in Ihrer Rolle gut zurechtfinden, dann können Sie auch mit dem System gut zurecht- kommen. Und dann können Sie auch Ihre Wünsche nach geregelteren Arbeitszeiten, einer guten Work-Life-Balance und mehr Kinderfreundlichkeit durchsetzen.“

Dass die junge Ärztegeneration großen Wert auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf legt, bestätigt eine aktuelle Umfrage der Universität Trier unter rund 11 000 Medizinstudierenden im Auftrag der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). 87,4 Prozent der Befragten gaben an, Kinder haben zu wollen. Für 84 Prozent sind deswegen geregelte Arbeitszeiten wichtig. 81 Prozent sprachen sich für eine Kinderbetreuung während der Weiterbildung aus.

Ist der Nachwuchs deshalb arbeitsscheu? Nein, so der Tenor. Bei der Arbeitsplatzwahl rücken gute berufliche Bedingungen und ein gesundes Umfeld nur vielmehr in den Fokus. Leben, um zu arbeiten, das kommt für die meisten jungen Mediziner schlicht nicht mehr infrage.

Eine Generation nutzt ihre Möglichkeiten

Aufgrund des Ärztemangels habe es die Generation Y relativ einfach ihre Forderungen auch durchzusetzen. „Die Zeichen könnten im Moment nicht besser stehen. Sie haben eine nahezu grenzenlose Auswahl an Arbeitsmöglichkeiten. Nutzen Sie diese“, riet Prof. Adelheid Kuhlmey, Prodekanin für Studium und Lehre der Berliner Charité, den versammelten Studierenden: „Sie werden umworben. Genießen Sie das ruhig.“

Vor allem in ländlichen Regionen drohten in den nächsten Jahren ein verschärfter Hausärztemangel und Versorgungslücken. Zu diesem Ergebnis kommt der Ärztemonitor 2014 der KBV, der 10 000 ambulant tätige Ärzte und Psychotherapeuten befragte. Knapp jeder vierte Haus- und Facharzt plane demnach bis 2020 seine Praxis aufzugeben. Die Suche nach einem Nachfolger gestaltet sich häufig schwierig. 58 Prozent der Ärzte gaben an, sie hätten noch keinen Nachfolger gefunden.

Hinzu kommt: Immer mehr Ärzte arbeiten in Teilzeit. 2005 waren es laut Statistischem Bundesamt noch 42 000, 2011 nach den jüngsten Daten 54 000. Eine mögliche Ursache für den Trend zum Teilzeit-Arzt ist mehreren Experten zufolge der ansteigende Frauenanteil. Aus der KBV-Studie geht hervor, dass 64,5 Prozent aller Medizinstudierenden weiblich sind.

Kinder? Am besten direkt nach dem Studium

Auf die Frage wann der am besten geeignete Zeitpunkt sei, um Kinder zu bekommen, antworteten 64,9 Prozent: direkt nach dem Studium. „Zwei Drittel der Frauen und zunehmend auch Männer gehen in Teilzeit“, erläuterte Kuhlmey. Auch weil der Verdienst gestiegen ist, erscheine vielen Nachwuchsmedizinern die halbe Stelle als langfristige Perspektive.

Vielleicht gerade weil die Möglichkeiten heute so vielfältig sind, halten sich viele Medizinstudenten ihre Zukunft noch offen. Aus der KBV-Studie geht hervor, dass für die meisten Studierenden eine Niederlassung ebenso vorstellbar ist wie eine Anstellung in einer Klinik. „Auch wenn es wünschenswert wäre: Kein Student kann bereits im Studium wissen, wo er später arbeiten möchte“, untermauerte Tim Vogel, Medizinstudent im 7. Semester diesen Trend. „Dafür ist die Zeit mit sechs Jahren Studium und anschließend fünf Jahren Facharztausbildung einfach viel zu lang.“

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