Transparenz statt Einheitsnoten
Wer auf der Suche nach einem guten Pflegeheim für einen Angehörigen ist, steht vor einer zentralen Frage: Woher weiß ich, ob in einer Einrichtung wirklich gut gepflegt wird? Um den Bürgern mehr Transparenz in Sachen Pflegequalität zu bieten, hat der Gesetzgeber mit dem Pflege-Weiterentwicklungsgesetz 2009 in allen Pflegeeinrichtungen Qualitätsprüfungen eingeführt. Die Medizinischen Dienste der Krankenkassen (MDK) bewerten seitdem im Rahmen dieser Prüfungen nach einer vorgegebenen Bewertungssystematik die Qualität einer Einrichtung. Die Ergebnisse werden als sogenannte Qualitätsberichte unter anderem im Internet veröffentlicht. Schulnoten sollen dabei auf einen Blick die Qualität der Einrichtung verdeutlichen. Für mehr Transparenz hat der Pflege-TÜV jedoch nicht gesorgt. Von Beginn an monierten Kritiker des Bewertungssystems, dass die Benotung der Pflegedienste zuwenig Aussagekraft habe.
Diese Kritik hat nun der Patientenbeauftragte und Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, Karl-Josef Laumann, aufgenommen und die Abschaffung des Pflege-TÜVs in seiner jetzigen Form gefordert. In einem kürzlich veröffentlichten Positionspapier zur Reform der Pflegenoten empfiehlt Laumann, das System der Bewertung mit Schulnoten umgehend auszusetzen. Grund: Die Bürger erhielten durch die Pflegenoten keinen Überblick, welche Pflegeeinrichtungen wirklich gut sind und welche nicht. Im Gegenteil würden sie durch die geringe Spreizung bei der Benotung und durch den völlig unrealistischen Notendurchschnitt von 1,3 in die Irre geführt. Gerade der hohe Notendurchschnitt ist auch ein Hauptkritikpunkt vieler Pflegeexperten. Die Kritiker monieren, dass bei der Bewertung eines Pflege- heims schwere Mängel in der pflegerischen Versorgung – etwa bei einer schlechten Prophylaxe von Druckgeschwüren (Dekubitus) – durch gut lesbare Speisepläne oder ein umfangreiches Freizeitangebot sehr einfach ausgeglichen werden können.
Prüfkriterien bringen keine Transparenz
Für die Schulnote „sehr gut“ müsse ein Schüler eine herausragende Leistung erbringen, für eine Eins im Transparenzbericht reiche es, wenn die Pflegeeinrichtung die Mindeststandards erfülle, erklärt Nadine-Michèle Szepan, Abteilungsleiterin Pflege beim AOK-Bundesverband den Hintergrund der Problematik. Im Klartext: Was in der Schule gerade mal für eine Vier reicht, bringt in der Pflege bereits eine glatte Eins.
Auf diesen offensichtlichen Missstand hat Laumann nun reagiert. „Die Pflegenoten führen weder zu Transparenz noch zu mehr Qualität in den Pflegeeinrichtungen, daran änderte auch eine Reform des Systems nichts. Die Bürger werden durch die Noten bei der Wahl einer Pflegeeinrichtung nicht transparent informiert. Denn es wird bisher nicht unterschieden zwischen unabdingbaren Kernkriterien, die eine gute Pflegeeinrichtung auf jeden Fall erfüllen muss, und weniger wichtigen Faktoren“, heißt es in Laumanns Positionspapier.
Lauterbach: Verbessern, nicht abschaffen
Dieser Einschätzung widerspricht allerdings der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach. Er sprach sich nach den Vorwürfen Laumanns ausdrücklich gegen eine Abschaffung der Pflegenoten aus. Es stimme zwar, dass die Benotung von Pflegeheimen nicht gut funktioniere, aber sie sei auch nicht wertlos, so Lauterbach. Einige Missstände in Pflegeheimen seien mithilfe der Pflegenoten aufgedeckt worden, erklärte Lauterbach in der Saarbrücker Zeitung. „Deshalb kann es nicht darum gehen, populistisch etwas abzuschaffen, sondern den Pflege-TÜV so schnell wie möglich zu verbessern.“ Bei der Benotung dürfe Wichtiges nicht mehr mit Unwichtigem verrechnet werden, erklärte Lauterbach: „Die medizinisch-pflegerische Versorgung muss im Mittelpunkt stehen und nicht die Frage, wie viele Feste ein Heim veranstaltet.“ Der SPD-Gesundheitspolitiker kündigte an, dass man hier im nächsten Jahr zu einer Lösung kommen könne.
Hoffnungen aufs Pflegestärkungsgesetz
Laumann hingegen fordert: „Die Veröffentlichung der bisherigen Pflegenoten muss umgehend ausgesetzt werden. Wir brauchen messbare Kriterien, an denen sich die Qualität von Pflege und Betreuung festmachen und vergleichen lässt.“ Mit dem geplanten zweiten Pflegestärkungsgesetz müsse festgelegt werden, dass ein unabhängiges Expertengremium aus Wissenschaftlern verbindlich bestimmt, wie die Ergebnisse der MDK-Prüfungen unverfälscht und in für die Verbraucher leicht verständlicher Form veröffentlicht werden können.
Otmar Müller
Gesundheitspolitischer Fachjournalist
mail@otmar-mueller.de