Gastkommentar

Elefantenhochzeit im Kassenlager

Heftarchiv Meinung
pr
Mit dem Fusionsbeschluss von Barmer und Deutsche BKK könnte die Techniker-Krankenkasse als Marktführer abgelöst werden.

Die gute Finanzlage im Gesundheitswesen hat die Fusionswelle unter den Krankenkassen deutlich gebremst. Das einst von Ministerin Ulla Schmidt (SPD) postulierte Ziel, „30 bis 50“ Kassen reichen, ist in weiter Ferne. 123 Kassen bewegen sich am Markt. Das ist die drei- bis vierfache Zahl der von Schmidt als notwendig erachteten. Andererseits hat sich die Zahl der Kassen seit 2005 halbiert. Der Trend zeigt in Richtung Konzentration. In den vergangenen Jahren verschwanden im Schnitt jedes Jahr an die zehn Kassen. Meist ging das geräuschlos ab, weil es kleine und kleinste Kassen waren.

Mit der im November verkündeten Übernahme der Deutschen BKK durch die Barmer-GEK bekommt das Muster einen Bruch. Die Nummer zwei im Kassenlager mit 8,5 Millionen Versicherten übernimmt die Nummer zwei der Betriebskrankenkassen mit 1,1 Millionen Kunden. Macht eine Elefantenhochzeit mit 9,6 Millionen Versicherten. Das ist ein Tick mehr als der Marktführer Techniker-Krankenkasse (TK) heute hat. Womit das Argument mancher Kommentatoren bestätigt schien, die Barmer-GEK habe es nicht verwunden, von der TK als größte Kasse abgelöst worden zu sein. Vorstandschef Christoph Straub wolle mit Macht wieder an die Spitze. Falls nicht aus eigener Kraft, dann eben per Zukauf.

Das Argument ist nicht sehr plausibel. Denn die Fusion soll erst im Januar 2017 vollzogen werden. Bis dahin aber dürfte die TK locker 100.000 Versicherte hinzugewonnen haben, die ihr fehlen, um die Marktführerschaft zu verteidigen. Zudem gehen Fusionen selten ohne Mitgliederabgänge ab – von der Möglichkeit zu schweigen, auch die TK könnte eine oder mehrere kleinere Kassen „wegfusionieren“.

Dennoch ist Größe für die Kassen ein wichtiges Thema. Je mehr Versicherte sie unter Vertrag haben, desto einfacher können sie bei Rabattverträgen mit Pharmaherstellern ihre Interessen durchsetzen. Eine gute Informationsverarbeitung, wie sie die Barmer-GEK gerade aufsetzt, spart Verwaltungskosten. Je besser sie ausgelastet ist, desto mehr Kosten kann sie sparen. Größe ist auch bei einem dritten Punkt wichtig: dem Werbeetat. Solange die Aufwendungen dafür je Mitglied begrenzt sind, haben die Großen einen Vorteil. Eine mittlere Betriebskrankenkasse kann es sich eben nicht leisten, im TV-Vorabendprogramm für sich zu werben.

Das alles ist nicht neu. Insofern bleibt die Frage: Warum jetzt und mitten in einem Restrukturierungsprozess, der bei der Barmer-GEK 3.500 von 15.300 Beschäftigen den Job kosten wird? Der eigentliche Grund für den Fusionsbeschluss sind die (nicht nur zu diesem Jahreswechsel) steigenden Zusatzbeiträge. Barmer und Deutsche BKK stehen nicht schlecht, aber auch nicht eben blendend da. Beide werden wohl am Ende des Jahres einen kleinen Verlust ausweisen. Bei beiden bewegen sich die Reserven knapp über dem Mindestsoll.

Nun machen zwei Hinkende noch keinen Schnellläufer. Aber die beiden sind nicht alleine. Viele Kassen werden unter Druck geraten, weil ihr Zusatzbeitrag über das von Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) als „durchschnittlich“ eingestufte Niveau von plus 0,2 auf dann 1,1 Prozentpunkte steigen wird. Dann müssen sie ihre Kunden auf günstigere Anbieter hinweisen. Das tut keine Kasse gern. Wenn sie das aber schon tun muss, dann aus einer Position relativer Stärke. So erscheint die Übernahme der Deutschen BKK durch die Barmer-GEK in einem neuen Licht: in Erwartung einer neuen Fusionswelle die interessantesten Stücke frühzeitig vom Markt zu nehmen.

Gastkommentare entsprechen nicht immer der Ansicht der Herausgeber.

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