Bergung eines frakturierten Lentulos
Anhand der Vorgeschichte muss von einer unzureichenden Bearbeitung und Desinfektion des Wurzelkanalsystems ausgegangen werden. Neben der Überweisung brachte die Patientin auch das in der Praxis angefertigte Röntgenbild mit (Abbildung 1). Um die Wurzelspitze lässt sich eine periapikale Aufhellung erkennen. Der spiralförmige Verlauf des intrakanalär verbliebenen Instrumentenstücks im Röntgenbild unterstützt die Angabe aus der Überweisung, dass es sich um ein Lentulo handelt.
Lentulos lassen sich in der Regel unkomplizierter entfernen als etwa Stahl- oder Nickel-Titan-Feilen [Hülsmann, Schinkel, 1999]. Der gerade Wurzelverlauf und die koronale Lage des Fragments wirken sich positiv auf den orthograden Entfernungsversuch aus. Mit einer geschätzten Fragmentlänge von etwa fünf Millimetern ist die Erfolgschance gegenüber kürzeren Instrumentenstücken größer [Hülsmann, Schinkel, 1999]. Meist klemmen größere Fragmente nicht über die ganze Länge – besonders Lentulos nicht – und lassen sich somit leichter lockern und entfernen als kürzere Feilenstücke.
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Bergungsplan
Nach Einschätzung aller Risiken und nach Rücksprache mit der Patientin kam lediglich der orthograde Entfernungsversuch in Betracht, da die koronale Lage des Lentulos und die unzureichende Bearbeitung und Desinfektion im Vorhinein weder ein Belassen des Fragments noch ein chirurgisches Vorgehen zuließen. Zunächst wurde unter Zuhilfenahme des Dentalmikroskops der koronale Fragmentanteil mit kleinen Langschaftsrosenbohrern freigelegt. Auf den Einsatz von Ultraschall wurde in diesem Fall verzichtet, um eine erneute Fraktur des fragilen Lentulos zu vermeiden. Nachdem der Fragmentkopf zirkulär etwa zwei bis drei Millimeter freipräpariert vorlag, boten sich mehrere Entfernungsmethoden an. Sowohl die Hülsen- als auch die Ösen- oder Schlingentechnik kamen in Betracht.
Instrument Removal System
Aufgrund der koronalen Lage des Fragments schien die Nutzung des Instrument Removal Systems (IRS) ebenfalls sinnvoll. Das IRS (Dentsply Tulsa Dental; Tulsa, Oklahoma) besteht aus einer Hülse mit einer seitlichen Fensterung im apikalen Bereich und einem dazugehörigen Dorn, der von koronal in die Hülse eingeführt wird (Abbildung 2). Die Hülse wird über den zwei bis drei Millimeter freigelegten Instrumentenkopf gestülpt. Durch das Einführen des Dorns wird das Fragment in Richtung Hülsenfenster gedrückt und fest verkeilt. Anschließend kann das IRS mitsamt des Fragments entfernt werden (Abbildungen 3 und 4). Voraussetzung für die Anwendung des IRS ist die zirkuläre Freilegung des Instrumentenkopfes über mindestens zwei bis drei Millimeter, weshalb dieses System meist nur für Fragmente geeignet ist, die im koronalen oder im mittleren Wurzeldrittel klemmen.
Da das IRS ein vergleichsweise großes Instrument ist und einen geradlinigen Zugang zum Fragment erfordert, ist die Anwendung bei geringer Mundöffnung oder im distalen Mundbereich häufig nicht möglich.
Nach Elimination des frakturierten Lentulos konnte das gesamte Wurzelkanalsystem bis auf Arbeitslänge instrumentiert, desinfiziert und obturiert werden (Abbildung 4).
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Fazit
Im vorliegenden Fall war die Fragmententfernung essentiell, um eine erfolgreiche endodontische Behandlung durchführen zu können. Das Lentulo verlegte das Wurzelkanalsystem, so dass eine vollständige Instrumentation und Desinfektion unmöglich war. Die unzureichende Aufbereitung und Desinfektion im Rahmen der zuvor durchgeführten endodontischen Notbehandlung hätte ein Fortbestehen der apikalen Parodontitis zur Folge gehabt. Der langfristige Erhalt des Zahnes wäre äußerst fraglich gewesen. Auch wenn der Schwierigkeitsgrad des hier vorliegenden Falles als verhältnismäßig einfach einzustufen ist, sollte man keinesfalls die Aufgabe der Fragmententfernung unterschätzen. Ohne den Einsatz des Operationsmikroskops, das optimale Sicht bei ausreichender Vergrößerung gewährleistet, unterläuft dem Behandler nur allzu schnell ein unkontrollierter Zahnhartsubstanzabtrag oder der erneute Bruch des fragilen Lentulostücks. Auch die Freilegung des koronalen Anteils des Lentulos birgt die Gefahr der erneuten Fraktur, wenn bei unzureichender Sicht zu viel Kraft auf den Fragmentkopf einwirkt. Dies gilt besonders für längere Instrumentenbruchstücke, wie in diesem Fall [Arnold, 2013]. Die Schwierigkeit der vollständigen Bergung des Lentulos wäre bei einem erneuten Bruch deutlich erhöht gewesen und hätte zusätzlichen Verlust von Zahnhartsubstanz zur Folge gehabt.
Dr. Michael DrefsDr. Heike SteffenZentrum für ZMK Poliklinik für Zahnerhaltung, Parodontologie und EndodontologieWalther-Rathenau-Str. 4217475 Greifswald E-mail:
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