„Delegation bedingt Kontrolle“
Frau Prof. Nitschke, warum gelten die Grundsätze der Delegation bei der aufsuchenden Betreuung in besonderem Maß?
Prof. Ina Nitschke:Pflegebedürftige Menschen sind in Bezug auf ihre Gesundheit vielfach und auch besonders kompromittiert – zum Beispiel können unter der sehr häufig eingesetzten antikoagulativen Therapie bereits kleine Verletzungen, wie sie bei grundsätzlich harmloseren Behandlungen wie einer Zahnreinigung immer wieder auftreten, zu lebensbedrohlichen Blutungen führen, und auch eine Dysphagie kann eine besondere Herausforderung bei einer Behandlung sein. Es kann häufiger zu Notfällen kommen, die nicht im Mund ihre Ursache haben, wo aber ein Zahnarzt dann schnelle Entscheidungen treffen muss. Diese und viele andere ähnlich gelagerte Gefährdungen im Vorfeld zu erkennen oder im Nachgang richtig zu behandeln, setzt die Ausbildung und Kompetenz eines Zahnarztes voraus.
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Wo sieht die DGAZ die Grenzen der Delegation bei der Betreuung pflegebedürftiger Menschen?
Bei einer Pflegeeinrichtung ist die Analogie zur Praxis leicht zu sehen. So wie der Zahnarzt in seiner Praxis bestimmte Leistungen delegiert, wenn er zur Aufsicht und Kontrolle anwesend ist, soll er das auch in einer Einrichtung tun. Damit sich das wirtschaftlich darstellen lässt, wird man natürlich immer die Versorgung mehrerer Patienten an einem Datum planen. Hier gibt es im Kollegenkreis gute Versorgungsbeispiele, die sich in der Praxis umsetzen lassen. In dieser Hinsicht problematischer sind Menschen in häuslicher Pflege. Hier muss man manches neu denken, und die DGAZ wird sich dieser Diskussion nicht verschließen.
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Wann muss der zuständige zahnärztliche Behandler definitiv für den Bewohner der Pflegeeinrichtung zur Verfügung stehen?
Delegation setzt Indikationsstellung, Aufsicht und Kontrolle voraus. Damit entsteht in der Pflegeeinrichtung keine andere Situation als in der eigenen Praxis. In der Pflegeeinrichtung leben multimorbide Menschen, deren zahnmedizinische Betreuung oft schwieriger ist als die von den meist gesünderen Patienten, die die Praxis aufsuchen können.
Bei der Diskussion der Tätigkeit der zahnmedizinischen Prophylaxe-Assistenz in Pflegeinrichtungen möchte ich die Kollegen auffordern, die Mitarbeiter nicht zu überfordern. Oft tauchen Situationen in den Einrichtungen auf, die eine zahnmedizinische Mitarbeiterin kaum allein bewältigen kann. Die gemeinsame Tätigkeit vor Ort sollte den Mitarbeitern auch die Freude an der Betreuung der Pflegebedürftigen bewahren. Aktuell besteht die Panik, dass die Zahnmedizin die Versorgung Pflegebedürftiger nicht stemmen kann. Die Zahlen sind wirklich beeindruckend: Ab 2017 haben wir nach den aktuellen Schätzungen etwa drei Millionen Menschen mit Pflegegrad. Hier aber in vorauseilender Panik alle Grundsätze der Zahnmedizin über Bord zu werfen, halte ich wirklich nicht für sinnvoll. Unsere freiberuflich denkende Kollegenschaft wird dieser Herausforderung ganz sicher gewachsen sein.