Soll ich jetzt einen neuen Stuhl kaufen?
Wer eine Praxis übernimmt, sitzt häufig zwischen zwei Stühlen, wenn es um die Praxisausstattung geht. Soll die Praxis – mit einer günstigen öffentlichen Finanzierung – komplett modernisiert werden, um gleich mit voller Kraft durchstarten zu können? Oder könnte man mit dem alten Inventar erst einmal beginnen, um die Kosten gering zu halten? Welche Gründe für und gegen die eine oder andere Wahl sprechen.
Der Praxisübernehmer
Dr. J. (31) ist voller Tatendrang. Er hat gerade eine Praxis übernommen, die in jeder Hinsicht seinen Vorstellungen entspricht. Sie befindet sich in zentraler Lage in seinem Heimatort, sein Vorgänger hatte eine gute Reputation und J. übernimmt von ihm einen soliden Patientenstamm. Und eine ganze Reihe der Patienten kennt er noch aus seiner Schulzeit.
Die Praxisräumlichkeiten sind in einem guten Zustand. Das lässt sich von den Geräten, wie bei Übernahmen üblich, nicht behaupten. Sie sind zum Teil schon recht betagt. Dazu gehören auch die beiden Behandlungseinheiten. Mit solchen hat J. bereits während seines Studiums an der Universität recht gern gearbeitet. Sein Dentaldepot rät ihm, die beiden Einheiten gegen neue einzutauschen, und bietet an, für die Rücknahme der beiden alten Einheiten einen Preisnachlass zu gewähren. Der junge Praxisinhaber zögert, denn natürlich kennt er die Motivation des Depots. Eigentlich, so überlegt er, laufen die alten Einheiten doch noch. Und selbst, wenn an Ersatzteile nicht so leicht heranzukommen ist, irgendwie geht es doch. Auf der anderen Seite überdenkt er die Vorteile, die neue Einheiten mit sich bringen. Schlagwörter wie Workflow, Ergonomie, Multifunktionsfähigkeit, integriertes Hygienesystem oder Bedienung durch Touchscreen schwirren durch seinen Kopf.
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Die Gretchenfrage
Am Ende gelangt er jedoch zu keinem eindeutigen Ergebnis und rechnet aus, wie sich seine jährlichen Kosten durch die Investition in zwei neue Einheiten verändern würden. Als Kalkulationsgrundlage wählt er einen Kaufpreis von 30.000 Euro je Behandlungseinheit. Die Anschaffung der neuen Behandlungseinheiten würde bei J. folgende Kostenänderung verursachen.
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jährliche Kosten
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jährliche Leasingrate
12x1.080
12.960 Euro
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./. ersparte Reparaturkosten
6.000 Euro
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= Kostenerhöhung jährlich
6.960 Euro
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Bei dieser Rechnung wird allerdings nicht berücksichtigt, dass ein Gründer normalerweise die sehr günstigen öffentlichen Förderkredite nutzt und nicht least. Bei angenommenen Finanzierungskonditionen von 1,5 Prozent sähe die Rechnung schon anders aus.
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jährliche Kosten
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Finanzierungszinsen
900 Euro
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+ Afa
6.000 Euro
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=
6.900 Euro
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./. ersparte Reparaturkosten
6.000 Euro
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= Kostenerhöhung jährlich
900 Euro
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Legt man die durchschnittlichen Behandlungsstunden eines Zahnarztes pro Jahr zugrunde (laut KBZV Jahrbuch 2015), ergeben sich 0,6228 Euro Mehrkosten (900 Euro Finanzierungszinsen: 1.445 Stunden) pro Behandlungsstunde, in den neuen Bundesländern 0,6284 Euro (900 Euro Finanzierungszinsen: 1.432 Stunden).
Und wenn J. in seine Überlegungen dann noch einbezieht, dass mit einer neuen Behandlungseinheit technologischer Fortschritt in seiner Praxis Einzug hält, der sich auch auf die Behandlungseffizienz, die Rüstzeiten und den Praxis-Workflow positiv auswirkt, könnte seine Entscheidung anders ausfallen.
Dazu kommt, dass für J. zum jetzigen Zeitpunkt völlig unklar ist, zu welchen Konditionen er eine neue Einheit finanzieren kann, wenn die alte nicht mehr reparaturfähig ist – oder so reparaturanfällig, dass sich die weitere Nutzung wirtschaftlich verbietet. Momentan finanzieren Gründer bei Inanspruchnahme öffentlicher Finanzierungen zu Zinsen von ein bis zwei Prozent im Jahr. Diese subventionierten Zinsen für Gründer sind nur zeitnah zur Gründung unter bestimmten Voraussetzungen erhältlich und nicht zu einem beliebigen Zeitpunkt nach der Gründung abzurufen. Normale Bankfinanzierungen sind teurer und es ist ungewiss, ob in einigen Jahren das Zinsniveau noch so niedrig sein wird wie heute.
###more### ###title### Das richtige Augenmaß ###title### ###more###
Das richtige Augenmaß
Schließlich ist auf eine grundsätzliche Gefahr bei Praxisübernahmen hinzuweisen: Einige Gründer neigen mangels Erfahrung zu Extremen. Sie statten ihre neue Praxis entweder aus wie eine moderne Großpraxis oder sie verkneifen sich jede Art von Investition, die aus ihrer Sicht nicht unbedingt erforderlich ist. Investiert man mehr als nötig, belastet man sich in der ohnehin schwierigen Anlaufphase der Praxis bereits mit hohen Fixkosten. Investiert man aber in zu geringem Maß, kann die Praxis nicht professionell genug arbeiten.
Prof. Johannes BischoffSteuerberaterTheodor-Heuss-Ring 2650668 Köln E-mail: