Termin abgesagt. Und jetzt?
Zunächst: Diese Frage lässt sich nicht mit einem einfachen „Ja“ oder „Nein“ beantworten. Die Rechtsprechung ist hier uneinheitlich, ein generelles Anrecht auf Schadensersatzansprüche durch eine höchstrichterliche Entscheidung gibt es ebenso wenig wie eine Berücksichtigung dieser Situation im Bema oder in der GOZ.
So entschied etwa das Amtsgericht Bremen (AG Bremen, Urteil vom 9. Februar 2012, Az.: 9 C 0566/11), dass einem Arzt auch bei kurzfristiger Absage des vereinbarten Termins kein Zahlungsanspruch gegen den Patienten zusteht. Mangels erbrachter Leistung könne der Kläger keine Gegenleistung verlangen, argumentierten die Richter. Sie standen auf dem Standpunkt, dass Terminabsprachen einen bloß organisatorischen und nicht rechtsverbindlichen Inhalt haben. Im vorliegenden Fall hatte ein Patient der Praxis ein Fax geschickt und den Termin begründet abgesagt. Ein Schadensersatzanspruch bestehe nicht, so die Richter. Potenzielle Vertragspartner seien bis zum Vertragsschluss in ihrer Entscheidung grundsätzlich frei. Das Gericht war der Ansicht, dass durch die Absage des Termins einer Kündigung Ausdruck verliehen wird.
Die 24-Stunden-Frist
Das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart (Urteil vom 17. April 2007, Az.: 1 U 154/06) sieht hingegen unter bestimmten Voraussetzungen einen Anspruch des Zahnarztes auf Schadensersatz, wenn ein Patient (zu spät) einen für ihn reservierten Termin absagt. Hierzu muss der Zahnarzt aber so konkret wie möglich einen Schaden glaubhaft machen können. Dies sei nur dann der Fall, wenn kein Ersatzpatient behandelt werden konnte, bei rechtzeitiger Absage (mindestens 24 Stunden vorher) aber ein „Einspringen“ möglich gewesen wäre. Das Amtsgericht Nettetal (Urteil vom 12. September 2006, Az.: 17 C 71/93) gesteht einem Zahnarzt einer Bestellpraxis grundsätzlich einen Honoraranspruch zu, wenn ein Patient nicht erscheint. Voraussetzung: Es besteht eine zwischen Zahnarzt und Patienten getroffene Behandlungsvereinbarung (siehe Kasten).
Damit existiere ein Dienstvertrag, bei dem sich der Patient nach § 615 BGB im Annahmeverzug befinde. Mit der Unterzeichnung dieser Behandlungsvereinbarung hatte sich der Patient in diesem vorliegenden Fall ausdrücklich damit einverstanden erklärt, dass er im Falle seines unentschuldigten Nicht- erscheinens zu einem Termin das entgangene Honorar des Klägers zu tragen hat.
Das Urteil zeigt: Um einen Honorarausfall durchsetzen zu können, ist es empfehlens wert, sich durch entsprechende Vereinbarung vor Behandlungs- und Honorarausfall durch säumige Patienten zu schützen. Experten empfehlen daher, sich von jedem Patienten eine Extra-Vereinbarung quittieren zu lassen, auf der diese Gepflogenheit der Praxis dargestellt wird. Dies kann ein singuläres Dokument sein oder als Regelung bereits auf dem Aufnahmebogen vermerkt werden.
Unverschuldetes Verhalten
Alt-Patienten kann man ebenfalls eine derartige schriftliche Vereinbarung zum Ausfallhonorar vorlegen, verpflichtet zu einer Unterschrift sind sie allerdings nicht. Daneben empfiehlt sich ein gut sichtbarer Praxisaushang mit dem Hinweis auf die Geltendmachung eines Ausfallhonorars. Allerdings: Dem Patienten muss in einer Vereinbarung die Möglichkeit gegeben werden, sich bei unverschuldetem Fernbleiben zu entlasten. Dies macht ein Urteil des Landgericht (LG) Berlin (Urteil vom 15. April 2005, Az.: 55 S 310/04) deutlich. In dem dort vorliegenden Fall wurde zwar eine schriftliche Vereinbarung über die Bezahlung eines Ausfallhonorars geschlossen. Allerdings lehnten die Richter die Klage des Zahnarztes auf Honorarausfall ab, weil sie die Formulierung in der Vereinbarung für unwirksam erklärten. Ein Zusatz („es sei denn, das Nichterscheinen ist unverschuldet“) hätte hier Abhilfe schaffen können.
In der Patientenvereinbarung sollte bereits die Höhe des Ausfallhonorars genannt werden. Auch hier gibt es unterschiedliche Auffassungen: Das AG Nettetal hat in dem entschiedenen Fall 75 Euro pro Stunde als angemessen angesehen, das Berliner LG für seinen Fall 70 Euro pro Stunde.
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In ihren Kommentaren zu Bema und GOZ verweisen die Verfasser darauf, dass sich das Ausfallhonorar individuell nach den geplanten Leistungen und dem Behandlungsumfang bemisst (Liebold/Raff/Wissing: BEMA und GOZ, DER Kommentar, Asgard Verlag 2015). Danach könne man denjenigen entgangenen Gewinn als Schaden ersetzt verlangen, der nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden könne. Bisweilen nimmt auch das Gericht hinsichtlich der Höhe des Ausfallhonorars einen Honorarabzug vor, da die Zeit durch Verwaltungs- und Abrechnungstätigkeiten genutzt werden könne (Urteil Nettetal).
Fazit
Sagt ein Patient kurzfristig ab oder erscheint er nicht zu einem vereinbarten Termin, kann dem Zahnarzt unter folgenden Voraussetzungen ein Ausfallhonorar zustehen:
• Die Praxis ist eine Bestellpraxis und arbeitet mit festen Terminen. Für jeden Patienten wird ein extra Termin vereinbart. Für diesen ist ausschließlich die individuelle Behandlung vorgesehen.
• Über genau dieses Prozedere ist der Patient schriftlich aufzuklären. Genauso wie darüber, dass ihm bei Nichteinhaltung beziehungsweise bei nicht rechtzeitiger Ab- sage des Termins die zugesagte Behandlung in Rechnung gestellt wird. Ausnahme: Er sagt seinen Termin rechtzeitig ab und begründet sein Nichterscheinen.
• Der Zahnarzt konnte den Termin bei Nichterscheinen des Patienten oder einer Absage nicht mehr anderweitig vergeben.