Editorial

IGeL-Monitor – Verunglimpfung mit Methode

Mittlerweile darf man durchaus von einem weiteren Krankenkassen-Ritual sprechen: Wenn alljährlich der IGeL-Monitor des Medizinischen Dienstes des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) vorgestellt wird, startet auch eine kampagnenartige mediale Berichterstattung mit dem immer gleichen negativen Tenor: DIE Zahnärzte, allen voran DIE Ärzte, bereichern sich mit zweifelhaften Angeboten an den Patienten, die ihrem Schutz anbefohlen sind. Da zählt das Wort Beutelschneider noch zu den freundlicheren der für die Leistungserbringer (beabsichtigten?) Assoziationen. Beklagt wird die mangelnde Evidenz der IGeL-Angebote, natürlich die fehlende Aufklärung der Patienten über Sinn und Unsinn der Maßnahme oder gar dass die Patienten „mit IGeLn“ müssen, um überhaupt des Heilkundigen Aufmerksamkeit für ihre körperliche oder seelische Malaise zu erhalten.

So weit, so üblich. Den Vogel schoss der MDS jedoch in seiner Pressemeldung zu den Ergebnissen der diesjährigen Evaluation des IGeL-Monitors ab. Da wird allen Ernstes behauptet, dass „die Patienten kaum über die Schäden von IGeL informiert werden“. Wohlgemerkt Schäden, nicht Risiken!

Die Bewertungen des IGeL-Monitors basieren, so die Eigendarstellung, auf den Methoden der Evidenzbasierten Medizin (EbM). Es werden also IGeL-Angebote mit der Elle der EbM gemessen, genau jener Methode, die dazu geführt hat, dass die Angebote eben nicht in dem regulären Leistungskatalog der Krankenkassen zu finden sind. Und deswegen ja auch IGeL genannt werden.

Um nicht missverstanden zu werden: Ich kritisiere an dieser Stelle nicht die Methode der Evidenzbasierten Medizin! Sondern dass hier bewusst dass Imago der Wissenschaftlichkeit und Etabliertheit der verwendeten Methoden genutzt wird, um die Individuellen Gesundheitsleistungen zu bewerten und damit logischerweise abzuwerten. Deshalb, so die Darstellung des MDS auf seiner Webseite, „gehören Individuelle Gesundheitsleistungen (kurz: IGel-Leistungen) grundsätzlich nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Der Patient muss diese privat bezahlen.“

Ja was denn nun? Da gehören bestimmte medizinische Angebote wie zum Bespiel der PSA-Test oder die Augeninnendruckmessung nicht (mehr) zum Leistungskatalog der GKV, weil die Evidenzbewertung (zum jeweiligen Zeitpunkt!) „nicht positiv genug“ ausgefallen ist. Als IGeL angeboten erfolgt nun die Bewertung von einem Team des MDS, „das der evidenzbasierten Medizin verpflichtet ist“. Mit welchem Bewertungsergebnis ist beim Fischen in der Evidenzbasierten Ursuppe denn da zu rechnen?

Nicht alles, was einem nützt, frommt auch. Es ist legitim, wenn Krankenkassen in ihrem Bemühen um mehr Versicherte sich so attraktiv wie möglich präsentieren wollen. Nur wie weit dürfen die gesetzlichen (auf das Gesetz verpflichteten!) Krankenkassen denn bei den Satzungsleistungen gehen? Es mutet unglaubwürdig an, wenn der MDS die PZR als „unklar“ einstuft, wenn fast 60 % der Krankenkassen diese bezahlen bzw. bezuschussen. Oder z. B. die BKK advita „naturheilkundliche“ KFO und Zahnmedizin anbietet, plus Homöopathie und Schüsslersalze.

Wenn Patienten „wissenschaftlich fundierte Informationen brauchen, damit sie sich bewusst für oder gegen eine Selbstzahlerleistung entscheiden können“, dann kann ich der Argumentation des MDS folgen. Nicht folgen kann ich jedoch dem Weltbild, dass wenn man von den sogenannten wissenschaftlich fundierten Informationen (= EbM) aus welchen Gründen auch immer abweicht, es bei den Krankenkassen gut und richtig ist, bei Zahnärzten und Ärzten aber Beutelschneiderei bedeutet. Vielleicht habe ich ja auch nur etwas nicht richtig verstanden. Denn: „Für den IGeL-Monitor wählen wir IGeL aus, die mehrere Bedingungen erfüllen sollen: Sie sollen in der Praxis eines niedergelassenen Arztes angeboten werden, das heißt, die Angebote von Krankenhäusern und Heilpraktikern werden nicht berücksichtigt. Sie sollen relevant sein, also auch in nennenswertem Umfang angeboten werden oder auf das besondere Interesse der Nutzer des IGeL-Monitors stoßen.“

Na dann kann man ja auch problemlos Schaden und Risiko „verwechseln“.

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