Das bagatellisierte Krankheitsbild
Rund 30 Prozent der Bevölkerung leiden unter einer allergischen Rhinitis, im Volksmund als Heuschnupfen bekannt. Oft beginnt die Erkrankung schon im Kindesalter. Mit Auftreten des Pollenflugs kommt es bei den Betroffenen durch den Kontakt der Allergene mit der Schleimhaut zu allergischen Reaktionen, die sich dann mit den genannten Symptomen zeigen. Auch können Entzündungen im Hals-Nasen- Ohren-Bereich wie den Nasennebenhöhlen auftreten.
Nicht immer allerdings liegt der allergischen Rhinitis ein Heuschnupfen (Pollinosis), also eine allergische Reaktion auf Pollen zugrunde. Auch andere Allergene wie zum Beispiel Tierhaare können bei Vorliegen einer Tierhaarallergie entsprechende Symptome hervorrufen. Daran ist in der Praxis zu denken, wenn man Allergiker ist und bei bestimmten Patienten regelmäßig mit brennenden Augen, Niesen oder Jucken in der Nase reagiert. Dann lohnt sich die Nachfrage, ob der Betreffende zu Hause Katzen oder vielleicht ein Meerschweinchen hält.
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Epidemiologie und Formen
Am weitesten verbreitet ist die Rhinokonjunktivitis – der durch eine Pollen-Allergie bedingte allergische Schnupfen. Davon spricht man, wenn die Rhinitis mit einer Bindehautentzündung einhergeht. Die Pollen-Allergie ist nach Mitteilungen des Deutschen Asthma- und Allergikerbundes (DAAB) sogar die generell häufigste allergische Erkrankung in Deutschland. Sie wurde bereits 1929 als Krankheitsbild mit den drei Kardinalsymptomen „Niesreiz, nasale Obstruktion und nasale Sekretion“ beschrieben.
Heutzutage wird die Rhinitis definiert als nasaler Symptomenkomplex, der durch eine anteriore oder eine posteriore Rhinorrhoe, durch Niesen, durch eine nasale Obstruktion und/oder durch Juckreiz gekennzeichnet ist. Die Symptome müssen an mindestens zwei aufeinander folgenden Tagen für mehr als eine Stunde auftreten. Erfolgt dies aufgrund eines Allergenkontakts und über eine IgE-vermittelte Typ-1-Reaktion, liegt eine allergische Rhinitis vor.
Saisonaler Heuschnupfen:
Der Heuschnupfen tritt typischerweise saisonal und jedes Jahr in etwa zur gleichen Zeit auf. Allerdings hat sich der Pollenflug in jüngster Zeit infolge des Klimawandels zeitlich etwas verschoben. Bis in den November hinein kann es noch zur Freisetzung von Gräsern und vor allem von Brennnesselpollen kommen. Und im Dezember können nach Angaben des DAAB durchaus schon erste Haselnusspollen fliegen. Wann welche Pollen in der Luft sind, wird alljährlich im Pollenflugkalender dargestellt.
Es ist dabei individuell, auf welche Pflanzen die allergische Reaktion erfolgt. Besonders häufig sind Allergien gegen sogenannte Frühblüher wie Hasel, Erle und Birke sowie gegen Gräser- und Getreidepollen. Kommen die betreffenden Pollen mit den Schleimhäuten in der Nase oder der Bindehaut am Auge in Kontakt, führt dies zur Bildung von IgE-Antikörpern und dadurch zu den beschriebenen Symptomen. Es kann ferner zu einem Hautausschlag sowie zu Schwellungen – vorzugsweise im Gesicht – kommen. Aber auch eine erhöhte Lichtempfindlichkeit sowie Störungen des Geruchssinns und des Geschmacks können auftreten.
Nicht selten entwickeln sich im Verlauf der Erkrankung weitere Allergien und zwar charakteristischerweise Kreuzallergien auf bestimmte Nahrungsmittel wie zum Beispiel Nüsse sowie Kern- und Steinobst. So leiden etwa 50 Prozent der Menschen, die allergisch auf Birke, Erle oder Hasel sind, unter einer Nahrungsmittelallergie und reagieren zum Beispiel auf rohe Äpfel, Birnen, Kirschen, Pfirsiche, Pflaumen und/oder Nüsse und Mandeln. Seltener kommt es nach Angaben des DAAB zu allergischen Reaktionen auf exotische Früchte wie Kiwi, Litschi oder Avocado. Kreuzallergien können zum Teil massive allergische Reaktionen nach dem Verzehr des Allergens zur Folge haben wie etwa Kribbeln, Brennen und Schwellungen im Mund- und Rachenraum.
Der saisonale Heuschnupfen wird häufig bagatellisiert. Dabei wird nicht bedacht, dass das Krankheitsbild fortschreiten und sich auf die unteren Atemwege ausbreiten kann. Die Konsequenz eines solchen „Etagenwechsels“ – bei etwa einem Drittel der Patienten – ist die Entwicklung eines allergischen Asthma bronchiale und damit einer anhaltenden Entzündung der Atemwege. Erste Symptome einer solchen Reaktion sind Husten und Atemnot. Im weiteren Verlauf droht eine anfallsweise – meist während der Nacht sowie in den frühen Morgenstunden – auftretende Dyspnoe.
Ganzjähriger allergischer Schnupfen:
Im Gegensatz zur saisonalen allergischen Rhinitis, die nur während des Pollenflugs Probleme macht, treten die Symptome der perennialen Rhinitis ganzjährig auf. Auslöser sind dann nicht Pollen, sondern Milbenkot, Tierhaarallergene oder auch Schimmelpilzsporen. Ebenso kommen Nahrungsmittelallergene, Latex (Schutzhandschuhe!) und Schadstoffe in der Innenraumluft infrage.
Zur Differenzierung des saisonalen und des perennialen allergischen Schnupfens hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine neue Einteilung vorgeschlagen, die zwischen der intermittierenden und der persistierenden allergischen Rhinitis unterscheidet. Als persistierend gilt dabei eine Dauer von mehr als vier Tagen pro Woche und für mindestens vier Wochen anhaltend.
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Diagnostik
Die Diagnostik der Pollinosis beruht im Wesentlichen auf der Anamnese, der Klinik sowie auf einer positiven Reaktion im Hauttest. Am häufigsten wird dabei der Pricktest angewandt, bei dem standardisierte Lösungen mit Allergenen an gekennzeichneten Stellen wie etwa der Vorderseite der Unterarme auf die Haut getropft und mit einem kleinen Nadelstich oberflächlich in die Haut eingebracht werden. Eine Sensibilisierung zeigt sich oft schon nach wenigen Minuten als Rötung und Quaddel. Alternativ kann ein sogenannter Intrakutantest durchgeführt werden. Dabei wird eine sterile Testlösung in die Haut – bevorzugt auf den Rücken – injiziert. Liegt eine Allergie vor, so zeigt sich diese durch Bildung einer Quaddel. Weitere Hauttests sind der Scratchtest, der Reibetest und der Epikutantest, die allerdings beim Heuschnupfen nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Ergänzend kann durch Blutuntersuchungen der Nachweis spezifischer IgE-Antikörper gegen die jeweiligen Pollen geführt werden. Im Zweifelsfall sind ein Provokationstest sowie eine ergänzende molekulare Allergiediagnostik zu erwägen.
Therapiemöglichkeiten
Allergenkarenz:
Sind die Allergene Pollen, gilt als oberstes Therapieprinzip, diese zu meiden. Das heißt, keine geöffneten Fenster zu Zeiten des Haupt-Pollenflugs. Diese sind in der Stadt und in ländlichen Regionen etwas unterschiedlich. So ist die Pollenbelastung auf dem Land in aller Regel in den Morgen- bis Mittagsstunden am höchsten, in der Stadt jedoch eher gegen Abend. Auch Pollenschutzgitter sowie spezielle Filter für die Klimaanlage im Auto helfen.
Pollenallergikern wird empfohlen, abends vor dem Zubettgehen die Haare zu waschen und die Straßenkleidung aus dem Schlafzimmer zu verbannen, um die Allergenkonzentration zu minimieren. Starke Allergiker sind gut beraten, in der Hochzeit des Pollenflugs den Jahresurlaub ans Meer oder ins Gebirge anzutreten.
Antiallergika:
Die medikamentöse Therapie der allergischen Rhinitis fußt auf der Verabreichung von Antiallergika und speziell Antihistaminika und stellt eine rein symptomatische Therapiemaßnahme dar. Ziel dabei ist die Linderung oder auch die Prophylaxe der quälenden Symptome.
Als lokal wirksames Therapeutikum kommt Cromoglicinsäure infrage. Der Wirkstoff stabilisiert Mastzellen, zeigt jedoch einen verzögerten Wirkeintritt, so dass die Behandlung schon vor dem Pollenflug begonnen werden sollte. Antihistaminika hemmen die Histaminwirkung und damit die allergische Reaktion. Die Wirkstoffe können systemisch oder als Nasenspray verabreicht werden. Dabei wirken moderne Antihistaminika nicht wie die früher verwendeten Präparate sedierend. Auch können topische Kortikoide zur Anwendung kommen, ebenso nasale Sympathikomimetika, die das Abschwellen der Nasenschleimhaut zum Ziel haben.
Spezifische Immuntherapie:
Einen kausalen Ansatz bietet die spezifische Immuntherapie (SIT), auch als Hyposensibilisierung bekannt. Dabei wird der Allergiker mit dem Allergen in steigender Dosierung konfrontiert – mit dem Ziel, über diesen Weg wieder eine Toleranz zu induzieren. Die Hyposensibilisierung kann durch subkutane Injektionen (SCIT) oder durch sublingual applizierte Tabletten (SLIT) erfolgen. In bis zu 70 Prozent der Fälle ist mit dem Verfahren eine nachhaltige Linderung der Symptomatik zu erwirken. Besonders erfolgreich ist die Behandlung bei einer Allergie gegen Gräserpollen.
Die Behandlung beginnt üblicherweise im Herbst, also in der pollenfreien Zeit. Die Injektionen erfolgen meist wöchentlich mit maximal drei Allergenextrakten, deren Dosis langsam gesteigert wird. Üblicherweise dauert die Behandlung etwa drei Jahre. Allerdings ist auch eine Kurzzeit-SIT von wenigen Wochen vorbeugend vor der erwarteten Pollensaison möglich.
Christine VetterMerkenicher Str. 224, 50735 Köln E-mail: