„Beschwerde-Management ist ein Image-Bringer!“
Seit wann gibt es bei Ihnen ein Beschwerdemanagement?
Stephanie Weitz:Wir haben unser jetziges Beschwerdemanagement 2005 eingeführt und 2007 eingesetzt – im Rahmen des QM-Systems nach ISO 9001 sowie nachfolgender Zertifizierung. Die guten Erfahrungen aus dem BM spiegeln sich auch in den von uns durchgeführten Patientenbefragungen wider.
Wie ist das Beschwerdemanagement in Ihrer Praxis aufgebaut?
Der Ablauf ist festgelegt: Alle sind für das Thema sensibilisiert, auch kann jede Mitarbeiterin in jeder Praxissituation Beschwerden aufnehmen. Sensibilisierung heißt konkret, dass alle Mitarbeiterinnen auf diese Situation vorbereitet werden – bezogen auf Telefonkontakte, Rezeptionsbereich, Wartesituationen, im Behandlungszimmer, im Verwaltungs- und Abrechnungsbereich.
Die Beschwerden werden auf einem extra Formular schriftlich festgehalten. Entweder wird das Problem mit dem Patienten auf der Führungsebene, also dem Zahnarzt als Chef, geklärt, und die Information über das Ergebnis wird ins Team geleitet. Oder das Thema wird in einer Teamsitzung diskutiert und es wird dort nach Lösungen gesucht. Zudem wird ein Wiedervorlagetermin zur Prüfung festgelegt, um die Nachhaltigkeit zu sichern.
Das Wichtigste ist, dass die Patienten sich wahrgenommen fühlen und wertgeschätzt werden mit ihrer Kritik, ihrem Unwohlsein und ihrem Befinden.
Können Sie Ihr BM an einem Beispiel erläutern?
2007: Eine VIP-Patientin meldet sich am letzten Tag vor dem Sommerurlaub mit Schmerzen und bekommt zum Ende der Sprechstunde einen Termin. Der Zahnarzt behandelt auf cp hin. Für die Patientin wird ein Kontrolltermin nach dem Urlaub vereinbart. Am ersten Praxistag nach dem Urlaub erreicht die Praxis ein Anruf der sehr kurz angebundenen Patientin mit der Stornierung sämtlicher Termine. Erst nach sehr hartnäckiger Nachfrage erzählt sie, dass die Schmerzen nicht nachgelassen hatten, sie ihren Abflug nach Spanien verschieben musste, und der Vertretungszahnarzt den Nachbarzahn mit einer Endobehandlung versorgt hat, was „man ja hätte sehen können“. Dass der langjährig vertraute Zahnarzt für sie als ängstliche Patientin nicht erreichbar war, sie zum Kollegen musste und der dann noch eine „Falschbehandlung“ diagnostizierte, hat das Vertrauensverhältnis zerstört.
Daraus haben wir Konsequenzen entwickelt: Seither kommt eine Mitarbeiterin entweder am Wochenende vor oder am ersten Tag der Urlaubsschließung in die Praxis und telefoniert alle Schmerzfälle des Vortages/ der Vortage auf Befinden ab. Gegebenenfalls wird gezielt ein Vertretungskollege empfohlen und dieser vorinformiert. Im geschilderten Fall hat der Chef mit der Patientin im Anschluss noch einmal telefoniert, sein Bedauern über das Geschehene zum Ausdruck gebracht und erläutert, was die Praxis für Konsequenzen daraus gezogen hat. Dies kam außerordentlich gut bei der Patientin an und sie äußerte sich positiv überrascht mit den Worten: ’Das ist eine tolle Idee, das kenne ich von keinem anderen Arzt.’
Sind Beschwerden automatisch Chefsache?
Die Praxisleitung ist Vorbild, das ist klar. Wenn schon der Zahnarzt es unangenehm und lästig findet, die Zufriedenheit des Patienten zu hinterfragen, werden sich die Mitarbeiter erst recht nicht trauen. Denn das Nachfragen und Beschäftigen mit Beschwerden kostet Energie und auch Mut. Es ist unangenehm, weil man sich mit auch mit ungerechtfertigter Kritik auseinandersetzen muss. Dabei ist gutes Beschwerdemanagement eins: ein absoluter Imagebringer! Bei Unternehmensberatern zahlt man für diese Dienstleistung viel Geld.
###more### ###title### Die Do's und Dont's ###title### ###more###
Die Do's und Dont's
Haben Sie drei Tipps für Kollegen? Was sind die Do’s und Dont’s?
Zuerst die Do’s:
1. Einfach mal machen. Was ist denn das Schlimmste, was passieren kann, wenn ich den Patienten nach seiner wahren und ehrlichen Zufriedenheit frage? Er bleibt weg. Das täte er aber bei Unzufriedenheit auch, nur verbunden mit einer negativen Kommunikation in seinem Umfeld.
2. Im Team klären, was kann uns ein gutes Beschwerdemanagement bringen? Wozu lohnt sich das konkret für uns? Beispiele aus dem Alltagsleben der Teammitglieder heranziehen: Ämter, Telefongesellschaften etc. bieten uns da doch eine Menge Beispiele. Wenn es dann mal zu einem „echten“, „kniffligen“ Fall kommt und dieser gut bewältigt wurde: ganz bewusst den Erfolg feiern, das motiviert ungemein!
Was man falsch machen kann: Die Mitarbeiter nicht oder ungenügend einbinden. Nicht die langjährig erfahrene und gut geschulte Qualitätsmanagementbeauftragte oder Praxismanagerin steht für das gute Beschwerdemanagement, sondern: Wie geht unser schwächstes Teammitglied mit Beschwerden um? Das alleine ist der Maßstab für das Funktionieren. Falsch ist auch, davon auszugehen, dass keine oder seltene Beschwerden ein Zeichen für allgemeine Patientenzufriedenheit sind. Genau das Gegenteil ist der Fall!
Stephanie Weitz ist ZMV, Qualitätsmanagerin und Auditor (TÜV) in Bürstadt, Hessen.